Odna im Herzen

| ,

“Wenn der Kirchturm hinter den Hügeln auftaucht, geht mir noch immer jeden Tag das Herz auf” – Ortsvorsteher Gerd Rinck lebt und liebt sein Odenheim wie kaum ein Zweiter

Silvesterabend 2018. Der Platz vor der liebevoll als “Wohnzimmer” bezeichneten Odenheimer Mehrzweckhalle ist zum Bersten voll. Der ganze Ort ist gekommen um gemeinsam auf das beginnende Jubiläumsjahr 2019 anzustoßen. 1250 Jahre wird Odenheim in diesem besonderen Jahr alt, ein Anlass den es zu feiern gilt.

Inmitten der vielen Menschen steht einer, der sofort heraussticht. Nicht durch sein Äußeres.. auch er trägt nur ein schlichtes, weißes Hemd und den Jubiläums-Button wie alle anderen, sondern vielmehr durch das ihm ganz persönliche und eigene Leuchten. Mit roten Wangen und glänzenden Augen begegnen wir Gerd Rinck, Ortsvorsteher seit fast 20 Jahren. Als wir ihn fragen, was er nun fühlt, da sein Odenheim 1250 Jahre alt wird, laufen dem 60-Jährigen Tränen des Glücks, der Zuneigung und der Rührung über die Wangen.

Ja, Gerd Rinck liebt sein Odenheim, liebt es seit dem ersten Tag. Er ist menschgewordene Heimatliebe, nichts davon ist unecht, aufgesetzt oder gestellt. Das wird seinem Gegenüber bereits im ersten Moment klar. Da ist kein Pathos oder kein lokalpolitisches Kalkül zu erkennen, sondern einfach nur aufrichtige Verbundenheit mit seinem Heimatdorf, seinem Odenheim.

Gerds Geschichte ist untrennbar mit Odenheim verbunden. Als sein Großvater aus dem Elsass in den Kraichgau kam um in Odenheim das Netz für die erstmalige elektrische Versorgung des Dorfes zu legen, lernt er im damaligen Gasthaus Engel eine junge Magd kennen, verliebt sich, heiratet und wird im Ort sesshaft. Dieser Verbindung entspringen Gerds Eltern, zwei Persönlichkeiten die untrennbar mit den Geschicken und der Geschichte Odenheims verwoben sind. Sein Vater, der in diesen Tagen 100 Jahre alt geworden wäre, war Vorsitzender der SPD, seine Mutter die allererste weibliche Gemeinderätin im Dorf.

Die Politik wurde Gerd quasi in die Wiege gelegt, war jeden Tag Thema in seinem Elternhaus. Dennoch verbringt er eine Kindheit und Jugend, an die er sich immer gerne zurück erinnert. Nach der Volksschule in Odenheim besucht Gerd das Leibniz-Gymnasium in Östringen, verbringt seine Abende im Kreise der Vereinskameraden und nicht selten in den alten Odenheimer Kultkneipen Sternen, Linsabauch oder dem Schwänchen. “Bis in den frühen Morgen haben wir gefeiert, sind immer in Odenheim ausgegangen, die großen Städte im Umland waren für uns kein Thema” erzählt er nostalgisch in alten Zeiten schwelgend. Irgendwo in den dunklen Ecken und Winkeln zwischen Pilsbar und Disco-Tanzfläche des Sternen, lernt Gerd dann seine Jutta kennen. Die beiden verlieben sich, heiraten und bekommen miteinander zwei Söhne.

Hauptberuflich arbeitet Gerd als Lehrer an der Bruchsaler Handelslehranstalt. Das macht er bis heute, sieht aber mit 63 Jahren seiner verdienten Pensionierung entgegen. Wenn es soweit ist, will er seine Karten neu mischen, genauer ins Detail gehen möchte er aber bezüglich seiner Zukunftspläne nicht. Nur eines ist sicher, diese Zukunft wird sich in Odenheim abspielen. Ach ja, Odenheim. Für Gerd der schönste Ort auf der Welt, das Stückchen Erde auf dem er geboren und auf dem er einmal begraben werden möchte.

“Jeden Tag wenn ich mit dem Zug aus Bruchsal zurückkomme, geht mir das Herz auf, wenn ich den Kirchturm hinter den Hügeln auftauchen sehe”. Mit Kirchturm meint er natürlich jenen der imposanten Odenheimer “Kathedrale” St. Michael, die weit sichtbar auf dem Kirchberg die Silhouette des Ortes prägt. Überhaupt ist Odenheim immer eine Reise wert, es gibt viel zu sehen, viel zu entdecken – hier in der Perle am Katzbach. Da wäre zum Beispiel das zur vorletzten Jahrhundertwende erbaute Rathaus in der Ortsmitte. Hier hat auch Gerd Rinck ein Büro, das Herz der kleinen Ortsverwaltung. Zu festen Sprechzeiten können die Menschen hier Ihr Anliegen vortragen, Behördengänge erledigen oder ihre Nöte und Sorgen loswerden.

