Von Brezelkäfern, Schießpulver und Nierenzapfen

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Früher hat Ingenieur Leo in Mexiko Volkswagen gebaut, heute serviert er am Rande Brettens echte und authentische mexikanische Küche mit Seele und Feuer.

Wissen Sie, was die mexikanische Stadt Heroica Puebla de Zaragoza mit Bretten gemeinsam hat? Nun ja, sie haben beide gegen die Franzosen gekämpft – mit unterschiedlichen Erfolgen. Während Bretten 1689 der Grand Nation unterlag, siegten die Mexikaner 220 Jahre später gegen das französische Heer. Diese kleine geschichtliche Exkursion nur am Rande…die andere Gemeinsamkeit der beiden Städte ist die kleine Familie von Flavia, Leo und ihrer Tochter, die vor einiger Zeit aus Pueblo in den Kraichgau gezogen sind und seither dem Frühjahr hier echte mexikanische Küche anbieten. Nicht dieser Texmex-Kram, den die meisten von uns fälschlicherweise als “die” mexikanische Küche kennen, sondern gute alte Hausmannskost aus dem Herzen des südamerikanischen Landes.

Die ersten Berührungspunkte zwischen Leo und der Bundesrepublik gab es schon vor vielen Jahren, und zwar direkt in Mexiko. Freunde der Brezel, des guten alten VW Käfers, ahnen es bereits jetzt schon, schließlich klingeln bei Ihnen alle Glocken, wenn Sie den Namen Pueblo hören. Hier errichtete Volkswagen bereits in den 50er Jahren eine Automobilfabrik, wo 1954 der erste von hunderttausenden VW Käfern vom Band lief. Während in Deutschland die Produktion schon seit vielen Jahrzehnten auf moderne Modelle umgestellt wurde, produzierte Mexiko tatsächlich noch bis ins Jahr 2003 den guten alten Käfer, auch als Mexiko-Käfer bekannt.

In Pueblo findet der studierte Ingenieur Leo Arbeit bei Volkswagen und steigt schnell in der Firma auf. Ein paar Jahre später folgt der berufliche Wechsel nach Deutschland wo er für VW und Audi vor allem in Bayern eingesetzt wird. Zuerst wohnt und lebt er in Ingolstadt, vermisst nach kurzer Zeit aber schmerzlich die Küche seiner Heimat. Doch die mexikanischen Restaurants, auf die er in Bayern stößt, kochen zwar unterm Strich nicht schlecht, doch hat deren Karte mit den traditionellen Kochkünsten Mexikos kaum etwas zu tun. Chili con Carne beispielsweise, in Deutschland als DAS mexikanische Gericht schlechthin bekannt, ist im zentralen Teil Mexikos kaum verbreitet, zumindest nicht so, wie es hierzulande gereicht wird.

So reift in Leo immer mehr die Idee heran, hier in der deutschen Wahlheimat ein Restaurant zu eröffnen, das so kocht, wie er es von zu Hause kennt. Zusammen mit seiner Frau Flavia, die er eines Abends in Bayern beim Salsa-Tanzen kennenlernt, werden diese Gedanken immer konkreter. Ein mexikanischer Food Truck soll es sein, beschließt das junge Ehepaar, doch als es dann fast soweit ist, schiebt Corona den Plänen zunächst einen Riegel vor. Leo der zwischenzeitlich wegen einem Jobwechsel in den Kraichgau gezogen ist, stößt dann aber zufälligerweise auf einen Bekannten, der ihm von einem freiwerdenden Clublokal in Bretten berichtet. Beim VfB Bretten hat der letzte Pächter seinen Hut genommen und so wurde Anfang des Jahres die Vereinsgaststätte mit großer Terrasse und Blick über die Sportanlagen frei. Also Fasten sich Flavia und Leo ein Herz, unterzeichneten nach wohlwollender Prüfung durch den Vereinsvorstand den Pachtvertrag und bieten seit März 2023 hier authentische mexikanische Küche an. Das Ganze übrigens nebenberuflich – sowohl Leo als auch Flavia gehen beide weiterhin ihren Jobs nach, kümmern sich zudem um die gemeinsame Tochter in ihrem neuen Zuhause in Hohenklingen.

