Weiße Hölle Kraichgau

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Schnee-Notstand im Hügelland

Eine Chronologie des Schreckens von Thomas Gerstner

Freunde, dieser alptraumhafte Mittwoch, der 10. Februar 2021 wird in die Annalen des Hügellands sicher als “Tag der weißen Hölle” eingehen. In apokalyptischem Ausmaß brach sich die Natur bereits in den frühen Morgenstunden Bahn und begrub unsere Heimat unter Unmengen an Neuschnee. Bereits in aller Frühe erreichte ein erster, verzweifelter Hilferuf eine örtliche Kraichgauer Facebook-Gruppe. Die Botschaft, welche in kurzen Worten das ganze Ausmaß der Katastrophe deutlich machte, traf mitten ins Mark. Trotz mehrerer Millimeter Schnee auf den Straßen Landshausens, war bis zum Absetzen des Notrufes kein Streufahrzeug in Sicht. Mit ihren besonnenen Worten sprach die arme Seele sicherlich allen Kraichtalern direkt aus dem Herzen, die ebenfalls bei bis zu 0,725 cm Neuschnee quasi in ihren Häusern gefangen waren.

Doch diese dramatische, aufrüttelnde Geschichte ist nur eine kleine Stimme im Chor der Opfer dieses brutalen Wintertages. Nach und nach schaffen es immer mehr Boten mit ihren Hundeschlitten unsere Redaktion mit den niedergeschriebenen Zeugnissen dieses weißen Alptraums zu erreichen. Lesen Sie im Folgenden die von uns bisher rekonstruierte Chronologie des Schreckens:

05:00 Uhr – Die ersten Anrufe verzweifelter Kraichtaler erreichen dass Krisenmanagement Koordinierungszentrum im Rathaus Münzesheim. Da alle Mitarbeiter sich derzeit im Homeoffice befinden und vergessen haben die Anrufweiterleitung einzuschalten, laufen die Notrufe ins Leere.

05:30 Uhr – Durch dichtes Schneetreiben liegt die Sichtweite in Landshausen und Menzingen mittlerweile bei weit weniger als 800 Metern. Bei diesem Extremwetter lässt der erste Unfall nicht lange auf sich warten: Unterhalb des Landskopfs kollidieren ein Fendt-Geräteträger und ein Lanz-Bulldog bei annähernd 12 Stundenkilometern – die Folge: Wildes Gebruddel der Fahrer.

07:30 Uhr – Internet und Telefonverbindungen in ganz Kraichtal fallen aus. Dieser Umstand wird jedoch von niemandem bemerkt, da es sich hierbei ohnehin eher um die Regel als die Ausnahme handelt.

09:00 Uhr – Eine Herde Tauntauns wird im dichten Schneetreiben bei Bahnbrücken gesichtet

11:30 Uhr – Mehrere von einer Expedition zurückgekehrte Anthropologen behaupten oberhalb von Münzesheim eine Siedlung wildlebender Eiszeitmenschen entdeckt zu haben. Diese stellt sich bei genaueren Nachforschungen aber nur als Oberacker heraus.

13:00 Uhr – Der Polizeiposten Bad Schönborn meldet die Verhaftungen eines Hausmeisters, der nach Stunden der Isolation in einem eingeschneiten Hotel bei Oberöwisheim seine Frau und seinen Sohn mit einer Axt angegriffen haben soll.

14:30 Uhr – Internet und Telefone in Kraichtal funktionieren wieder

14:32 Uhr – Internet und Telefone in Kraichtal fallen erneut aus

15:00 Uhr – Wasserleitungen und Hochbehälter in Kraichtal frieren komplett ein. Gochsheim gründet aufgrund des nun viel zu harten Wassers umgehend eine Bürgerinitiative – die anschließende Podiumsdiskussion in der Mehrzweckhalle bringt zumindest etwas Hitze.

16:46 Uhr – Das klingonische Imperium kauft bei Neuenbürg Bauland um eine Zweigstelle der Gefängniskolonie Rura Penthe zu errichten. Trotz intensiver Suche können im Rathaus jedoch keine Unterlagen oder Zahlungsbelege für das Grundstück gefunden werden.

17:30 Uhr – Die Lage in der Stadt wird immer verzweifelter, auf den Straßen und Wegen ist kein Durchkommen mehr möglich. Restaurants, Friseursalons, Kultureinrichtungen und vielen Einzelhändlern bleibt nichts anderes übrig als zu schließen.

18:00 Uhr – In Landshausen war der Streudienst immer noch nicht unterwegs – die Nerven bei Facebook-Usern liegen blank.

19:30 Uhr – Auf dem Pfannwaldsee rammt ein Fischerboot bei klarer Sicht einen Eisberg und beginnt über den Bug zu sinken. Die Bordkapelle spielt bis zur letzten Sekunde. (Die Fischerin vom Pfannwaldsee, etc…)

20:00 Uhr – Ausgangssperre. Auf den Straßen sieht man nur noch vereinzelte Kraichtaler mit ihren Mammuts und Eisbären Gassi gehen. Der Unmut über die unzureichende Füllmenge der von der Stadt zur Verfügung gestellten Kotbeutel wird lauter.

23:00 Uhr – Stille senkt sich über die unter millimeterhohem Schnee begrabene Stadt. In Unteröwisheim laufen indes die Dreharbeiten zu “The day after tomorrow“an – Zum besseren Verständnis wird für die Landshäuser der alternative Titel “Freitag” gewählt.

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7 Gedanken zu „Weiße Hölle Kraichgau“

  1. Geil, das mit 5 Uhr anrufen kann ich mir gut vorstellen.
    Aber ein paar Zentimeter Schnee sind es ja doch schon. Am besten rutscht man da wo die Schlauberger Salz auf Schnee gestreut haben.

  2. Super!
    Und wenn es mal so wäre…
    Stattdessen wird geräumt, als gebe es kein morgen mehr…
    Und tonnenweise Streusalz druffgekloppt…selbst in Landshausen…mehrfach…
    Alle städtischen Gehsteige werden geräumt und gestreut…egal, ob jemand rumläuft oder net…
    Hauptsache, die LKW’s können durchheizen, trotz flockdown…

  3. Ein echter Lichtblick in diesen besch….. Zeiten.
    Hab mich schlapp gelacht, es ist doch einfach nur Winter, eben ein wenig mehr als in den letzten Jahren gewohnt.
    Klasse!!

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