“Wir sind immer noch da”

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1250 Jahre ist das kleine Dorf Oberöwisheim alt – 1250 Gründe, ordentlich zu feiern.

Man kann nicht anders, man muss Oberöwisheim einfach gern haben. Das liegt zum Teil an den schrulligen und liebenswerten Charakteren, die auf der menschlichen Seite das Dorfleben prägen und andererseits an der – da gibt es keine zwei Meinungen – wirklich idyllischen Lage des kleinen Dörfchens. Durch den ganzen Ortskern zieht sich ein kleiner gluckernder Bach, der in der Mitte auch begehbar ist, ein Fest für planschende Kinder an heißen Sommertagen. Im Norden schmiegt sich Oberöwisheim an die Weinberge, das Himmelreich und den Pfannwald. Hier gibt es den Pfannwaldsee, ein zwar künstlich angelegtes, mittlerweile aber von der Natur durch und durch in Beschlag genommenes Biotop, an dessen östlichem Ufer die Macher des Ortsvereins Pro3 eine kleine Kneippanlage angelegt haben. Es sei ihnen versichert: Wenn die Sonne im Sommer heiß vom Himmel brennt, ist dies der Ort, an dem sie sein möchten. Nordwestlich vom Pfannwaldsee findet sich in den Weinbergen die beeindruckende Sternwarte von Roland Zimmermann, einem Hobbyastronomen, der hier nicht nur für sich, sondern für alle, die es interessiert, echte Einblicke in die Weiten des Kosmos gibt. Um dorthin zu kommen, kann man zu Fuß die Galgenhole durchwandern und auf engstem Raum die geballten Wunder unserer heimischen Naturlandschaft beobachten – an deren Ende wartet übrigens die wahrscheinlich schönste Aussichtsbank im ganzen Kraichgau auf Sie.

Nicht weniger bunt und abwechslungsreich fällt die Dorfgemeinschaft in Oberöwisheim selbst aus. Es gibt eine kleine Dorfkneipe, in der an den Abenden geraucht, getrunken und Karten gespielt wird. Hier tauscht man sich aus, bespricht die eigenen Sorgen, erfährt das Neueste aus dem niemals schlafenden Dorf- und Flurfunk. Im selben Gebäude durfte sogar die alte Dorfdisco ein kleines Comeback feiern…wo gibt es das schon noch? Was die Freizeitgestaltung angeht, waren die Oweroiser sowieso nie bescheiden oder gar zurückhaltend. Noch in den 70er und 80er Jahren tanzten in der Kraichgauer Version des Moulin Rouge die splitterfasernackten Damen auf der Bühne, während das staunende Publikum teilweise 100 Kilometer und mehr Anfahrt für dieses Spektakel auf sich nahm.

Des Weiteren verfügt das Zweitausend-Seelen-Dorf über einen Metzger, der als einer der wirklich allerletzten Vertreter seiner Zunft noch im Ort schlachtet, sowie einen beherzten Bäcker, der sein Brot im selbst konstruierten Holzbackofen ausbäckt – zur Not auch im Campingzelt auf der Straße. So könnte man endlos weiter aufzählen und zum Beispiel von der freien Grundschule berichten, in der Noten keinerlei Rolle spielen, von dem liebenswerten Pärchen, das als eines der letzten in Deutschland uralte Musikautomaten und Orgeln reparieren kann, von den vier Freunden, die im Ort ihr eigenes Bier brauen oder von dem Drucker der neben Text und Bild sogar lebensechte kleine Figuren drucken kann. Ja, Oberöwisheim hat viele einzigartige Begebenheiten, von denen wir in den letzten Jahren viele in Form von Heimatgeschichten niedergeschrieben haben, doch heute soll es ja um den runden Geburtstag des Dorfes gehen.

