“Nur” eine Ausbildung

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Die Unis in Deutschland platzen aus allen Nähten, während im Handwerk Tausende Stellen unbesetzt bleiben. Auch Gärtnermeister Marcus Beyerle aus Ubstadt-Weiher sucht seit Ewigkeiten verzweifelt neues Personal, doch die Suche gestaltet sich schwer

“Es ist so ein schöner Beruf…man arbeitet mit den schönsten Blumen, kann kreativ sein, schiebt keine Überstunden und hat einen entspannten und schönen Arbeitsplatz” schwärmt Marcus Beyerle, muss am Ende aber bitter hinzufügen: “…und trotzdem finde ich niemanden”. Seit langem suchen die Beyerles als Unterstützung für ihr Geschäft in Ubstadt-Weiher eine/n Floristmeister/in, doch der diesbezügliche Arbeitsmarkt scheint völlig leer zu sein. “Es kommen höchstens ein paar Bewerbungen von Leuten die gerne mit Blumen arbeiten, aber keinerlei Ausbildung oder anderweitige Qualifikationen mitbringen” fasst Marcus die Resonanz auf seine bisherigen Ausschreibungen zusammen und hat auch eine Vermutung, was die Gründe angeht: “Keiner will mehr eine Ausbildung machen, alle wollen nur noch studieren”.

Damit hat der Gärtnermeister wahrscheinlich Recht, die Zahlen belegen dies eindrücklich. Etwa eine viertel Million Fachkräfte fehlen laut Zentralverband des Deutschen Handwerks, obwohl die Auftragsbücher der Betriebe teilweise randvoll sind. Man kann sich leicht vorstellen, wie sehr das frustrieren muss… so viele Kundenwünsche ablehnen zu müssen, weil schlicht die personelle Kapazität fehlt. Manche Betriebe können diese klaffenden Löcher nicht ausgleichen, müssen teilweise den Betrieb herunterfahren oder im Extremfall ganz einstellen, weil einfach die erforderliche Woman- oder Manpower fehlt.

Auf der anderen Seite ist das Studium in Deutschland nach wie vor äußerst beliebt, Millionen von Studenten sind zum derzeit laufenden Wintersemester an deutschen Universitäten eingeschrieben, ein Trend mit Schwankungen, aber immer noch auf hohem Niveau. Gegen ein gutes Studium ist selbstredend nichts einzuwenden, statistisch gesehen verdienen Akademiker unterm Strich besser als Handwerker. Aber eben nicht in jedem Fall und in jeder Konstellation. Auch unter Akademikern gibt es eine nicht kleine Zahl an Arbeitslosen, längst nicht jedes Studium mündet in einer gut bezahlten Anstellung.

Wer hingegen aber eine handfeste Ausbildung in einer gefragten Branche absolviert und sich dabei nicht allzu dumm anstellt, wird sich später aller Voraussicht nach nicht um mangelnde Perspektiven auf dem Arbeitsmarkt sorgen müssen. Die Verdienstmöglichkeiten sind angesichts der immer weniger werdenden Fachkräfte äußerst attraktiv. Das ist auch nicht weiter verwunderlich, es ist ein Gesetz des Marktes – Angebot und Nachfrage. Gibt es z.B. nur noch wenige Elektriker, die frei unter ihren Auftraggebern wählen können, orientieren sich daran eben auch die Preise und Löhne.

Ein Teil der Misere, die die Lücke zwischen Ausbildung und Studium weiter vergrößert, dürfte auch der gesellschaftliche Stellenwert einer Ausbildung sein. Schließlich leben wir in einem System, das hier knallhart kategorisiert. Das fängt schon bei der Schulbildung an: Es gibt die Hauptschule (schlecht), es gibt die Realschule (mittel) und es gibt das Gymnasium (gut). Dem Folgen schließlich wahlweise eine Ausbildung (schlechter) oder ein Studium (besser) – um es mal plakativ auf den Punkt zu bringen.

Verständlich, dass Eltern für ihre Kinder nur das Beste wollen, doch was das Beste ist, liegt eben immer im Auge des Betrachters, in den eigenen Fähigkeiten, Talenten und Wünschen begründet. Was nützt es einem jungen, handwerklich begabten Teenager, der Freude an der Arbeit mit den eigenen Händen, mit Materialien wie Holz oder Stein mitbringt, wenn man ihn nur der guten Zukunftsaussichten wegen in ein kopflastiges BWL-Studium drängt? Damit wäre nichts gewonnen, für nichts und niemanden. Einen Job nur des Geldes wegen zu machen, hat zwingend kausal noch niemanden glücklich gemacht. Und – um bei diesem Beispiel zu bleiben – wenn aus diesem Teenager beispielsweise ein begabter Zimmermann werden sollte, der später seinen eigenen Betrieb gründet, sind die Verdienstaussichten vermutlich sehr viel rosiger, als jene, die sich durch ein herz- und lieblos absolvierte BWL-Studium ergeben könnten.

Man möge das nicht falsch verstehen, die eigene Zukunftsperspektive ist eng mit den eigenen Wünschen und Talenten verknüpft. Nur daran sollte sich der eigene Lebensweg orientieren, niemand hält in einem Job lange durch, den er nicht mit dem Herzen und der nötigen Leidenschaft ausfüllen kann. Wenn das ein Studium ist, kein Problem! Doch wenn es nur aus dem Grund keine Ausbildung wird, weil diese irgendwie und undefinierbar gesellschaftlich als etwas Minderwertiges angesehen wird, trifft man seine Entscheidung schon an diesem Punkt auf Basis falscher Prämissen. Es kann unglaublich viel Freude machen, etwas mit den eigenen Händen zu erschaffen, unmittelbar etwas zu bewirken. Man kann daher nur jedem jungen Menschen raten, sein eigenes Herz zu befragen und sich nicht von einem überholten gesellschaftlichen Wertekompass in die Irre führen zu lassen.

Marcus Beyerle hofft jedenfalls inständig, dass wieder mehr junge Menschen sich dem Handwerk zuwenden werden. Er kennt seinen Beruf und liebt ihn über alle Maßen. Die Arbeit an der frischen Luft, die Farben, die Düfte, die Erfahrung, neues Leben durch der eigenen Hände Arbeit sprießen und gedeihen zu sehen. Um die Arbeit in seinem Betrieb weiter wie gewohnt fortführen zu können, braucht er dringend Nachwuchs. Falls es also da draußen eine/n Floristmeister/in oder Florist/in geben sollte, die oder der derzeit auf der Suche ist… am Rande Ubstadts wartet man bereits sehnsüchtig auf Dich.

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4 Gedanken zu „“Nur” eine Ausbildung“

  1. Ja, man kann sich dabei nur an den Kopf greifen. Ich habe das selbst erlebt. Der jüngste sohn meiner Ex-Frau wollte keinen Handwerksberuf ergreifen. Ich habe mit ihm zusammen die Ausbildungswerkstatt der fFrma Porsche besucht. Aber NEIN, keine Chance ! Er strebte nach Höherem. Wollte in den diplomatischen Dienst. dazu hat es aber nicht gereicht – der Noten wegen.

  2. Handwerk interessiert in dieser Globalen Welt kaum jemand , es zählt der Preis und der ist in Deutschland zu hoch! Studieren hilft dieses Wahn zu verstehen 😜. Es geht nicht immer nur ums Geld , das kapieren viele so genannte Alte nicht !!! Wenn der Sinn Cashflow heißt , erkennt man ein Dilemma 😇

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