“Papa, des is eh dein Leben”

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Mit Peter Wendl leitet ein echter Kart-Veteran die Geschicke der 60 Jahre alten Liedolsheimer Kartbahn. Zeit für ein Kennenlernen

Ein wunderschöner Frühlingstag ganz in der Nähe des Dettenheimer Ortsteils Liedolsheim. Die Sonne strahlt, die Vögel zwitschern. Letzteres geht aber immer wieder im hochfrequenten Dröhnen der kleinen Karts unter, die mit bis zu 80 Sachen über die mehr als einen Kilometer lange Rennpiste der altehrwürdigen Kartbahn jagen.

Für Peter Wendl ist das wie Musik in seinen Ohren. In den Kartsport hat er sich nicht erst gestern verliebt, sondern diesem mehr oder minder sein ganzes Leben gewidmet. Ein Leben, das vor 77 Jahren im österreichischen Graz begann, den steirischen Dialekt hat er sich seither bewahrt und ihn bis heute und in seine badische Wahlheimat getragen. Man hört ihm gerne zu, wenn er erzählt, und zu erzählen hat er jede Menge. Zum Beispiel von seiner Kindheit in der österreichischen Heimat, von den Boxstunden, die er genommen hat, um sich gegen die britischen Besatzer zur Wehr zu setzen, die nicht selten ihre schlechte Laune über die Fäuste artikulierten. Oder über seine erste große Liebe, die er heiß und brennend für den Motorsport entwickelte, als ein Onkel ihn erstmals in die Welt der heißen Reifen und brüllenden Motoren entführte.

So richtig beginnt Peters Geschichte aber eigentlich erst 1966. An die Begebenheiten kann er sich erinnern, als hätten sie sich erst gestern zugetragen. Es war der 13. Mai gegen 17 Uhr, als er nach einem harten Streit mit seinen Eltern über Zukunft und Ambitionen die Heimat verließ und mit 500 Mark in der Tasche am Münchner Hauptbahnhof aus dem IC stieg. Ein Moment der Klarheit und der Offenbarung – das ganze Leben lag wie eine endlose Straße vor den eigenen Füßen.. Wohin sie ihn tragen? Schau ma amoi!

Richtig viel Distanz hat Peter vom Münchner Hauptbahnhof erst einmal nicht zurückgelegt. Die Stadt hat ihm von Anfang an gefallen, so dass er sich hier häuslich niederließ. Bis heute ist die bayerische Hauptstadt Peters Wahlheimat, hier hat er eine Wohnung, in die er so oft zurückkehrt, wie es ihm möglich ist. Kurzer Spoiler: Viele Jahre lang geschah das nicht wirklich oft. Doch der Reihe nach. Qualifiziert durch sein Maschinenbaustudium fand er eine Anstellung bei einem Konzern für Medizintechnik, verbrachte aber jede freie Minute auf der Rennpiste und mit seiner großen Leidenschaft – dem Kartfahren. Er schraubte, tüftelte, übte und wuchs über sich hinaus. 1970 kaufte er sich sein erstes Kart. Ein heruntergekommener Karren, den er mit den 1000 Mark bezahlte, die er zufällig in seiner Tasche gefunden hatte. Wie sie dorthin kamen? “Sog i net” lacht er und grinst schelmisch.

1972 fuhr er dann sein erstes großes Rennen – nur der Auftakt einer langen Karriere. Überall auf der Welt gab Peter Gas, auch in der österreichischen Heimat, wo er bei einem Bergrennen den jungen Niki Lauda kennenlernte. 1975 las er in einer Kart-Zeitschrift etwas über den Asien Grand Prix, einen Wettbewerb, den kaum ein Europäer damals auf dem Schirm hatte. “Do muss i hi” wusste Peter gleich und organisierte die weite Reise auf eigene Faust. Es folgte sein erster großer Triumph außerhalb europäischen Bodens. Peter gewann den Grand Prix und kam mit 5000 Dollar Preisgeld in der Tasche zurück nach München.

Sein Arbeitgeber war allerdings über Peters Engagement, oder vielmehr über das damit verbundene Risiko “not amused” und stellte Peter für die Wahl: Job oder Leidenschaft. Dreimal dürfen Sie raten, wie er sich entschieden hat. Glücklicherweise lernte Peter aber später einen Unternehmer kennen, der seine Passion für den Rennsport ernst nahm, ihn unterstützte und ihm einen Arbeitsplatz mit entsprechend flexiblen Arbeitszeiten anbot.

