Südwestumgehung Bretten – Zu gut um wahr zu sein?

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An der geplanten Brettener Umgehung scheiden sich die Geister

Es ist fast jeden Tag das gleiche Spiel. Regelmäßig – insbesondere während der Rushhour – kommt der Verkehr in Bretten ins Stocken. Wenn zu viel Verkehr über die Bundesstraße B294 rollt, dann wird es eng in der alten Stadt. Speziell an neuralgischen Punkten wie am berühmt-berüchtigten Neff-Kreisel ist dann von allen Stau-Geplagten Geduld gefordert.

An dieser Situation hat niemand Spaß und deshalb ist es kein Wunder, dass die Brettenerinnen und Brettener sich nach einer Entlastung ihrer zeitweilig verkehrsgeplagten Innenstadt sehnen. Diese Entlastung erhoffen sich viele von der geplanten Umgehungsstraße im Südwesten Brettens. Dieser angedachte, rund 3 Kilometer lange Bypass zwischen B294 und B293, vorbei am Brettener Tierpark und dem Stadtteil Rinklingen, ist in den Augen vieler Menschen in der Stadt eine Art Wunderwaffe gegen den Stau-Frust in Bretten. Ist die Straße erst einmal gebaut, fließt der Verkehr wieder flüssig und gemächlich dahin, so offenbar eine weit verbreitete Annahme.

Brettens Oberbürgermeister Martin Wolff

Doch dem ist nicht zwangsläufig so, räumt der Brettener Oberbürgermeister Martin Wolff im Gespräch mit unserer Redaktion ein. “Mit der Umgehungsstraße können wir das jetzige Niveau halten, es geht vielmehr darum den LKW-Verkehr – auch den zukünftigen – aus der Stadt heraus zu bekommen” erklärt Wolff und verweist auf Studien des BMVI, die einen bundesweiten Anstieg besagten Verkehrs von durchschnittlich rund 35 % bis 2035 prognostizieren – im wirtschaftlich blühenden Süden soll es sogar noch mehr werden. Diese Studien, deren Datengrundlagen von Kritikern wie beispielsweise dem BUND in Zweifel gezogen werden, sehen als Fazit unabdingbare Investitionen in die Infrastruktur vor, darunter auch den Bau neuer Straßen. Pragmatisch sieht es auch der Brettener Oberbürgermeister. Sollte die Umgehungsstraße nicht gebaut werden, drohe der Brettener Innenstadt durch den zusätzlichen LKW-Verkehr der Kollaps. Kurz zusammengefasst lautet die Position des Stadtoberhauptes: Mit der Südwestumgehung kann die Verkehrsbelastung in der Innenstadt auf aktuellem Niveau gehalten, jedoch durch die Auslagerung des LKW-Verkehrs eine Verschlechterung der Lage verhindert werden.

Hier, im Südwesten Brettens, würde die B294 Neu verlaufen

Längst nicht alle Menschen in der Stadt wollen sich mit der skizzierten, alternativlosen Notwendigkeit einer neuen Straße abfinden, verliefe die Trasse doch durch das letzte, größere Stück zusammenhängender Natur im Südwesten Brettens – inklusive Landschaftsschutz- und FFH Gebiete. 2017 hat sich aus diesem Grund die Bürgerinitiative Verkehrsentlastung Bretten – kurz BIVEB – gegründet, mit dem Ziel die geplante Südwestumgehung in ihrer jetzigen Form zu verhindern. Neben dem massiven Landschaftsverbrauch kritisiert die Initiative die fehlende Entlastungswirkung für die Stadt als auch die Schaffung einer Ersatz-Autobahn durch den ganzen Kraichgau. Während der erste Kritikpunkt selbsterklärend ist, bedarf es bei den zwei weiteren Aspekten ein paar Erläuterungen. Ihre Zweifel an der Entlastungswirkung der geplanten Umgehung, stützt die BIVEB mitunter auf 2017 von der Stadtverwaltung veröffentlichte Daten, wonach der Durchgangsverkehr in Bretten nur 10%, der Binnenverkehrs, also der “hausgemachte” Verkehr der Stadt, 90% ausmacht. Dieser Löwenanteil würde also von einer Umgehung nicht profitieren und weiterhin wie gewohnt durch die Stadt rollen. Der LKW-Verkehr würde zwar auf die Umgehungsstraße ausweichen, dort aber durch die nun freie Fahrt vermutlich weiteren Verkehr nach sich ziehen. Hier greift auch Kritikpunkt Nummer drei, welcher in der Gesamtmaßnahme der geplanten Umgehungen um Bruchsal, Bretten und Bauschlott, die Schaffung einer Art Autobahn durch den Kraichgau sieht, welche künftig als attraktive Alternative für die hochbelasteten Autobahnen A5 und A8 dienen könnte. Auf diesen Punkt weisen auch die Kritiker der geplanten Ostumgehung um Bruchsal seit Jahren vehement hin.

Frank Schneidereit und Kathrin Breuer von der BIVEP

Bestätigt sieht sich die Initiative auch durch eine im Juli 2020 erschienene Verkehrsuntersuchung, in Auftrag gegeben durch das Regierungspräsidium, durchgeführt vom Ingenieurbüro Köhler und Leutwein. Auch wenn der hochkomplexe Zahlen-Teil des Werkes offenkundig unterschiedlich ausgelegt und interpretiert werden kann, lässt doch ein Zitat aus dem Text-Teil der Untersuchung aufhorchen. Zum Planfall Südumgehung heißt es hier: “Eine maßgebliche Entlastung der Ortsdurchfahrt Bretten ist somit durch die B294 neu (Südumfahrung) ohne begleitende Maßnahmen im Zuge der Ortsdurchfahrt nur bedingt zu erreichen” – die Definition des von vielen erhofften Heilsbringers würde vermutlich anders formuliert werden.

Völlig unterschiedlich interpretiert widerum die neu gegründete Bürgerinitiative “Pro Südumgehung” (BIPS) das jüngste Zahlenwerk. Die BIPS attestiert laute Medienberichten der Südwestumgehung das Potenzial einer 30-prozentigen Verringerung des Durchgangsverkehrs in Bretten. Der Eingriff in die Landschaft könne durch die teilweise Untertunnelung der Trasse vertretbar gehalten werden.

Egal welche Position man selbst vertritt – eines wird deutlich, die Gemengelage rund um das komplexe Thema Ortsumgehung Bretten bleibt unübersichtlich. In jedem Fall wäre es wichtig die mittlerweile emotional geführte Debatte wieder zu versachlichen und sich einzig und allein auf verifizierte Daten und Fakten zu stützen. Dies ist übrigens auch das erklärte Ziel aller Beteiligten, der BIVEP, der BIPS und der Stadtverwaltung. Martin Wolff zitiert diesbezüglich gerne das Credo des zurückliegenden Stadtjubiläums: Dialog. Disput. Erneuerung. Aber wie hat Marie von Ebner-Eschenbach so schön gesagt: “Wir suchen die Wahrheit – finden wollen wir sie aber nur dort, wo es uns beliebt.” In jedem Fall sollte diese zweifelsohne folgenschwere Entscheidungen gründlich abgewogen und auf Basis verlässlicher Daten getroffen werden. Eines steht fest: Ist die Straße erst einmal gebaut, gibt es kein Zurück mehr.

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2 Gedanken zu „Südwestumgehung Bretten – Zu gut um wahr zu sein?“

  1. Das ist das Beste, was ich bisher zu diesem Thema gelesen habe. So lässt sich die Auseinandersetzung vielleicht versachlichen.

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