Was geht, wenn nichts mehr geht…

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Einzelhandel, Banken, Arztpraxen und Wirtshäuser verschwinden zunehmend aus unseren Dörfern. Manche dieser Löcher lassen sich über Online-Dienste stopfen. Wir haben uns das einmal genauer angesehen.

Wenn es um das Dörfersterben geht, ist die nächste hitzige und emotionsgeladene Debatte nicht weit. Rund um das Ausbluten kleiner Weiler, sind schnell Schuldige ausgemacht – von raffgierigen Unternehmen, bis hin zu untätigen Kommunalpolitikern. Die erhobenen Finger und Stimmen, die sich lautstark für ein gesundes Dorfleben und das Wohlergehen der hier lebenden, alten Menschen einsetzen, zeigen in jede erdenkliche Richtung, nur nicht auf die eigene Nase. Dabei ist die Wahrheit bedauerlicherweise äußerst banal. Gäbe es auf dem Land genug Nachfrage, genug Geld damit zu verdienen, existierten auch heute noch sechs Gasthäuser, drei Metzger, zwei Bäcker und zwei Bankfilialen pro Dorf. Doch durch die gestiegene Mobilität, die Ansiedlung von Supermärkten mit deutlich günstigeren Preisen, als sie ein Dorfladen je aufrufen könnte, hat sich das kommerzielle Leben eben verlagert – aus den Dörfern heraus, in Richtung der großen Ballungsräume.

In diesem Artikel soll es auch nicht um die Ursachen gehen, sondern vielmehr um pragmatische Möglichkeiten, die aufgerissenen Löcher durch Alternativen provisorisch zu stopfen. Dass die Lieferung eines Supermarktes niemals den herzlichen Austausch im Dorfladen ersetzen kann, darüber müssen wir nicht reden, das versteht sich von selbst. Dass es aber auch ohne Dorfladen die Möglichkeit gibt, Lebensmittel auf dem Dorf einzukaufen, darüber müssen wir reden.

kommt nicht wieder… der klassische Dorfladen

Bevor wir auf verschiedene Alltagsprobleme und ihre möglichen Lösungswege eingehen, müssen wir uns aber zuerst ehrlich – ja, ganz und gar nackig machen. Die alten Zeiten werden nicht wiederkehren. Der klassische Tante-Emma-Laden oder die kleine, dörfliche Bankfiliale haben keine Zukunft mehr, da sie eingedenk wirtschaftlich attraktiverer Alternativen, ganz einfach nicht mehr benötigt werden. Keine Bank kann es sich leisten drei Mitarbeiter pro Filiale, plus Miete, plus Nebenkosten für die Betreuung von vier oder fünf verbleibenden Schalterkunden aufzubringen, der Einzelhandel auf dem Dorf ist darüber hinaus fast unmöglich geworden, da größere Lieferanten ihre Dienste hierfür kaum noch zur Verfügung stellen wollen oder die Endpreise am Ende für keine Kundschaft der Welt am Ende interessant wären.

Muss man deswegen verzweifeln? Nein, natürlich muss man das nicht. Die Antwort findet sich, wie fast alle Antworten unserer modernen Zeit, online – im Netz. Dafür braucht es Aufgeschlossenheit und auch etwas persönliche Weiterbildung, gerade bei älteren Menschen. Dabei müssen Jüngere ihnen unter die Arme greifen, doch es führt kein Weg daran vorbei, sich damit zu beschäftigen. “The times they are changing“, die Zeiten ändern sich eben. Wer sich dem Wandel verweigert, bleibt auf der Strecke. Das war schon immer so und wird auch immer so sein. Ob jeder dabei Wohlbehagen verspürt, ist schlicht nicht relevant.

auch die klassische Dorf-Kneipe ist in der Krise

Kommen wir nach einer vermutlich deutlich zu langen Einleitung, endlich zu des Pudels Kern. Was lässt sich auf dem Dorf online erledigen, was früher einmal auch offline ging? Schauen wir uns ein paar Beispiele an:
Einkaufen