Wie so viele andere Kommunen im Kraichgau auch, hat Oberöwisheim vor zwei Jahren die 1250 Jahre voll gemacht. Eigentlich wollte man schon damals feiern, aber an den Übeltäter Captain Covid wird man sich vermutlich noch lebhaft erinnern können. Da aufgeschoben bekanntlich nicht aufgehoben ist – anders als in der Nachbargemeinde Zeutern, wo das Jubiläum einfach ersatzlos ins Wasser fiel – beschloss die Dorfgemeinschaft das Fest nachzuholen und unter dem Motto 1250 + 2 nun eben anno 2023 den Bär steppen zu lassen. Maßgeblich verantwortlich für die Organisation ist die Dorfgemeinschaft Pro3, die sich neben dem eingangs erwähnten Kneipp-Pfad oder dem mysteriösen aufstiegslosen Turm um vieles im Dorf verdient gemacht hat. Das Fest in Oberöwisheim ist dabei nur ein Teil der Jubiläen beider “Öwisheimer Dörfer”, denn neben Oberöwisheim feiert auch das – man ahnt es – dem Namen nach weiter unten gelegene Unteröwisheim. Die gemeinsame Jubiläumsparty, ebenfalls verschoben, steht noch aus und soll möglichst bald nachgeholt werden. Ein schöner gemeinschaftlicher Akt zweier Nachbarn, die sich der Legende nach früher aus reiner Langeweile zum Kloppen auf dem Acker getroffen haben.

So stand am Wochenende nun erstmal das Jubelwochenende zum 125(2). Geburtstag von Oberöwisheim an, von Pro3 aus welchem Grund auch immer als “dritter Kraichtaler Stadtteil” bezeichnet. Begonnen wurden die beiden Festtage mit einem ökumenischen Gottesdienst in der Ortsmitte, gefolgt von ohrenbetäubend lauten Böllerschüssen der Schützen des KKS und abgerundet von Grußworten des Bürgermeisters. Gerade hinsichtlich der langen und bewegten Geschichte Oberöwisheims fand Tobias Borho hier ein schönes Bild für die Ängste und Unsicherheiten die aus den zahlreichen und fordernden Krisen unserer Neuzeit erwachsen: “Wir in Oberöwisheim sind 1250 und wir sind immer noch hier.” Da ist ein wahres Wort gesprochen.

Es folgte unter der schweißtreibenden und absurd heiß brennenden Juli-Sonne ein Straßenfest nach alter Väter Sitte. “Ebbes zu essen, ebbes zu trinken und dazu Mussich”. Die Vereine sorgten für die passende Verpflegung, bei den Schützen konnte elektronisch an der eigenen Zielfertigkeit gefeilt werden, die Weingüter Niwenburg, Härdle und Hafner schenkten ihre gekühlten Kellerperlen aus, der Ballettnachwuchs zeigte sein Können ebenso wie der Musikverein und seine Gäste und als kleines Bonbon durften die Besucherinnen und Besucher noch das Gewicht des derzeit potthässlichen und restaurationsbedürftigen Oberöwisheimer Weinkelches schätzen. Wobei der Erlös aus diesem Schätzspiel der Beseitigung der Potthässlichkeit zugeführt werden soll.

Ein wunderbares Fest, das, falls Sie diesen Artikel gleich am Montag lesen, noch nicht vorbei ist. Wenn Sie heute abend nach Oberöwisheim kommen finden sie die kleine Festmeile immer noch vor und treffen zu später Stunde nicht nur auf die Uptown Band mit bester Unterhaltungsmusik sondern auch auf die Feuerschlucker der „Spirit of Dragonfire“ mit einer tollen Licht- und Feuershow.

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3 Gedanken zu „“Wir sind immer noch da”“

  1. Soviel ich weiß, war Owweroisa bei der Stadtgründung, der drittstärkste Stadtteil bei der Einwohnerzahl. Deshalb steht bei den roten Autos eine 3 als Kennung davor.
    Postalisch früher Kraichtal 3.

  2. Die Hügelhelden sind für alle, die in der Welt zerstreut und fernab da draußen leben , willkommene Botschafter ihrer Heimat. Als Glanzstück kann der Bericht über die1250 +2 Jahrfeier von Owerroise bezeichnet werden. Toll recherchiert und liebevoll geschrieben.Eine Hommage an Oberöwisheim ! Vielen, vielen Dank Ihr “ Helden „

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