Moritz muss sterben

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Während alle Welt über Sinn und Unsinn von Elektro-Rollern und Scootern in den Innenstädten diskutiert, stirbt in Bruchsal der babyblaue Moritz bereits einen leisen Tod.

Paris hat “non” gesagt. Zwar nicht übermäßig laut und auch nicht in großer Mehrheit – zumindest auf die gesamte Bevölkerung der Millionenstadt bezogen – doch Grund genug um Nägel mit Köpfen zu machen…oder wie man in Frankreich sagen würde: “passer à l’acte”. Die tausendfach im Stadtbild präsenten E-Scooter müssen verschwinden, der Gehsteig gehört künftig wieder ausschließlich den Fußgängern. Seit dieser Entscheidung wird auch in deutschen Städten über die omnipräsenten Scooter diskutiert, die entweder leidenschaftlich gehasst oder geliebt werden – dazwischen gibt es gefühlt kaum Positionen im Meinungsspektrum.

Ein E-Scooter im nächtlichen Karlsruhe / Bild: Redaktion

Auch in Karlsruhe stehen die Roller überall herum, keinesfalls nur in den Bereichen, in denen sie eigentlich abgestellt werden dürften, sondern quasi an jeder nur erdenklichen Stelle im Stadtbild. Für die wendigen und kleinen Fahrzeuge gibt es dabei durchaus Argumente auf der Pro-, allerdings auch jede Menge Argumente für die Contraposition. So sollen sie als niederschwellig verfügbares Angebot und spontan für jedermann erreichbar, die “letzte Meile” emissionsfrei überbrücken können – zumindest war es hauptsächlich diese ökologische Komponente, die bei der Einführung dieser Fahrzeugkategorie ins Feld geführt wurde. Äußerst schlecht gelöst sind aber bislang die Modalitäten der Rückgabe, im Grunde lassen ihre Entleiher sie einfach genau dort stehen, wo ihre kurze Reise eben jeweils endet. Genau hier kommt einer der größten Nachteile ins Spiel – die Aufgabe der unsichtbaren aber notwendigen “Juicer”. Das sind Angestellte oder Subunternehmer, die nachts mit Lieferwagen herumfahren, die Scooter einsammeln, sie zu Hause laden und am nächsten Morgen wieder in der Stadt platzieren. Ein ökologisch wie menschlich fragwürdiges Prozedere. Zuletzt – und dieses Argument war auch in Paris kriegsentscheidend – sind die kleinen Fahrzeuge oft in Unfälle verwickelt, nicht selten sind die Fahrer dabei alkoholisiert.

Auch die ehrenwerten Hügelhelden haben Moritz im Frühjahr 2021 getestet und waren eigentlich ganz angetan von dem agilen, blauen Flitzer.

Kein Wunder also dass die Gegner des Scooter nach der Pariser Entscheidung Morgenluft wittern und gegen die E-Scooter in den Innenstädten argumentativ zu Felde ziehen.

Bislang allerdings eher ein Konflikt, der hauptsächlich die größeren Städte beschäftigt.

Wie aber sieht es auf dem Land, wie sieht es bei uns im Kraichgau aus? Schauen wir direkt vor der Haustüre nach. Seit 2019 verfügt Bruchsal über eine kleine Flotte an E-Rollern. Wohlgemerkt keine Scooter, sondern richtige Motorroller im Look einer Vespa, die allerdings von einem Elektromotor angetrieben werden. Der kleine Flitzer in der Barockstadt hört auf den Namen “Moritz”, seine Erziehungsberechtigten sind die Stadtwerke Bruchsal. Mit ihrem kleinen blauen Engel haben diese seither reichlich Sorgen, wofür allerdings der kleine Moritz absolut nichts kann. Das Interesse der Menschen in Bruchsal hielt sich augenscheinlich in Grenzen, nur selten sah man Moritz durch die Straßen und Gassen der Stadt surren – Corona, Lockdown und Co. haben dabei vermutlich nicht geholfen. Zudem ist in Bruchsal vieles recht gut fußläufig erreichbar. Dieser Eindruck wird auch von den Stadtwerken Bruchsal auf unsere Anfrage hin bestätigt, doch nicht nur der mangelnde Zuspruch ist demnach ein Problem, sondern auch unerwarteter und äußerst kostspieliger Vandalismus. So schreiben die Stadtwerke von mutwilligen Beschädigungen und sogar vom Versenken des blauen Moritz in den Wassern der Saalbach. Es steht eben jeden Morgen mindestens ein Idiot auf.

Die nach kürzlichem Holterdipolter in der Führungsebene eingesetzte, neue Geschäftsführung, hat daher die verbleibende Flotte der einsatzbereiten etwa 20 Moritz-Roller auf den Prüfstand gestellt und kam heuer zu dem Ergebnis: So kann es nicht weitergehen. Laut der uns vorliegenden Informationen verursacht Moritz Kosten in sechsstelliger Höhe, erwirtschaftet aber nur Einnahmen in fünfstelliger Höhe. Man muss nicht Mathematik studiert haben, um zu bemerken – das haut einfach nicht hin. Das sehen auch die Stadtwerke so und haben sich daher entschlossen, Moritz dieses Jahr nicht zur neuen Saison in die freie Wildbahn, sondern auf dem Betriebshof im Stall zu lassen.

Das mag auf den ersten Moment so klingen, als ob Moritz vielleicht nächstes Jahr sein Comeback feiern könnte, doch eine Formulierung der Stadtwerke lässt dies eher unwahrscheinlich erscheinen. So heißt es in der uns vorliegenden Information, die Stadtwerke würden nun “…nach einer sinnvollen weiteren Verwendungsmöglichkeit der verbliebenen 20 Roller suchen”. Zumindest für sein bisheriges Dasein bedeutet dies unserer Meinung nach übersetzt nichts anderes als: “Moritz muss sterben”. Rest in peace, kleiner blauer Bursche, das hast du nicht verdient.

