Zeit fürs Schlachtfest

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Eine uralte Tradition im Kraichgau lebt noch immer

Zugegeben, mit diesem Artikel werden wir unter Vegetariern und Veganern nicht zwangsläufig neue Freunde rekrutieren, dennoch verdient das Ritual des Schlachtfestes einmal einen genaueren Blick, lässt es sich doch durch die gesamte Menschheitsgeschichte bis hin zur Altsteinzeit rückwirkend nachweisen. Wir waren am Wochenende erstmals bei einem privaten Schlachtfest eines Kraichtaler Vereines zu Gast und haben unsere Eindrücke für Sie an dieser Stelle niedergeschrieben.

Unter einem Schlachtfest versteht man das gemeinschaftliche Schlachten, Zerlegen und Essen eines Tieres. Die letzten beiden Punkte sind im privaten Umfeld noch möglich, dass Schlachten selbst darf durch sehr scharfe EU-Richtlinien heutzutage noch nicht einmal mehr von den meisten Metzgern durchgeführt werden. Wer nicht einen Haufen Geld übrig hatte um ein den hygienischen Vorschriften entsprechendes, EU-konformes Schlachthaus zu errichten, muss sein Schlachtvieh seither teilweise über weite Strecken zum nächsten Schlachthaus transportieren. Die Frage inwieweit das dem Tierwohl förderlich ist, muss jeder selbst für sich beantworten.

Das Schwein das die Oldtimer und Schlepperfreunde Kraichtal für ihr vereinsinternes Schlachtfest am Wochenende verwendeten, kam daher von einer Metzgerei aus Kraichtal, die als eine der wenigen Vertreter ihrer Zunft im Kraichgau noch selber schlachten darf. Zuerst galt es das frisch geschlachtete Tier zu zerlegen und wirklich jedes einzelnen Körperteil zu verwenden und so gut wie nichts zu vergeuden.

Um den großen Tisch mit der großen Arbeitsplatte sitzen ein Dutzend Männer, einer von ihnen ein gelernter Metzger. Mit scharfen Messern zerlegen sie die Fleischteile, werfen manche davon in große brodelnde Kessel, die mit Feuerholz das Wasser in den gigantischen Bottichen zum Sieden bringen. Andere Fleischteile wiederum landen in Vorratsschalen, aus ihnen wird später am Tag Schwartenmagen hergestellt.

Man macht sich keinen Eindruck davon, wie viel Fleisch ein einzelnes Schwein herzugeben vermag. Schon bald sind zwei der großen Kessel gefüllt mit Bäckchen, Nieren, Leber, Herz, dem Schnuffel und vielem mehr… Die Schwarte wird später mit dem restlichen Fleisch zusammen zu Wurstmasse verkocht, sie verflüssigt sich dabei und fungiert als Bindemittel. Die Kochmasse wird in den gereinigten Schweinemagen gefüllt, daher auch der Name Schwartenmagen. Früher galt er als Arme-Leute-Essen, heute schätzt man die deftig würzige Wurst in allen Gesellschaftsschichten.

Während die Männer kochen, schneiden und essen, wird selbstverständlich viel miteinander geschwatzt und das eine oder andere Glas Bier oder Rotwein getrunken. Es ist ein geselliges Ritual, das schon viele Generationen vor ihnen begangen haben. Der ursprünglich einmal nicht unerhebliche religiöse Faktor, ist bei den Schlachtfesten in unserer Region mittlerweile fast gänzlich weggefallen. Ein paar feste Gewohnheiten gehören aber auch heute noch mit dazu. So wird in Gastwirtschaften auch noch heute die Schweinsblase vor der Wirtshaustüre aufgehängt um darauf aufmerksam zu machen, dass heute Schlachtfest gefeiert wird. Nach getaner Arbeit verschenkt man schließlich die in den Kesseln verbleibende Fleischbrühe, die aufgrund ihrer braunen Farbe entweder als “dreckige Supp” oder als Metzelsuppe bezeichnet wird, an Freunde und Nachbarn.

Manchen Zeitgenossen mag das Ritual des Schlachtfestes als Barbarei vorkommen, dabei ist es im Grunde eine sehr ehrliche Tradition. Man geht gemeinsam den ganzen Weg von der Tötung des Tieres bis hin zur Verwertung auch noch das letzten Körperteiles. Das erscheint uns sehr viel aufrechter, als der Griff zum anonymen und mit Farbstoffen aufgehübschten Stück Fleisch aus der Supermarkt-Kühltheke. Bei der Hausschlachtung durchlebt das Tier keine tagelangen Höllenqualen in Großtransportern quer durch Europa um danach in einem Schlachthaus auf dem Fließband getötet zu werden, während die angsterfüllten Schreie der Artgenossen durch die Halle dröhnen. Ist es da nicht besser das Tier am Strick von seinem heimischen Stall nur ein paar Meter über die Straße zu führen um es dort schnell und so schmerzlos wie möglich zu schlachten? Auch die Verwertung wirklich aller Körperteile, kann man durchaus als Akt des Respekts vor einem Tier einordnen. Hier wird alles, aber auch alles verwertet und landet nicht wie bei großindustriellen Schlachtungen im Hundefutter oder gar im Futtermehl für anderes Schlachtvieh.

Man kann von einem Schlachtfest denken was man möchte, verlogen ist dieses Ritual aber nicht. Man bekommt was man sieht und man sieht was man bekommt – für Zartbesaitete ist das ganze in jedem Fall ganz sicher nichts.

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