Das ganze ist alleine deshalb etwas Besonderes, weil es im ganzen Kraichgau im Grunde keine mexikanischen Restaurants gibt. Abgesehen von einer Franchise-Kette in Bruchsal, wird im gesamten Hügelland wenig bis gar nicht südamerikanisch gekocht. Der Kraichgau ist traditionell kulinarisch eher in deutscher, italienischer oder türkischer Hand. So verwundert es nicht, dass die Brettener auf die neuen Geschmackserlebnisse erst einmal zurückhaltend reagieren – experimentierfreudig, eingeschränkt Neuem gegenüber aufgeschlossen und neugierig sind wir Hügelländer eher kaum. Doch es lohnt sich definitiv, Leo und Flavia in ihren liebevoll und hell eingerichteten Räumen unweit des Brettener Hallensportzentrums einmal zu besuchen. In der kleinen Taqueria gibt es Enchiladas, Tostadas aber vor allem richtig gute, hausgemachte Tacos, in Mexiko auch als Gelbgold bekannt. Ihren Namen haben die kleinen Knäuel übrigens vermutlich von mexikanischen Bergleuten erhalten, die damals den Sprengstoff für die Arbeit in den Silberminen vorher in Papier eingeschlagen haben und das Resultat dann Tacos nannten.

Sitzt a Würmsche…

Mit frischem Koriander, wahlweise auch statt Fleisch mit echtem Feigenkaktus oder Süßkartoffeln serviert. Dazu ein Glas frischer Hibiskusblütentee oder echter mexikanischer Mezcal, natürlich mit einem Würmchen auf dem Flaschenboden. Vom Mezcal kommt übrigens auch der Name des neuen Restaurants. Mezcalito ist die Verniedlichungsform des umdrehungsreichen Kultgetränkes aus Mexiko, ähnlich wie das Schnäpschen hierzulande erklärt mir Flavia. Selbstredend gibt es auch Tequila, aber nicht den Schund aus dem heimischen Supermarkt, sondern der gute Stoff direkt aus Mexiko, stellt Leo mit Nachdruck fest. Ach ja, wer mit dem mexikanischen Essen komplett fremdelt, der kann im Mezcalito übrigens als diplomatische Hommage an die Altherren des VfB-Stammtisches, auch ein Schnitzel ordern, wahlweise statt Pommes übrigens mit Bohnen damit das Schnitzelchen zumindest eine dezente mexikanische Note bekommt.

Dennoch möchte man jeden Gast dazu einladen, einfach mal etwas Neues probieren und sich von der mexikanischen Küche begeistern und anstecken zu lassen. Es muss nicht immer Schnitzel sein, probieren sie doch auch mal z.B. Arrachera vom Lavastein – ein Stück Rindfleisch, das in Deutschland den weitaus weniger melodischen Namen Nierenzapfen trägt. Schon klar, im Kraichgau ist der Spruch vom Bauer und dem was er nicht kennt Gesetz, aber wenn sie schon die Möglichkeit haben direkt vor ihrer Haustür ein Stück Zentralmexikanischer Küche serviert zu bekommen, schlagen wir optimistisch und enthusiastisch vor – halten Sie es wie Henry Ford. Denn wie hat der gute Mann so schön gesagt: Wer immer tut was er schon, kann bleibt immer das was er schon ist. Buen provecho!

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6 Gedanken zu „Von Brezelkäfern, Schießpulver und Nierenzapfen“

  1. Danke für den Tipp. Ja, die Küche Mexikos ist wenig bekannt, da ich neugierig bin ist ein Besuch sicher spannend und erkenntnisreich.

  2. Ich war schon da. Es ist wirklich sehr empfehlenswert. Nicht nur die Speisen und Getränke sind absolut lecker, sondern auch das Lokal ist schön und einladend.
    Flavia und Leo sind sehr offenherzige und sympathische Menschen. Ein Rund um schönes, kulinarisches Erlebnis❤️

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