Mein schöner toter Garten

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Die Unkultur der Schottergärten ist auch im Kraichgau zu beobachten

Ein Kommentar von Philipp Martin

Welches Bild kommt Ihnen in den Sinn, wenn sie an das kleine, simple Wort “Garten” denken? Ich denke dabei immer an das wunderschöne Stück Natur hinter dem Haus meiner Oma am Bodensee. Eine bunt blühende Wiese, üppige Büsche, Obstbäume, Beerensträucher, Gemüsebeete und ja – auch ein paar der obligatorischen Gartenzwerge. Vielen Hausherren scheint heutzutage aber die Vorstellung abzuschrecken, Mutter Natur auf der freien Fläche zwischen Straße und Hauswand auch nur ein kleines bisschen Spielraum einzuräumen. Stattdessen inszenieren sie hier lieber Szenen aus “Mad Max” oder “Dune – Der Wüstenplanet” und verwandeln das eigene Stückchen Land in einen steinernen Alptraum. Kies, Steinbrocken und Pflastersteine werden tonnenweise vom Baustoffhandel abgekippt und in pseudo-künstlerischen Mustern arrangiert. Selbstverständlich nicht ohne vorher ein dickes Unkrautvlies zu verlegen, damit auch nicht das kleinste Hälmchen Grün den Ausblick auf die Todeszone trüben kann.

Was bewegt einen Hausherren freiwillig depressive Tristesse in den eigenen Vorgarten zu holen? Vermutlich ist es der fehlende Arbeitsaufwand der mit der Erstellung dieser Art von Steingarten einhergeht. Hier muss nichts gegossen, nichts gemäht und nichts gejätet werden – der Tod ist eben wartungsarm. Dabei wäre jede Art von wild wucherndem Flecken Natur besser, als diese zu Stein erstarrte Absurdität. Gerade in Deutschland, das durch seinen extrem hohen Flächenverbrauch und die zunehmende Versiegelung von Böden traurig glänzt, ist doch der Kampf um jedes bisschen natürliches Grün so wichtig. Die immensen ökologischen Nachteile dieser Art der Gartengestaltung, formulierte erst kürzlich der deutsche Imkerbund zum Weltbienentag Ende Mai. So führe die Versiegelung von Flächen..”zur Reduzierung des Wasserrückhaltevermögens, zur Verringerung der Sauerstoff-Produktion und CO2-Bindung, fehlender Kühlung im Sommer“. Dass bunt arrangierte Steinbrocken für die so wichtige Arbeit der Bienen eher eine untergeordnete Rolle spielen, muss an dieser Stelle wohl kaum erwähnt werden.

Das Phänomen Steingarten, das in den vergangenen Jahren besonders in Neubaugebieten zu beobachten war, ist auch in ländlichen Regionen längst gegenwärtig. Gerade im Kraichgau, mit seiner landwirtschaftliche geprägten Kultur, ist es doch aber wichtig hier entschlossen dagegenzuhalten. In den Rathäusern ist das Bewusstsein hierfür definitiv vorhanden, immer mehr Städte und Gemeinden im Hügelland weisen Blühflächen aus, wo immer es möglich ist. Bereits im vergangenen Jahr hat beispielsweise Bretten das Programm “KomBlü“ ins Leben gerufen um mehr Blühflächen im landwirtschaftlich genutztem Raum zu schaffen, Bruchsal hat ein entsprechendes Projekt gerade kürzlich gestartet und die Gondelsheimer Landwirte haben ganze 150.000 Quadratmeter ihrer Ackerfläche für die Anpflanzungen von Blühflächen zur Verfügung gestellt.

Im privaten Bereich – Schlagwort “Schottergärten”, gibt es in der Region aber noch einigen Regelungs bzw. Umsetzungsbedarf. Zwar haben erste Kommunen, wie beispielsweise die große Kreisstadt Bretten, Steinschüttungen auf privatem Grund bereits explizit reglementiert, doch längst nicht überall werden diese Schritte auch umgesetzt. In der Landesbauordnung Baden-Württemberg heißt es hierzu seit Mai 2019 ganz klar: “..Die nichtüberbauten Flächen der bebauten Grundstücke müssen Grünflächen sein, soweit diese Flächen nicht für eine andere zulässige Verwendung benötigt werden…” (§§ 4 – 10). Warum diese Art von “Garten” dennoch unsanktioniert vielerorts zu sehen ist, bleibt daher rätselhaft.

Unabhängig davon ob man sich dieser Frage von der verwaltungstechnischen Seite her annähert oder nicht, sollte doch jeder Hausherr der einen Steingarten sein Eigen nennt, seine Beweggründe hinterfragen. Ist die Natur denn wirklich eine lästige Begleiterscheinungen, die es vom eigenen Grund und Boden kategorisch zu vertreiben gilt, oder sollte man sie nicht vielmehr als Bereicherung und Quelle allen – also auch unseres Lebens ansehen und ihr Raum geben wo es nur geht?

Wer sich übrigens einmal ansehen möchte, welche bizarren Stilblüten das Phänomen der Schottergärten hervor bringt, der sollte sich unbedingt die Facebook-Seite “Gärten des Grauens” vormerken. Der Botaniker und Biologe Ulf Soltau aus Berlin sammelt hier die schrägsten Bilder aus deutschen Vorgärten.

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