So konnte Peter einerseits für die nötigen Brötchen auf dem Tisch sorgen, andererseits seine Karriere weiter vorantreiben. Das tat er auch… unerbittlich und mit ganzem Herzen. Es folgten Teilnahmen bei der nordamerikanischen Meisterschaft über fünf Jahre in Folge, er wurde Erster bei den südafrikanischen Meisterschaften, holte eine Trophäe nach der anderen. Bei der österreichischen Meisterschaft traf er das erste Mal auf seinen Vater, der mit einem Freund gekommen war, um sich das Rennen seines Sohnes anzusehen. Ein besonderer Moment und ein erster Schritt auf dem Weg der Aussöhnung, seit dem Zerwürfnis in Peters Jugend.

1982 fanden die Europameisterschaften im Kartfahren schließlich im badischen Liedolsheim statt. Die durch den TC Liedolsheim 1963 erbaute Strecke, hatte sich über die Jahre zu einer echten Institution in Deutschland entwickelt, auf der schon viele große Namen ihre Runden gedreht hatten, darunter Sebastian Vettel, Michael Schumacher, Mika Häkkinen, Heinz Harald Frentzen und Nick Heidfeld. Hier lernte Peter den Präsidenten des TC, Siggi Lehr kennen, der Auftakt einer Freundschaft, die mit Peters aktuellem Engagement in Liedolsheim noch bis heute fortgeschrieben wird.

Zunächst übernahm Peter aber mit der Münchner Kartbahn 1986 seine erste selbstverwaltete Rennpiste. 30 Jahre lang sorgte er hier für ordentlich Gas auf dem Zug, für Rennsport, der allen und jedem offen stand, sowie für die Ausbildung von Kindern und Jugendlichen. Ab 12 Jahren kann man bereits ein Kart steuern, einen Führerschein braucht man dafür nicht. Es ist eine Erfahrung, die Peter den Jugendlichen auch empfiehlt, sie ihnen regelrecht ans Herz legt und das aus gutem Grund. “Keines der Kinder, die ich ausgebildet habe, hatte später als Fahranfänger einen Unfall“, ist er sich sicher, denn er weiß dass keine Theorie der Welt, die praktischen Erfahrungen auch nur im Ansatz ersetzen kann. Wer schon mit jungen Jahren ein Gefühl für jene Kräfte entwickelt, die beim Lenken eines Fahrzeuges darauf einwirken, hat es später als junger Autofahrer eben deutlich einfacher. Für Peter ist das auch ein Herzensanliegen, das er als Vorsitzender der Kartsparte des ADAC Südbayern fördert, früher hier sogar die Junioren-Nationalmannschaft betreut hat.

Tja, „Die Jugend ist die Zeit, die Weisheit zu lernen. Das Alter ist die Zeit, sie auszuüben”, wusste eben schon Jean-Jacques Rousseau. Eigentlich ist Peter Wendl schon seit geraumer Zeit im Ruhestand, wer könnte ihm das weit in seinen Siebzigern auch verdenken?! Das “Nichtstun” liegt ihm allerdings nicht wirklich, wer einmal das Benzin durch seine Adern rauschen gespürt hat, ist für die Parkbank und den Ententeich einfach nicht gemacht. So verwundert es nicht, dass Peter das Angebot von seinem Freund Siggi Lehr aus Liedolsheim, für ein paar Jahre die Geschicke der Kartbahn zu übernehmen, nach kurzem Grübeln und Rücksprache mit seiner Familie dankend angenommen hat. Letztlich war es sein Sohn, der ihn mit einem Argument überzeugt hat, das gleichermaßen kurz wie stichhaltig war: Papa, des is eh dein Leben.

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2 Gedanken zu „“Papa, des is eh dein Leben”“

  1. Ein wahrer Freund des Motorsports, ein toller Mensch auf der Kartbahn, ein interessanter Mensch mit 1.000 Geschichten die wenn Er beginnt zu erzählen nie enden möchten! Alles gute Peter

  2. Gut so Sportfreund Peter Wendl, mach noch lange weiter mit dem Siggi Lehr. Solange ihr aktiv seid, bleibt Kartsport Rennsport.
    Viele Grüße vom Alten aus Osburg

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