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12 Gedanken zu „Moritz muss sterben“

  1. Im Gegensatz zu den E-Kisten halte ich den E-Roller für sinnvoll. Die Deutschen dürfen, sollen respektive MÜSSEN das Klima der Welt retten. Wer
    hat sie dazu verpflichtet ??? Wenn man sich eine Karte anschaut, welche Länder Verbrenner verbieten, dann tun das in erster Linie die EU Staaten.

  2. In Bruchsal wahrscheinlich nicht wirklich lohnend.
    Hab selbst einen eScooter. Hat mich 400 Euro gekostet und ist absolut ausreichend für meine Micromobilität.
    Die Dinger werden immer günstiger. Kann auch in die Wohnung mitgenommen werden. Kein Stellplatz nötig.

  3. Das hat er wirklich nicht verdient!
    Schon gar nicht dieses „Volk“ der NutzerInnen!
    Rücksichtslos, verwöhnt und letztendlich einfach nur dumm!!!
    Schade um den Versuch und die Investition.

    • ja schade !! ich wollte einen mieten nur um mal kurz zu cruisen so paar stunden u sollte dafür eine nanmeldegebühr zahlen war glaube ich 20 oder gar 30€ plus die fahrzeit ist dann zu teuer für einen tagesausflug!! 1 jahr zuvor konnte man den roller phne anmeldegebühr mieten!!

  4. Habe selbst einen e-Roller. Hab vorhin damit alle Einkäufe erledigt, flott, lautlos und emmissionsfrei, da solar geladen.
    Bin damit aber allein auf weiter Flur.
    Auf dem Parkplatz des Discounters nur Verbrenner, laut, getunt oder technisch manipuliert…oder meist 1 Person, die damit gefahren ist.
    Frage mich seit Jahren, was sich hier verbessert haben soll…es stehen anscheinend nur noch Dumme auf.

  5. Fahre selbst seit Jahren einen UNU.
    Macht Spaß, alles so ruhig und leicht. Akku rein und losfahren. Fahrtwind und Vogelgezwitscher genießen. Mit Anhänger geht alles ( Einkäufe, Holz machen, Kompost weg, zur Arbeit fahren…).
    Und alles für 80 Cent pro 100 km! Und bis 100 km Reichweite…reicht dicke!
    Und das Ding geht ab wie Huddel!!!
    Und sonst im Dorf?
    Stinkende, dilletantisch „getunte“ 2-Takter. Dass dieser Mist immer noch verkauft werden darf, ist eh der Hammer!
    Das Ganze dann garniert mit ebenso dilletantisch “ getunten“ Autos.
    Hauptsache laut!
    Und der Rest: SUV’s oder Riesenkombis.
    Dabei bin ich von 0 auf 20 der Schnellste.
    Ätsch!!!

  6. Selbst wenn der Anteil an Leuten gering ist, die sich unmöglich verhalten, am Ende bringen die auch sinnvolle Konzepte zu Fall.
    Laß die Anzahl mal 5% sein, dann sind es von 1000 Leuten 50, die Mietfahrzeuge wie so einen eScooter oder ein eMotorrad irgendwo mitten auf dem Gehweg parken, in der Landschaft versenken oder in den Saalbach versenken.
    Die Kosten dafür zahlt mal wieder nicht der Verursacher, sondern dann der Betreiber oder die Gesellschaft im Allgemeinen …
    Dass die Gesellschaft auch mal umsichtig kann, darüber habe ich in Zeiten der Marktwirtschaft den Glauben verloren …

  7. Ihr hattet mal über die Teile berichtet und über einen Ausflug damit. Ich habe damals denn Sinn und das Konzept der Leihroller angezeifelt auch wegen der Kosten für die Stadt und dass sie eingesammelt werden müssen um den Akku zu laden usw.
    Schon damals war der Gesamtkilometerstand der Roller niedriger als von meinem einen(!) Roller, was einiges über die Nachfrage aussagte.
    Ich wurde dann verbal in einem Gegenkommentar angegangen von wegen keine Ahnung, Miesmacher usw. Meine Antwort war damals warten wir ab wie es in fünf Jahren um die Rollerflotte bestellt ist.

    Selbst wenn es einzelne Leute gut fanden und auch genutzt haben ist das Konzept eigentlich völlig untauglich, sowohl ökologisch wie ökonomisch. Hoffen wir, dass die Fahrzeuge wenigstens noch nachhaltig verkauft werden.

    Und wegen den Minirollern, meine Meinung wer damit fahren will soll sich einen kaufen dann passt er auch darauf auf, in KA liegen und stehen die Dinger an den unmöglichsten Stellen sowas ist kein Konzept sowas ist Chaos und Verschwendung.

  8. Ich kann mich den Vorrednern nur anschließen.
    Und nach allem erinnere ich mich an den alten Spruch: „Der Dummheit der Menschen sind keine Grenzen gesetzt“.
    Und freue mich auf besseres Wetter, dann düs ich mit meinem e-roller solargeladen und lautlos durchs Kraichgau!

  9. Leute, fahrt mal nach Berlin und schaut Euch das an, was da mit den Scootern getrieben wird. Die stehen und liegen überall rum wie Müll.
    Statistische Lebensdauer 3Monate!
    Und nachts wird in Transporter mit laufendem Diesel geladen.
    Alles supi!
    Paris machts vor, weg mit dem Zeugs!
    Und schade um Moritz!

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