Es gibt im Kraichgau zwar viele Dörfer ohne Einkaufsmarkt, doch im Vergleich zu anderen Regionen stehen wir noch verdammt gut da. Selten müssen mehr als 10 Kilometer überbrückt werden, um die nächste Filiale eines Supermarktes zu erreichen. Menschen ohne Auto können Freunde und Nachbarn fragen, ob sie ihre Einkäufe bei Gelegenheit mit erledigen. Wo das nicht möglich ist, springen Supermärkte schon längst mit eigenen Lieferdiensten ein. Ob Rewe, Edeka, Penny oder Globus – die großen Ketten haben schon längst ein entsprechendes Angebot im Repertoire. Auch Kühlware kann mit entsprechenden Kühlpacks problemlos zugestellt werden, oft ist die Lieferung sogar innerhalb eines Werktages machbar. Darüber hinaus gibt es überregional agierende Dienste wie MyTime, HelloFresh oder Flaschenpost. Natürlich schlägt die Lieferung mit ein paar Euro zu Buche, doch dafür entfällt schließlich auch die Anfahrt zum Supermarkt komplett. Das Angebot für den Grundbedarf ist damit gedeckt, wer täglich frische Brötchen oder Wurst vom Metzger möchte, der muss jedoch weiterhin einen Weg finden um das nächste Ladengeschäft zu erreichen.

Banken

Das Filialgeschäft der Banken geht zurück, ein Trend, der seit Jahren erkennbar ist. Erst kürzlich haben die großen Banken im Kraichgau zahlreiche Filialen reduziert und verlagern das Geschäft zunehmend in den Online-Bereich. Eine Versorgung mit Bargeld ist in vielen Ortschaften nur noch über den Automaten möglich. Übrigens auch ein schwieriges Feld, da Verbrecher zunehmend die Sprengung dieser Automaten für sich entdeckt haben, weshalb Bankhäuser überall in Deutschland über deren Demontage nachdenken. Doch es gibt zahlreiche Alternativen. Beispielsweise lässt sich Bargeld in immer mehr Supermärkten direkt an der Kasse abheben, darüber hinaus bietet z.B die Volksbank Bruchsal-Bretten mit dem VR Sisy – System eine Art Hybrid aus Online-Banking und Filiale vor Ort an. In großen Terminals können Kunden direkt über eine Standleitung mit dem Bankberater sprechen und alles, was auch in der Filiale möglich ist, auf diesem Wege erledigen. Jede Bank hat darüber hinaus eine Webseite oder eine passende App um nahezu alle Bankgeschäfte über das Internet zu erledigen. Nicht alle Systeme sind derzeit wirklich benutzerfreundlich, doch der Trend zur einfacheren “Usability”, wie es in der Branche so schön heißt, ist klar erkennbar.

Optiker

Für eine Brille in die Großstadt? Auch hierfür gibt es mittlerweile Alternativen im Netz. Online-Optiker haben ihre Dienste soweit entwickelt, dass sich die Brillen über die Kamera des Smartphones oder am Laptop virtuell anprobieren lassen und sogar der Pupillenabstand auf diese Weise vermessen werden kann. Im Grunde gilt es nur noch die Werte aus dem eigenen Brillenpass einzugeben, sich ein Modell auszusuchen und die Bestellung auszuführen. Sollte eine Anpassung vor Ort nötig werden, kooperieren die Netzoptiker meist mit örtlichen Optikern. Hier wäre dann allerdings ein physischer Besuch unabdingbar – nach unseren bisherigen Erfahrungen, saßen alle bestellten Brillen aber bereits “out of the box”. Angeboten werden Brillen über das Netz beispielsweise von Brille24, Mister Spex oder Brillenplatz.

