“Es gibt einfach nicht genügend Hebammen”

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Dorothea Kramp aus Unteröwisheim ist Hebamme aus Leidenschaft

“Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne”… Es ist genau dieses legendäre Zitat aus Hermann Hesse’s berühmten Gedicht “Stufen”, das dem Besucher, oder vermutlich eher der Besucherin, auf Dorothea Kramps Webseite sofort ins Auge springt. Wenn Dorothea von “Anfang” spricht, dann meint sie dies im wahrsten Sinne des Wortes: Der Anfang von allem – die Geburt. Dorothea Kramp ist Hebamme und übt damit einen Beruf aus, der zu den ältesten der Menschheit gehört. Über 5000 Jahre in die Vergangenheit reichen die ältesten Zeugnisse dieser Kunst zurück und dennoch ist der Beruf heute so wichtig wie damals.

Es ist ein Beruf der so traditionell in weiblicher Hand ist, dass es noch nicht einmal eine explizite männliche Bezeichnung dafür gibt, ausschließlich das generische Femininum. Dies bildet aber in der Tat die Realität ab, nur ein Bruchteil aller “Geburtshelfenden” ist männlich. Vielleicht gehört aber auch das eigene, unmittelbare Erlebnis neues Leben auf die Welt zu bringen, zu den unausgesprochenen Voraussetzungen um diesen Beruf wirklich auszufüllen. Aber das ist nur eine Vermutung, schließlich ist der Autor dieser Zeilen selbst ein Mann. Dorothea Kramp zumindest kam erst mit der Geburt ihrer ersten Tochter überhaupt auf die Idee, sich beruflich in diese Richtung weiter zu entwickeln. Vorher arbeitete sie in ihrer ursprünglichen Heimat Bielefeld als Groß- und Außenhandelskauffrau, eine Tätigkeit die sie jedoch nie wirklich erfüllte. Zehn Jahre hatte sie in diesem, ihrem ursprünglichen Ausbildungsberuf gearbeitet, jedoch niemals Feuer oder gar Leidenschaft dafür verspürt.

Als sie aber vor 15 Jahren das erste Mal schwanger wurde und ein kleines Mädchen auf die Welt brachte, wusste Dorothea plötzlich wie ihr Leben von nun an verlaufen sollte. Sie wollte Hebamme werden. Sie wollte Mütter vor und nach diesem einschneidenden Erlebnis in der Biografie einer jeden Frau begleiten, sie dabei unterstützen.

“Mütter brauchen Unterstützung” weiß Dorothea genau, dann auch ihre Erstgeburt war keine einfache Zeit und eine starke Belastung für Körper und Psyche. Es war auch just jene Zeit, in der Dorothea durch eine berufliche Veränderung ihres Mannes in den Kraichgau zog, zuerst in Unteröwisheim ein neues Zuhause fand. Hier lernte sie die langjährige und erfahrene Hebamme Margret Bauer kennen, die ihr durch ihre erste Niederkunft half. Bis zum heutigen Tage sind beide befreundet, haben Seite an Seite miteinander gearbeitet und stehen – wie viele andere Kolleginnen aus der Umgebung auch – in einem regen Kontakt miteinander. Austausch und Unterstützung ist hierbei unendlich wichtig, denn der Beruf der Hebamme ist nach wie vor äußerst fordernd – sowohl in physischer aber insbesondere auch in psychischer Hinsicht. “Ich hatte eine steile Lernkurve” erzählt Dorothea von ihren ersten Jahren und weiß “Abgrenzung ist wichtig”.

Tatsächlich ist eine solche unerlässlich, sonst geht der Beruf schnell an und weit über die eigene Substanz hinaus. Fakt ist: Es gibt viel zu wenige Hebammen, die Nachfrage überschreitet bei weitem den Bedarf. So gehört es leider auch zu Dorotheas Alltag neue Mütter ablehnen zu müssen, auch wenn sie von ihrem Typus her gerne jeder von Ihnen helfen würde. Doch eine werdende Mutter vor und nach der Geburt zu begleiten ist äußerst fordernd und ausfüllend, keine Hebamme kann daher zu viele Patientinnen gleichzeitig betreuen. Wie sehr der Job bei falscher Dosierung an die Substanz gehen kann, hat Dorothea schon während ihrer Ausbildung im Karlsruher Diakonissenkrankenhaus erfahren. Arbeit in Vollzeit und darüber hinaus in wechselnden Schichten sowie ein Arbeitspensum das kaum vorstellbar ist. “Fast das ganze Geld dass ich verdient habe ist für das Au-pair-Mädchen drauf gegangen, damit meine eigenen Kinder während meiner Abwesenheit betreut waren” erzählt Dorothea und auch “Ich weiß nicht, wie ich das damals geschafft habe”.