In Gerds Büro steht kein normaler Schreibtisch, sondern ein großer Konferenztisch – und das ist auch schon alles was man über seinen “Verwaltungsstil” wissen muss. Gerd weiß, wie auch sein Gegenüber ist er ein ganz normaler und bodenständiger Odenheimer, immer auf Augenhöhe erreichbar, niemand der sich anderen überlegen fühlt. “Was immer es für ein Problem gibt, wir setzen uns hin und schwätzen miteinander. So haben wir noch immer eine Lösung gefunden” erklärt er kurz und bündig. Theoretisch gibt es dafür offizielle Sprechzeiten, praktisch ist Gerd immer für jeden erreichbar. Zu Hause klingelt häufig das Telefon, manchmal stehen die Nachbarn auch am Gartenzaun, denn sie wissen – Gerd ist immer für Sie und für Odenheim da. Gerade die Älteren wenden sich erst einmal an ihn, bevor sie sich an die Mitarbeiter des Rathauses in der “Hauptstadt” Östringen wenden.

Östringen… Das ist ein bisschen Gerds wunder Punkt. Auch wenn er mit dem Gemeinderat und dem Bürgermeister persönlich sehr gut auskommt, will Gerd doch immer das Beste für sein Odenheim, sieht die Interessen seines Ortes manchmal als nicht ausreichend berücksichtigt. Das hängt freilich auch mit den Umständen der Verschmelzung zur Gemeindegebietsreform Anfang der 70er Jahre zusammen. Damals waren seine Eltern aktiv im politischen Geschehen Odenheims, sprachen sich klar gegen die Fusion aus. Ähnlich sahen das auch 78 % der Menschen im Ort, zumindest entsprach diese Zahl dem Ergebnis einer Umfrage unter der Einwohnerschaft. Weil der Gemeinderat aber maßgeblich für die Zusammenschließung votierte, wurde Odenheim schließlich ein Stadtteil Östringens.

Doch Odenheim blieb Odenheim, ein bisschen eigensinnig, vielleicht sogar gelegentlich etwas störrisch, aber immer liebenswert und fast immer geschlossen und geeint im Auftritt. Zusammen mit seinem Ortschaftsrat, dem sich Gerd sehr verbunden fühlt, versucht man das beste für Odenheim herauszuholen, wo immer es geht. Bauplätze, Hochwasserschutz, Breitbandversorgung, Kitaplätze… die Liste der Baustellen ist lang, aber wo ist sie das nicht?!

Am wichtigsten ist für Gerd der Zusammenhalt im Ort und der ist in Odenheim legendär und unerreicht. Ein lebendiges und aktives Vereinsleben und eine Festle-Kultur die ihresgleichen sucht. In Odenheim reicht es wortwörtlich aus, eine Bierbankgarnitur auf den Rathausplatz zu stellen und zehn Minuten später brummt die Party. Odna feiert so oft es nur kann. Zur Faschingszeit tatsächlich gleich unzählige Male, dann gibt es das Burgfest, das Schwimmbadfest, das Maibaumfest, den Weihnachtsmarkt und und und… Als in den letzten beiden Jahren der Pandemie nichts davon stattfinden konnte, ist Gerd zeitweilig in Melancholie und Traurigkeit versunken… so sehr hat ihm der Kontakt mit seinen Mitmenschen gefehlt. Umso mehr freut er sich, dass in diesem Sommer die Dinge endlich wieder zur Normalität zurück finden, in Odenheim endlich wieder zwanglos und Seite an Seite gefeiert werden kann. Die Termine dafür kennt er natürlich auswendig… Am 22. und am 23. Juli ist in Odenheim Schwimmbadfest mitsamt dem kultigen Umzug, schon vom 25. bis zum 27. Juno das Sommerfest der AOV und schließlich vom 6. bis zum 8. August das legendäre Burgfest. Alleine bei der Vorstellung diese Meilensteine des Dorflebens wieder zu feiern, kehrt sofort das Leuchten in Gerds Augen zurück, werden seine Wangen rot. “Da kriege ich Gefühle, da freue ich mich so richtig drauf” sagt er und nichts und niemand könnte daran je zweifeln.

Vorheriger Beitrag

Das letzte Paradies

Brennt das Wirtshaus nieder

Nächster Beitrag

5 Gedanken zu „Odna im Herzen“

  1. Wenn selbst in einer Kommune mit 4 Stadtteilen keine Einigkeit sein kann (es kann nicht nach nur einem Stadtteil gehen, alle vier müssen Berücksichtigung finden), dann brauchen wir uns nicht wundern wenn es in der EU nicht funktioniert. Irgendwie ist immer ein Ausreißer dabei.

  2. In welcher Welt leben wir scheinbar in einer Scheinwelt für manche ist die Zeit stehen geblieben. Was ist aus klein Paris geworden.

  3. Zu Odenheim bleibt Odenheim Leider haben etliche die Zeichen der Zeit nicht erkannt Gastronomie in Odenheim tot etliche Personen waren gegen alles besonders gegen Östringen zu denen wir ja mittlerweile bald 50 Jahre gehören.

  4. Nicht unerwähnt bleiben sollte auch der unermüdliche Einsatz vom OV für die Renovierung, bzw. Modernisierung der Odenheimer Festhalle!

Kommentare sind geschlossen.