Kampf gegen Windmühlen?

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Mancherorts formiert sich im Kraichgau Widerstand gegen die mögliche Aufstellung von Windkraftanlagen. Strategisch unterscheiden sich die Herangehensweisen der Kommunen dabei jedoch erheblich. Während manche auf Kooperation mit dem Regionalverband als Planungsbehörde setzen, gehen andere dagegen in die Offensive. Vieles an dieser stürmischen Diskussion ist aber vor allem eines: Heiße Luft.

von Stephan Gilliar

Als vor einigen Wochen die Karte mit den Vorranggebieten, also jenen Flecken auf der Landkarte, auf denen die Nutzung von Windenergie theoretisch möglich wäre, veröffentlicht wurde, begann überall in der Region das große Augenreiben. Obwohl die Debatte um die Windenergie in Baden-Württemberg schon viele Jahre alt ist, öffentlich und transparent geführt wurde, konnte man sich nun das erste Mal konkret vor Augen führen, wo die wahlweise erwünschten oder verabscheuten Windräder eventuell einmal stehen könnten.

Zwei Missverständnisse schon fast epochaler Natur beeinflussen seither im negativen Sinne die Debatte. Zum einen glauben viele, dort wo auf der Karte die entsprechend schraffierten Flächen mit den Vorranggebieten eingezeichnet sind, werden am Ende auch Windräder errichtet. Um es kurz zu machen – das ist falsch. Es sind mögliche Standorte, nur an einem Bruchteil davon werden am Ende auch entsprechende Anlagen gebaut. Das zweite eklatante Missverständnis liegt in der Frage der Verantwortung beziehungsweise der Zuständigkeit. Viele Menschen glauben, die eigene Stadt beziehungsweise die eigene Gemeinde ist für die Ausweisung der Flächen verantwortlich, doch auch das ist nicht wahr. Die Umsetzung liegt alleine in der Hand des Regionalverbands Mittlerer Oberrhein. Gestützt durch das Landesplanungsgesetz hat nur er den Planungsauftrag und die Hoheit in dieser Angelegenheit. Das konkrete, durch den Gesetzgeber vorgegebene Ziel: 1,8 Prozent der Regionsfläche müssen als Vorranggebiete für die Windenergienutzung ausgewiesen werden. That’s the law, wie die Jungs der Boyband Take6 mal gesungen haben.

Das Thema kocht deswegen gerade in vielen Kommunen derart hoch, weil es an den jeweiligen Gemeinderäten als Gremium ist, zu den vom Regionalverband ausgewiesenen Vorranggebieten Stellung zu beziehen. Die entsprechende Deadline dafür ist im Mai, aus diesem Grund wird das Thema derzeit in den Räten heiß diskutiert. Das Fazit nach den Sitzungen könnte dabei unterschiedlicher nicht ausfallen, variiert von Gemeinde zu Gemeinde, von Stadt zu Stadt. Manche akzeptieren die ausgewiesenen Gebiete, versuchen durch entsprechende Eingaben lediglich die jeweiligen eigenen Präferenzen hervorzuheben, andere wiederum lehnen die bisherigen Planungen des RVMO in Gänze ab.

Doch wie man es dreht oder wendet, die abgegebenen Stellungnahmen sind am Ende eben nur das… Stellungnahmen. Per Definition “Äußerung einer Meinung zu einem Sachverhalt”. Merke: Eine Meinung, keine Entscheidung! Denn entscheiden kann am Ende nur der Regionalverband. Bei genauer Überlegungen ist das auch die einzig gangbare Möglichkeit, ein völliges Chaos zu verhindern. Man stelle sich nur vor, jede Kommune müsste in Sachen Windkraft eine gewisse Anzahl an Rädern auf der eigenen Gemarkung platzieren. Neben vermutlich epischen Schlachten in den Gemeinderäten, kämen unweigerlich auch Konflikte mit den Nachbargemeinden auf, denn da wo die eigene Gemeinde endet, beginnt bekanntlich gleich die nächste. Da Windräder aber von weitem sichtbar sind, ihr Einflussgebiet nicht an einer Linie auf der Landkarte endet, kann man sich leicht ausmalen, wie sich die Kommunen untereinander aufreiben würden. Dass eine so gut wie möglich neutrale Instanz hier die Entscheidungen treffen muss, auch wenn sie teilweise auf wenig Gegenliebe stoßen, ist damit mehr oder minder unvermeidbar.