Nach ihrer Zeit in Karlsruhe arbeitete sie schließlich mehrere Jahre auf der Geburtsstation der Fürst-Stirum-Klinik in Bruchsal. Kein Tag war hier wie der andere. “Manchmal saßen wir einfach herum und an manchen Tagen sind wir von früh bis spät nur gerannt” erinnert sich Dorothea und auch daran, wie sehr ihr dieses Unstete, dieses Wechselhafte und Unverlässliche zugesetzt hat. “Wir brauchen mehr Beständigkeit und Ruhe” wusste sie irgendwann genau und beschloss sich als Hebamme selbständig zu machen.

Doch egal ob in der Klinik oder in der häuslichen Betreuung: Dorothea Kramp will für ihre Mütter da sein. Eine Unterstützung, die dankbar und aufrichtig angenommen wird, schließlich sind die Schwangerschaft und die Zeit im Kindbett eine einzige, große Ausnahmesituation, die viel von einer Frau fordert. Gerade während der unfreiwilligen Isolation in den letzten beiden Jahren der Pandemie, hat sie bei den Schwangeren viel Einsamkeit und Verzweiflung erlebt. “Die Mütter haben regelrecht hohl gedreht” erzählt Dorothea, die genau weiß, welch großen Anteil an ihrem Beruf die psychosoziale Begleitung einnimmt. “Das gehört zur Arbeit einer Hebamme”. Doch nicht immer führt das Geburtserlebnis zu positiven Emotionen, obgleich die gängigen Klischees nur solche in den Vordergrund rücken. Verstimmungen, gerne beschönigend als Babyblues dargestellt, bis hin zu handfesten postnatalen Depressionen gehören zu Dorothea’s Alltag, genau wie jene tragischen und traurigen Fälle, in denen eine Schwangerschaft kein gutes Ende nimmt.

Vorsorge, Betreuung in der Schwangerschaft und Unterstützung im Wochenbett. Dorothea begleitet werdende Mütter durch die turbulenten Monate die mit einer Geburt einhergehen. Doch das ist bei Weitem nicht alles. Schwangerschaftsgymnastik, Rückbildungsgymnastik, Kurse für Babymassage und nicht zuletzt eine regelmäßige, offene Hebammensprechstunde für alle Frauen, die nicht das Glück hatten eine feste Hebamme als Betreuung während Schwangerschaft, Geburt und Kindbett zu finden. Weil es wie gesagt viel zu wenige Hebammen gibt und der Bedarf doch so groß ist, will Dorothea auch für Ausbildung und Nachwuchs sorgen. Dementsprechend qualifiziert sie sich um auch Hebammen-Studentinnen unterrichten zu können und diese bei ihrem Externat zu begleiten und zu unterstützen.

Man kann die Bedeutung dieses Berufes überhaupt nicht hoch genug einschätzen. Hebammen unterstützen Mütter dann, wenn sie am meisten Hilfe benötigen und verletzlich wie noch nie zuvor in ihrem Leben sind. Sie sind der Ruhepol inmitten des tosenden Sturmes oder auch der Fels in der Brandung. Sie sind Heilerinnen und Seelsorgerinnen in einem, das Bindeglied zwischen Medizin und Menschlichkeit. Sie sind da wenn Neues entsteht, denn “Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne”.

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1 Gedanke zu „“Es gibt einfach nicht genügend Hebammen”“

  1. Dorothea war vor Jahren auch bei mir.Eine Vorzeigefrau und behutsame Hebamme.Leider erschwert unser System viele Dinge und es gibt immer weniger.Ich hoffe sie bleibt noch viele Jahre.

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