Fasching vor elf mal elf Jahren
Die ältesten bekannten Fotoaufnahmen der Brusler Straßenfastnacht sind in der „Närrische Sammlung“ des Stadtarchivs erschlossen
Seit September präsentiert das Stadtarchiv Bruchsal auf seiner Homepage unter www.bruchsal.de/stadtarchiv eine „Archivale des Monats“. Es war der neuen Mitarbeiterin Dr. Tamara Frey zu ihrem Beginn im Herbst 2019 ein Anliegen, auf diese Weise einer breiten Öffentlichkeit die große Vielfalt der Bestände des Stadtarchivs zu zeigen und das Interesse an den vielen Facetten der Stadtgeschichte zu wecken. Dass es im Februar einen Fastnachtsbezug geben wird, lag da auf der Hand. Ein besonderes Stück im Bestand des Stadtarchivs ist eine Fotomappe mit Bildern der Festzugsgruppen von 1899, die frühesten bekannten Bilder eines Bruchsaler Fastnachtsumzugs und einer der ersten großen Narrenumzüge in der Stadt. Nacheinander nahmen die Gruppen im Ehrenhof des Schlosses Aufstellung, um sich ablichten zu lassen, manche in würdevollem Ernst, andere in ausgelassenerer Stimmung. 121 Jahre ist das her – elf mal elf Jahre – ein närrischer Geburtstag, stellte der Stadtarchivar Thomas Moos fest. Aus diesem Anlass wurde der Fastnachts-Sammlungsbestand des Stadtarchivs jetzt systematisch erschlossen. Liederbücher von 1899 bis in die 1980er Jahre sind dabei, darunter „Das Brusler Hochdeutsch“, dessen Textzeile „Halt doch d’Gosch mit deim Gebabbel/ Schwätz wie d’gwachse isch dei Schnabbl“ zum Dialektsprechen auffordert. Theaterprogramme und Liederhefte der „Damensitzung“, ebenfalls aus der Zeit der Jahrhundertwende, zeugen davon, dass von Anfang an auch die Frauen der Bruchsaler Fastnachts-Honoratioren vom närrischen Treiben nicht ausgeschlossen und mit Liedzeilen wie „Wir tanzen so lang wie Ihr wünschet/ So lange der Saal noch nicht leer/ So lange die Lichter noch brennen/ Ihr Damen, was wollt Ihr noch mehr?“ umgarnt wurden. Narrenzeitungen mit satirischen Anzeigen sowie einige Orden, Medaillen und Fotos komplettieren die Sammlung. Sie alle wurden nun katalogisiert, in Schutzpapier oder säurefreie Mappen eingeschlagen und in Archivkartons verpackt, um dem Zahn der Zeit noch eine Weile zu entgehen. Mit Archivsignaturen versehen, können sie nun gezielt ausgewählt und in den Räumen des Stadtarchivs eingesehen werden. Im Moment ist das sogenannte „Findbuch“, die Liste mit den verschiedenen Sammlungsstücken nur vor Ort im Stadtarchiv einzusehen, bald soll es dann auf der Homepage des Stadtarchivs online gestellt werden.
Andere Findbücher sind ebenfalls einsehbar: Ende letzten Jahres hat Tamara Frey bereits einige kleinere Bestände verschiedener Bruchsaler Vereine und Vereinigungen auf diese Weise erschlossen, auch Nachlässe Bruchsaler Familien, wie der der Familie Zeiser, dessen Matriarchin Anna das erste weibliche Gemeinderatsmitglied war. Auch einige Fotobestände sind inzwischen verzeichnet oder in Bearbeitung. Neben alten Postkarten, Fotos vom Sommertagszug, Bruchsaler Geschäften und Werkstätten sticht besonders die Sammlung Habermann hervor: sie umfasst tausende Bilder, die die Stadt und den Alltag in Bruchsal vor dem Krieg und in Ruinen zeigen. Auch hier finden sich Bilder vom Bruchsaler Fastnachtstreiben: so veranstaltete der Turnverein während der Weimarer Republik humoristische Turneinlagen in Kostümen. Selbst das Foto einer Männerballettgruppe von 1930, die, mit Röckchen und Sonnenschirmchen ausgestattet, die zeitgenössische Tanzgruppe „Tillergirls“ nachahmten, ist hier zu finden. Die Gruppe, so die Bildunterschrift, hatte einen solch durchschlagenden Erfolg, dass selbst andere Vereine sie für ihre Fastnachtsveranstaltungen buchten. Der Abwechslungsreichtum der „närrischen Sammlung“ des Stadtarchivs bieten auf jeden Fall genug Stoff, um die Rubrik der „Archivale des Monats“ noch in weiteren Jahren füllen zu können.
Mitteilung der Stadt Bruchsal