Vom Suchen und Finden

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Viele Unternehmen in der Region suchen händeringend nach Auszubildenden, viele Schülerinnen und Schüler nach einem Ausbildungsplatz. Messen wie der “Markt der Berufe” und Ubstadt-Weiher sollen beide zusammenbringen.

von Stephan Gilliar

Ich denke, ich lehne mich nicht aus dem Fenster, wenn ich sage, mit Eintritt in die Pubertät fängt das Leben an, Kapriolen zu schlagen und das nicht zu knapp. Alles was vorher irgendwie sicher und vertraut galt, versinkt plötzlich in einem Strudel der Unsicherheit, während im Gehirn im Grunde alle Kabel herausgerissen und neu verdrahtet werden. Aus einem Kind wird allmählich ein Erwachsener und dieser Übergang wird begleitet von heftigen Emotionen und der großen Sinnsuche, unter deren Strich die Frage aller Fragen steht: Wer bin ich, was will ich und vielleicht auch: Was soll das denn alles hier?

Es lässt sich vortrefflich darüber diskutieren, ob genau in dieser Zeit die Weichen Richtung der eigenen, beruflichen Zukunft gestellt werden sollten, doch genau so ist es. Je nach Schulabschluss müssen sich junge Erwachsene mit spätestens 18 Jahren, nicht wenige aber auch schon deutlich früher für einen der unendlich vielen Wege entscheiden, den sie in den kommenden Jahren gehen möchten. Die Berufswelt wartet mit einer riesigen und unüberschaubaren Anzahl an Möglichkeiten auf, unter denen eine Wahl getroffen werden muss. Das ist nicht leicht, schließlich will so etwas gut überlegt sein. Um den Jugendlichen eine Auswahl an Informationen und einen kleinen Überblick an die Hand zu geben, gibt es in der Region zahlreiche Ausbildungsbörsen, auf denen ausbildungswillige Betriebe und ausbildungsbereite junge Menschen zusammenfinden können. Eine der größten überhaupt ist der “Markt der Berufe”, der alljährlich im Frühling in der Sport- und Kulturhalle Ubstadt-Weiher veranstaltet wird. An rund 70 Ständen informieren Betriebe und Institutionen über ihre Ausbildungsmöglichkeiten, direkt und im persönlichen Gespräch. Es könnten noch sehr viel mehr sein, begrenzt wird diese Zahl lediglich durch das Platzangebot. Es muss aus einer langen Liste eine Auswahl getroffen werden, weiß Stefan Huber von der Regionalen Wirtschaftsförderung Bruchsal. Der direkte Kontakt zwischen den Suchenden auf beiden Seiten ist dabei unendlich wertvoll, dient als Initialzündung für spätere Einstellungen. “Das heißt nicht, heute werden wir wieder zig Gespräche haben, wo die Betriebe uns bereits um 14 Uhr zurückmelden, fünf Leute direkt eingestellt zu haben. Meistens ist es aber so, dass auf der Börse der erste Kontakt hergestellt wird. Es wird dann vereinbart >okay, bewirb dich bei uns< wir sprechen uns dann nochmal online oder komm vorbei und danach werden quasi die Verträge nach und nach eingetütet.”

Ein echtes Erfolgsmodell und ein Quantensprung im Vergleich zur Berufsberatung vergangener Jahrzehnte, erinnert sich Ubstadt-Weihers Bürgermeister und Gastgeber Tony Löffler. “Die einzigen, die sich da damals ein bisschen um die Schüler gekümmert haben, waren die vom Arbeitsamt. Die haben einen Pflichtbesuch in jeder Klasse gemacht, Kärtchen ausgeteilt, das man sich zumindest ein bisschen orientieren konnte”. Was der erfahrene Kommunalpolitiker bedauert, ist die mangelnde Wertschätzung gegenüber einer Ausbildung. Es würde immer nur der akademische Weg als der Goldene bezeichnet, die Chancen einer fundierten Ausbildung dabei oft übersehen: “Viele der Eltern scheinen ja zu sagen, mach erstmals Abitur – die Ausbildung genießt ja mittlerweile so einen Stellenwert, dem diese eigentlich nicht gerecht wird. Also ich dagegen meine, wer eine gute Ausbildung hat, dem wird schon fast ein roter Teppich ausgerollt und es gibt dann auch die Möglichkeit danach zu studieren oder das duale Studium.”