“Wir können lediglich versuchen, die Entscheidungen in die richtigen Bahnen zu lenken“, fasst Kraichtals Bürgermeister Tobias Borho, die aus seiner Meinung nach alternativlose Herangehensweise zusammen. ”Das geht in meinen Augen nur mit einem kooperativen Stil”. In Kraichtal hat sich der Gemeinderat erst vergangene Woche mit der Stellungnahme zu den Plänen aus Karlsruhe befasst, nach mehreren im letzten Moment eingebrachten, jedoch gescheiterten Anträgen einiger Fraktionen, sich auf die von der Verwaltung vorgeschlagene Linie geeinigt. Diese sieht vor, sich gegenüber dem Regionalverband auf eine Auswahl von fünf der ausgewiesenen Vorranggebiete zu fokussieren. Bevorzugt auf kommunalen Flächen, damit Stadt und Bevölkerung auch von den Anlagen konkret finanziell profitieren können. Denn je nach Lage und Standort sind problemlos sechsstellige Pachteinnahmen pro Jahr möglich, zudem kann die Bürgerschaft – je nach Betreibermodell – von deutlich reduzierten Strompreisen profitieren.

Während man also in Kraichtal versucht, sich mit den Gegebenheiten zu arrangieren, diese bestmöglich im eigenen Sinne auszugestalten, weht aus der Nachbargemeinde Ubstadt-Weiher ein deutlich schärferer Wind gen Karlsruhe. In seiner letzten Sitzung hat der Gemeinderat Ubstadt-Weiher die Planungen des RVMO geschlossen abgelehnt. Das als Vorrangsfläche ausgewiesene verbleibende Gebiet auf der Karte sei gleich aus mehreren Gründen aus Sicht der Gemeinde ungeeignet für die Bebauung mit Windkraftanlagen. Argumentativ stützt man sich dabei auf den Artenschutz, den Lärmschutz und die negativen Auswirkungen auf ein beliebtes Naherholungsgebiet. Zuvor wurde dem Gremium eine Sammlung von Unterschriften aus der Bevölkerung vorgelegt, die sich in Teilen damit gegen eine Nutzung des Gebietes durch Windkraft positioniert.

Auch in Gondelsheim hat der Gemeinderat die Planungen des Regionalverbandes abgelehnt, obgleich hier zuvor bereits durchaus ein politischer Konsens und eine positive Grundhaltung zugunsten der Nutzung der Windenergie erzielt werden konnte. Weil zudem von der Gemeinde präferierten Gebiet jedoch weitere mögliche Vorrangflächen ohne Absprache hinzugekommen sind, fühlt man sich in Gondelsheim vom RVMO hängen gelassen. Die entsprechende Stellungnahme hat die Gemeinde daher mit juristischem Beistand einer Fachkanzlei erarbeiten lassen. “Es kann hier nicht nur den nüchternen, planerischen Aspekt geben, es braucht auch politische Lösungen, um Überlastungen einzelner Gemeinden zu vermeiden“, bringt Bürgermeister Markus Rupp seine Meinung auf den Punkt.

Tatsächlich befindet sich Gondelsheim, insbesondere aber auch die Bruchsaler Gemarkung daneben, in einem Bereich, der sich nach den objektiven Kriterien sehr gut für die Nutzung von Windenergie eignet. In diesem Bereich werden am Ende natürlich mehr Windkraftanlagen stehen, als dort, wo es den rein physikalischen Kriterien folgend weniger Sinn machen würde. “Wir machen das nicht, weil wir die Bruchsaler ärgern wollen“, erläutert Verbandsdirektor Dr. Matthias Proske den Standpunkt des RVMO. “Da geht es einfach um rein objektive Betrachtungen”. Er könne niemandem garantieren, dass er nicht stärker belastet wird als andere, führt der oberste Windkraft-Planer weiter aus, verweist aber auf Mechanismen, die eine unverhältnismäßige Benachteiligung verhindern können und sollen. So gäbe es durch Gutachten erarbeitete Kriterien, die eine Art Umzingelungsschutz gewährleisten sollen, die definieren sollen, was zumutbar ist und was nicht. Eine Definition, die nicht der Einzelne treffen kann und darf, da manchen Windkraft-Gegnern ja teilweise schon ein einzelnes Windrad zu viel des Guten ist.

