So schön war der “Zug der Gaudi” durch den Eselstall schon lange nicht mehr
Einen Tag bevor die Faschingszeit traditionell zu Ende geht, läuft Ubstadt noch einmal zur Hochform auf. Dann bündelt sich im Grunde die Aufmerksamkeit der gesamten närrischen Gemeinde auf das 5000-Seelen-Dorf, das – auch als Pforte zum Kraichgau bekannt – in der Region als echte Faschingshochburg gilt. Hätte es eine Farbe, so wäre es am Faschingsdienstag lila, oder wie immer genau die Farbe heißen mag, die der Elferrat Ubstadt-Weiher als tonangebende Fasnachtsgesellschaft traditionell trägt. An allen Einlassstellen zur Marschroute, die der “Zug der Gaudi” an diesem Tag passiert, stehen die Lila-Gewandeten um die Gäste zu diesem Spektakel zu begrüßen, das Eintrittsgeld entgegenzunehmen und mit hilfe der heute leider unverzichtbar Security harten Alkohol und anderen Unfug vorübergehend zur konfiszieren. Lila mag zwar die dominante Farbe sein, ansonsten ist Ubstadt an diesem Tag einfach nur bunt, bunt, bunt. Das fängt schon bei den gefühlt 100.000 Autos an, die an diesem Tag – trotz des vorbildlichen Nahverkehrs in Ubstadt-Weiher (an diesem Tag sogar kostenfrei) – am liebsten noch mit der Stoßstange bis an die Umzugsstrecke heran fahren wollten. Jeder Zentimeter Bürgersteig, jedes Stückchen Grün und jeder Ackerrand waren spätestens um 14:00 Uhr komplett zugeparkt. Klar, jeder möchte dabei sein, wenn der Zug der Gaudi durch die Gassen zieht.
Um genau elf Minuten nach zwei ging es dann auch los. Angeführt von einer kleinen Vorhut des Elferrates Ubstadt-Weiher setzte sich die 55 Zugnummern starke Karawane in Bewegung. Alle waren sie gekommen, Gäste aus nah und fern, der gesamte Kraichgau und darüber hinaus zu Gast unter Freunden in Ubstadt. Von ihrem Aufstellungsort in der Seegrabenstraße ging es über die Altenbergstraße direkt ins Herz von Ubstadt. Vorbei an der historischen Kelter, der hoch auf ihrem Hügel thronenden Kirche St.Andreas und dem ehemaligen Gasthof Engel (es war einmal) schob sich der Tross in Zeitlupe an der riesigen Menschenmenge vorbei. Das Wetter war erste Sahne – nicht zu heiß, nicht zu kalt und sogar streckenweise richtig sonnig. Dementsprechend groß war der Andrang, sodass wirklich an jedem Fleckchen Erde entlang der Strecke kein Quadratzentimeter Trottoir mehr zu sehen war. Ubstadt konnte sein Glück kaum fassen, normalerweise regnet es gerne an diesem Tag, doch eben nicht heute. Alle waren gut drauf, das Publikum und die vielen, in bunte und fantasievolle Kostüme gehüllten Teilnehmer des Umzuges. Viel Liebe und Vorbereitung steckte in ihren Aufmachungen, ihren Gefährten und allem, was zu einer guten Roadshow dazu gehört. Manche hatten eigens für diese Saison neue Lieder komponiert, andere wie zum Beispiel die Abordnung des royalen Zeuterner Paares, ließen sogar die Künstliche Intelligenz eine Faschingshymne zum Besten geben, inklusive Ubstädter Dialekt, wenn auch ausgesprochen wie flüssiger Käse.
Doch jede Musik aus der Dose konnte der schmetternden Guggemusik der vielen angereisten Gruppen nicht im Ansatz das Wasser reichen. Wuchtige Schläge auf große Trommeln, markerschütternde Trompeten-Sounds und ein fetziger Rhythmus brachten das Publikum zum Beben. Damit alles wie am Schnürchen ablief, versuchte der Elferrat den langen Lindwurm in diesem Jahr etwas besser zu koordinieren um keine Lücken aufklaffen zu lassen, das klappte 2024 schon deutlich besser, doch wo gefeiert wird kann es eben manchmal auch etwas länger dauern, was soll’s, an diesem Tag hat ohnehin niemand Zeitdruck. Die Erwachsenen schunkelten gemütlich wie eine Welle durch Ubstadt und die Kinder brachten die tonnenweise durch die Luft gewirbelten Süßigkeiten in Säcken in Sicherheit, jeder kam auf seine Kosten, jeder hatte Spaß. Auch Bürgermeister Tony Löffler, der sich im schwarzen Zylinder und schwarzer Sonnenbrille samt Schnurrbart geschickt in der Menge versteckt hatte (aber wie jedes Jahr von unserer Redaktion aufgespürt werden konnte) strahlte über das ganze Gesicht – schön die Gemeinde auch in schweren Zeiten so ausgelassen und glücklich zu sehen. Auch sein Amtskollege Stefan Martus, seinerseits Stadtoberhaupt der närrischen Hochburg Philippsburg, war nach Ubstadt gereist, um sich den Zug der Gaudi nicht entgehen zu lassen. Kein Wunder, handelt es sich doch dabei um einen der größten und schönsten Umzüge in der gesamten Region. Ganz Ubstadt-Weiher freut sich in jedem Fall schon jetzt auf die nächste Ausgabe im kommenden Jahr. Wenn die Esel feiern, bleibt eben kein Auge trocken und jedwede Form von Trübsal hat nicht die geringste Chance.