Ein Rundgang über den “Markt der Berufe” gewährt viele Eindrücke, lässt in etwa abschätzen, welche Branchen bei den Jugendlichen beliebter und welche es weniger sind. Auch die Geschlechterpräferenzen, die viele eigentlich überwinden wollen, werden dabei augenfällig. An den ständen der Polizei, der Bundeswehr oder des Justizvollzuges sowie bei den technischen Berufen, stehen während unseres Besuches in erster Linie die Jungs an, die Mädchen tummeln sich eher im sozialen, ästhetischen oder kreativen Bereich, natürlich mit reichlich Luft für Ausnahmen auf beiden Seiten. Stark vertreten sind in Ubstadt-Weiher an diesem Wochenende auch die Branchen, die seit Jahren unter einem massiven Mangel an Fachkräften leiden – insbesondere die Pflegeberufe und die pädagogischen Berufe. Vertreten ist zum Beispiel auch die katholische Fachschule Sancta Maria aus Bruchsal, die sich ausschließlich auf die Erzieherausbildung spezialisiert hat. Lehrerin und Ausbilderin Martina Zahn hat sich heute Zeit genommen, um mit dem potentiellen Nachwuchs ins Gespräch zu kommen: “Personalmangel? Ja, gerade im Bereich der Fachschule! Was wir ganz dringend bräuchten, wären junge Menschen, die sich ausbilden lassen möchten. Also wir haben im Bereich ErzieherInnen schon einen riesengroßen Fachkräftemangel und das wird die nächsten Jahre eher noch mehr. Also wir könnten in jedem Fall mehr ausbilden, als wir Bewerbungen haben.” stellt die erfahrene Pädagogin fest. Es bleibt zu hoffen dass der gesellschaftliche Druck weiter dahingehend steigt, dass der Gesetzgeber die sozialen Berufe endlich attraktiver aufstellt um dem Mangel entgegenzuwirken. Zudem scheint hier auf absehbare Zeit immerhin keine Gefahr zu bestehen, von einer K.I. verdrängt zu werden.

Beim Gespräch mit den Jugendlichen wird mir zumindest einmal mehr klar: Schließe nie von dir auf andere. Während ich noch nicht einmal mit Anfang 20 genau sagen konnte, was ich beruflich mit meinem Leben anfangen möchte, stoße ich in Ubstadt-Weiher fast ausschließlich auf junge Menschen, die eine recht genaue Vorstellung von ihren kommenden Jahren haben. Noah, der derzeit noch das Alfred-Delp-Schulzentrum in Ubstadt-Weiher besucht, will Mechatroniker werden. Er hat sich heute deshalb zielgerichtet genau an jene Aussteller gewandt, die eine solche Ausbildungsmöglichkeit anbieten, beispielsweise die SEW aus Bruchsal. Sein Freund Justin will Industriekaufmann werden. Der 14-jährige hat einen Onkel, der beruflich als Speditionskaufmann arbeitet, das hat Justin gefallen, weshalb er einen ähnlichen beruflichen Weg wählen möchte. Und Christian von der Konrad-Adenauer-Schule in Bruchsal hat ebenfalls ein ganz klares Ziel vor Augen. Fachinformatiker ist sein Traumberuf, mit dem Unternehmen Adam Media aus Bruchsal hat er deshalb auf dem Markt der Berufe einen ersten Kontakt hergestellt und ist dabei auf offene Arme gestoßen.

Es ist auch wichtig, sich bewusst zu machen, dass berufliche Laufbahnen heute nicht mehr so funktionieren, wie noch vor einigen Jahrzehnten. Wer damals eine Berufswahl getroffen hat, hat diese in der Regel für sein ganzes Leben getroffen. Heute verlaufen berufliche Biografien auch gerne ungewöhnlich, im Zickzackkurs und keineswegs auf immer gerader Straße. Das muss keineswegs ein Nachteil sein – das Leben ist bunt, groß und facettenreich, warum sollte man nicht mehrere seiner unfassbar vielen Möglichkeiten ausprobieren?

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2 Gedanken zu „Vom Suchen und Finden“

  1. Arbeitnehmer müssen in Zukunft auf Augenhöhe kommunizieren und sehr viele Angebote machen. Viele haben das noch nicht verstanden besonders in den Amtsstuben 😜

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