So bleibt festzuhalten, bei zehn verschiedenen Kommunen finden sich hinsichtlich der Pläne für den Ausbau der Windkraft meist auch zehn unterschiedliche Meinungen. Besonders laut gerieren sich in diesem Zusammenhang die Kritiker beziehungsweise die Gegner. Mehrere Bürgerinitiativen machen gegen den Ausbau der Windkraft in der Region mobil, treten dabei mitunter derart intensiv in den Vordergrund, dass man zum Schluss kommen könnte, ein Großteil der Bevölkerung lehne den Ausbau der regenerativen Energien ab. Doch diese Wahrnehmung ist nach aktueller Datenlage falsch. “Eine große Bevölkerungsmehrheit von 92 % befürwortet einen schnelleren Ausbau – unabhängig von Alter, Einkommen und Wohnsituation.” So das Ergebnis einer aktuellen Befragung von KfW Research zu den regenerativen Energien.

Auf ähnliche Größenordnungen kam das Bundeswirtschaftsministerium schon vor Jahren. Nach einer Umfrage der Agentur für Erneuerbare Energien (AEE) sprechen sich 93 Prozent der Bevölkerung für die Fortsetzung der Energiewende aus – 72 Prozent finden die stärkere Nutzung und den weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien sehr oder sogar außerordentlich wichtig, weitere 21 Prozent nennen als Antwort „wichtig“, so das Fazit des BMWK auf seiner Webseite. Rein bezogen auf Windenergie, liegt laut jüngster Forsa-Umfrage die Zustimmung ebenfalls in einem sehr hohen Bereich. Man könnte auch sagen, nur weil jemand laut ist, stellt er noch lange nicht die Mehrheit, eine Erkenntnis, die auf viele gesellschaftspolitische Positionen übertragbar ist.

Aber wo immer ein Thema stark polarisiert, ist eben auch reichlich Raum für Meinung und Stimmungsmache. Womit wir bei einem weiteren, nicht von der Hand zu weisenden Problem wären. Die Diskussion um die Windenergie fällt mitten in die heiße Phase des Wahlkampfs in Kielwasser der Kommunalwahlen. So ist es nicht ganz undenkbar, dass der eine oder andere Politiker aktuell etwas lauter als nötig mit der Faust auf den Tisch haut, um den potentiellen Wählern gegenüber die eigene Durchsetzungsfähigkeit und Machernatur zu demonstrieren. Ob so ein wichtiges Thema wie die Energiewende dafür die richtige Plattform ist, darf allerdings bezweifelt werden. Auch ohne markige Worte oder großes Gebaren wird am Ende nicht alles so heiß gegessen, wie es gekocht wird – nicht überall dort, wo Räder stehen könnten, werden am Ende auch welche stehen. Am ehesten gedient wäre daher allen damit, besonnen und mit kühlem Kopf zu agieren. Den Kopf hingegen in den Sand zu stecken und auf den Status Quo zu beharren, ist allerdings schon längst keine Option mehr. „Die einzige Konstante im Leben ist die Veränderung.“ sagte schon Heraklit vor 2500 Jahren, by the way in etwa die Zeit, in der die Menschen die ersten Windmühlen erbauten.

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6 Gedanken zu „Kampf gegen Windmühlen?“

  1. Windkraft ist gut dort wo es Wind auch gibt 😜. Genau wie Solar wo es viel Sonne gibt ! Einem Trend hinterher laufen ohne Sinn , ist eine Typische Eigenschaft unsere Gesellschaft mit guter Rendite 🤟.

  2. Danke für den sachlichen Bericht. Ich habe auch schon Windkraftgegner kennengelernt, die oft nur die Pseudo-Argumente der Initiative neue Marktwirtschaft nacherzählt. Dabei gibt es ja durchaus in manchen Bereichen auch vernünftige Argumente, die dann auch hoffentlich gehört werden. Leider ist die Windenergie zum aktuellen Zeitpunkt sinnvoll. Ob es irgendwann Alternativen geben wird, wird die Zeit und der Erfindungsreichtum der Menschen zeigen.

  3. Eine sehr gute Zusammenfassung der aus diversen Pressemitteilungen bekannten Sachlage und hoffentlich hilfreich für diejenigen, die nur unregelmäßig Nachrichtenmeldungen verfolgen.

  4. In Frankreich sind Windkrafträder verboten worden. Nicht ohne Grund. 1.wegen der Tiere 2. wegen der schädlichen Frequenz 3. Feinstaub von 160kg/Jahr 4. Recycling Probleme. Zudem wird ein co2 speicher (Wald) gerodet und Fläche versiegelt. Wir sollten uns etwas besseres ausdenken können. Denn schließlich sind wir das Land der Denker und Dichter.

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