Wir laufen nicht trocken…. noch nicht

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Wegen eines Defekts an einer Hauptwasserleitung fließt deutlich weniger Wasser aus dem Bodensee in die Region – Haushalte werden zum Wassersparen aufgerufen

Es ist ein so selbstverständlicher Vorgang, dass kaum jemand schon einmal wirklich darüber nachgedacht hat. Wasserhahn aufdrehen – Wasser fließt. Die Versorgungssicherheit in Deutschland ist bislang verlässlich und stabil. Auch im Kraichgau sprudelt das Wasser in diesem Sommer unbeirrt, wenngleich sich hinter den Kulissen gerade nicht Alltägliches abspielt. Weil Bauarbeiter bei Arbeiten entlang der Autobahn 81 versehentlich eine Hauptversorgungsleitung der Wasserversorgung Bodensee beschädigt haben, fällt diese wichtige Hauptschlagader für Trinkwasser in den nordbadischen Raum voraussichtlich bis Anfang Juni aus. Es gibt zwar noch eine zweite Leitung, doch deren Durchmesser ist deutlich geringer, die Kapazität entsprechend kleiner, erläutert Sven Oswald, Wassermeister der Stadt Kraichtal das derzeitige Dilemma.

Gehen Sie sparsam mit dem Wasser um, unterlassen Sie die Gartenbewässerung und füllen Sie Ihren Pool nicht mit Trinkwasser.” so der Appell der Stadt an die eigenen BürgerInnen. Denn wenn die an die Bodensee-Wasserversorgung angeschlossenen Städte und Gemeinden ihre jeweiligen Bezugsmengen deutlich überschreiten, könnte in der Konsequenz die Kapazität der verbleibenden Leitungswege nicht mehr ausreichen. Dies ist auch gerade hinsichtlich des Umstandes wichtig, das seit Jahren der Wasserverbrauch trotz sinkender Kapazitäten immer weiter in die Höhe schießt. “Wir laufen nicht trocken, die Trinkwasserversorgung ist nicht gefährdet” beschwichtigt Sven Oswald, ruft aber dennoch dazu auf, Wasser einzusparen, wo es geht. Wer zum Beispiel gerade beabsichtigt seinen Pool zu füllen, sollte dies in die Zeit nach der Kalenderwoche 22 verschieben, bis dahin soll der Schaden an der Hauptleitung behoben sein.

Der Bodensee bei Konstanz

Auch wenn dieses Problem zeitnah aus der Welt geschafft werden kann, zeigt es doch auf, welche Abhängigkeiten in Sachen Wasserversorgung mitunter ohne Not aufgebaut wurden. Dabei könnten die heimischen Brunnen im Kraichgau deutlich mehr Wasser zur allgemeinen Versorgung beisteuern, als sie es im Moment tun. “Wir könnten deutlich mehr versorgen” bestätigt auch Sven Oswald, der das erst kürzlich teilsanierte Wasserversorgungsnetz der Stadt wie seine Westentasche kennt. Weil vor wenigen Jahren aber eine erhitzte politische Diskussion dazu führte, den Härtegrad des Kraichtaler Trinkwassers in der Konsequenz zu senken, importiert die Stadt gut 80 Prozent ihres Wasserbedarfs über eine Distanz von etwa 200 Kilometern aus dem Bodensee. Damit steht die Stadt nicht alleine da, auch andere Kommunen in der Region setzen auf die ressourcenintensive Enthärtung.

Für Sven Oswald ist das im Grunde eine Luxusdiskussion, die wir uns als Gesellschaft in diesen Zeiten eigentlich nicht mehr leisten sollten. Schließlich kostet die Enthärtung Strom, benötigt große Mengen an Salz und verursacht tatsächlich auch einen erhöhten Wasserverbrauch – Wasser, das am Ende tatsächlich weggeschüttet werden muss. “Ich glaube in der Zukunft werden wir uns nur noch eine Frage stellen: Wasser ja oder Wasser nein!” erläutert der Wassermeister seine persönliche Prognose, eingedenk des stetigen Rückgangs unserer Wasserreserven.

Eine Einschätzung die von der Wissenschaft übrigens absolut gedeckt wird. Jüngste, aus Satelliten-Aufzeichnungen extrahierte Daten des Global Institute for Water Security in Kanada, ausgewertet im Auftrag der NASA und des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt, zeigen das ganze Ausmaß der Misere auf. Demnach habe Deutschland in 20 Jahren Wasser im Umfang des Bodensees verloren, so Jay Famiglietti, Direktor des Institutes gegenüber der Tagesschau. In Zahlen ausgedrückt sind dies übrigens knapp 50 Milliarden Kubikmeter Wasser oder 2,5 Gigatonnen.

Vor Jahrzehnten war der Kraichgau von diesem Wasserlieferant deutlich weniger abhängig, als er es heute ist. Weil mitunter durch die intensive Landwirtschaft die Nitratwerte im Boden und im Grundwasser anstiegen, musste aber Stück für Stück mehr externes Trinkwasser hinzugefügt werden um die Grenzwerte nicht zu überschreiten. Dies ist auch nach wie vor ein Problem. Laut Bundesumweltamt melden in landwirtschaftlich genutzten Gegenden rund 30% der Grundwassermessstellen regelmäßig über den Grenzwert erhöhte Daten.

Noch gibt es in der Region und durch Ausgleichslieferungen zwischen wasserärmeren und wasserreicheren Regionen in Deutschland überall ausreichend Trinkwasser, doch der Trend sieht nicht gut aus. Deutschland gehöre zu den Regionen mit dem höchsten Wasserverlust weltweit, führt Jay Famiglietti weiter aus. Auch wenn es beunruhigend klingen mag, könnte die Prognose des Kraichtaler Wassermeisters daher irgendwann ins Schwarze treffen. In Sachen Wasser könnte die einzige Frage dann tatsächlich lauten: Haben oder nicht haben.

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1 Gedanke zu „Wir laufen nicht trocken…. noch nicht“

  1. Herr Oswald hat Recht: haben oder nicht haben, letzlich alles eine Frage des Preises und der Abhängigkeit (=Verletzlichkeit).
    Wie ging das eigentlich früher?
    In Frankreich hat fast jedes Dorf ein Wasserrückhaltebecken (früher „Dorfteich“). Als Entnahmestelle für die Landwirtschaft und Gärtner. Und nebenher zum Baden, Angeln oder zur Naherholung.
    Und hier? Jede(r) braucht sein eigenes „Paradies“ mit Pool!
    Und dies, obwohl wir das Land mit einem der größten (Grund-)Wasserverluste sind.
    Wie geschrieben: ein wahres Luxusproblem!!!

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