Arzt

Ob man es glaubt oder nicht, sogar ein Arztbesuch ist in manchen Fällen heute online umsetzbar. Allgemeinärzte oder beispielsweise Psychotherapeuten bieten in manchen Konstellationen ihre Dienste auch über das Internet an. Voraussetzung für eine solche Sprechstunde via Computer ist eine gut auflösende Webcam, wie sie in den meisten Smartphones tatsächlich schon enthalten ist. Selbstredend ist eine Behandlung über das Netz nicht möglich, vorrangig geht es hier um Beratungsgespräche, die aber nicht selten wesentlicher oder gar alleiniger Bestandteil eines Besuchs beim Arzt sind. Dass sich ein Weisheitszahn noch nicht online ziehen lässt, sollte aber wohl ohne weitere Erläuterungen klar sein. Immer mehr Ärzte bieten die Möglichkeit der Beratung via Online-Meeting an, am besten fragt man telefonisch beim eigenen Hausarzt nach, ob eine solche Option gegeben ist. Alternativ gibt es auch Online-Portale wie z.B. Doctolib, Jameda oder Dr. Flex, wo Listen von Praxen abgefragt werden können, die entsprechende Dienstleistungen im Repertoire haben.

Behördengänge

Deutschland und die Digitalisierung, sie ahnen, dass hier kein echter Lobgesang zu erwarten ist. Eigentlich sollten mit Jahresbeginn viele Behördengänge auch auf digitalem Wege erledigt werden können, eigentlich…. In vielen Kommunen sehen Behördengänge nach wie vor so aus wie vor 50 Jahren: Nummer ziehen, Platz nehmen, auf das Beste hoffen. Was online bereits möglich ist, können Sie beispielsweise auf dem Serviceportal Baden-Württemberg einsehen, in vielen Fällen benötigen Sie aber einen dafür eingerichteten digitalen Personalausweis. Digitalisierung im Kraichgau bedeutet in vielen Fällen immer noch herunterladbare pdf-Dateien als das höchste der Gefühle.

Diverses

Immer mehr Services werden heutzutage online angeboten, wenngleich es in vielen Fällen natürlich auch um die Anbahnung physischer Dienstleistungen geht. So können online mittlerweile Putzhilfen oder andere Dienstleister rund um Haus und Hof verglichen und vermittelt, Schuhe beim Online-Schuster eingeschickt und alle nur denkbaren Produkte online eingekauft werden.

Fazit

Ja, die Möglichkeiten sind nahezu unbegrenzt. Was noch vor 20 Jahren eine belächelte Utopie war, ist zwischenzeitlich längst aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken. Es hilft nichts, diese neue Welt zu verleugnen, ist sie doch im Begriff, das Alte Stück für Stück zu verdrängen. Das gefällt freilich nicht jedem, muss es auch nicht. Nachteile gibt es dabei selbstredend nicht zu knapp. Insbesondere fehlt der menschliche Kontakt, der soziale Austausch existiert bei jedweden Online-Diensten einfach nicht. Es sei denn, man beginnt sich mit Dating-Apps zu beschäftigen, aber das ist ein ganz anderes Thema.

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8 Gedanken zu „Was geht, wenn nichts mehr geht…“

    • Genau, Staat und Bürgermeister sind grundlegend immer und jederzeit an allem schuld. Dass die Menschen zu lasten des dörflichen Einzelhandels lieber in die billigeren Supermärkte auf der grünen Wiese fahren, hat damit nichts, aber auch gar nichts zu tun….

      • Genau, und Neubaugebiete machen es nicht besser!
        Komisch, dass andere Gemeinden oder Länder das offensichtlich besser hinbekommen.
        Man müsste eben mal über den Suppentellerrand hinauschauen.
        Wäre besser, als mit dieser „s’bleibt hoffentlich so,…des welle mer hier net“ Mentalität “ weiter zu kochen.

      • Nicht der Staat und auch nicht der Bürgermeister ist dran schuld, sondern einfach nur WIR !! Weil jeder heute im Internet bestellt und in große Supermärkte rennt, wie bitte soll da ein Dorfladen seine Unkosten decken!

  1. Stimmt wirklich. Egal ob Verkehr, reg. Energien, Nachhaltigkeit, Traditionen…hier wird doch alles ignoriert!!!

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