Wie Brummi-Fahrer ausgesaugt und verheizt werden
Eine Kolumne von Tommy Gerstner
Liebe 40-Tonner-Schlachtschiff-Kapitäne, liebe Kurier-Tiere und liebes Liefer-Lumpenpack,
warum nur tun wir Euch das an? Warum prügeln wir wie von Sinnen mit beiden Fäusten auf jenes Rückgrat ein, dass unsere wahnwitzige und perverse “Alles-jederzeit-und-sofort” – Gesellschaft trägt? Gerade jetzt zum doch so besinnlichen Jahresende prügeln wir nicht nur, sondern treten auch so hart wir können. Wir bestellen Millionen und Abermillionen von Weihnachtsgeschenken online und lassen Sie uns von euch direkt an die Haustür schleppen, unsere Amtsschimmel boxen jetzt noch Lastminute-Bauprojekte durch, um das Budget fürs nächste Jahr halten zu können und ihr liefert – just in time – das notwendige Material auch noch tief in der Nacht. Gerne auch mal aus Rumänien oder Litauen, weil das Zeug dort unterm Strich drei Cent weniger kostet, als würde man es einfach lokal beziehen. Drauf geschissen, ihr holt es ja schließlich für uns ab. Fahrt 2000 km über verstopfte Autobahnen, findet abends nirgendwo einen Schlafplatz und kassiert dann noch Strafen, weil ihr aus Erschöpfung auf irgendwelchen wilden Feldwegen übernachten musstet. Doch wir treiben euch weiter an, tracken euch via GPS, machen euch mit regelmäßigen Anrufen Feuer unterm Hintern, damit ihr das Material nur auf die Minute genau pünktlich abliefert, es direkt zur Baustelle karrt, wo es dann zwei Wochen vor sich hin rottet weil die Baufirma einmal wieder ihren Arsch nicht hoch bekommt.
Sorry Jungs, was muss das muss. Wir wollen schließlich billiges Obst aus Südamerika, Schoko-Nikoläuse im August, zentnerweise billigstes Rindfleisch aus Brasilien und 30 Kilogramm Katzenstreu direkt an unserer Haustür. Bringt uns das gefälligst, haltet eure Klappe und wagt es bloß nicht durch unser Dörfer zu fahren oder gar auf der Autobahn unseren schicken SUVs und Sportwagen im Weg zu sein… Wir bestellen, ihr liefert und das pünktlich und noch am selben Tag. Das Papier auf dem Scheißhaus ist uns ausgegangen? Kein Problem. Noch auf dem Topf brüllen wir unsere Bestellung unserer sprechenden Dose zu und sofort knallen in irgendeinem Logistikzentrum die Peitschen. Schnell, schnell, schnell, ihr Liefer-Sklaven. Wenn ihr euch schön beeilt, könnt ihr uns noch auf dem Lokus gleich den Hintern abwischen, etwas anderes erwarten wir gar nicht von euch.
Tja, Männer, vorbei sind die Zeiten in der ihr wie Manfred Krug auf Achse alle 20 Kilometer Pause machen und die Campingmöbel vor idyllischer Kulisse aufklappen konntet. Vorbei sind die Zeiten des Miteinanders und der Solidarität unter Brummifahrern. Heute konkurriert ihr mit Fahrern aus ganz Europa, deren Preise eure Speditionen nur unter Schmerzen halten können, Schmerzen die selbstverständlich und selbstredend auch ihr aushalten müsst. Wir verdienen mit euren Mautgebühren Millionen, die wir für alles verpulvern nur nicht für euch armen Schweine. Es fehlen 30000 Lkw-Parkplätze an unseren Autobahnen? Drauf geschissen, ist uns doch egal wo ihr in der Nacht in euer Kissen weinen könnt. Wir erwarten von euch nur, dass ihr unseren Scheiß pünktlich abliefert. Das kann man ja wohl von jemandem erwarten der 2000 brutto verdient und seine Familie nur noch übers Telefon trifft.
Ganz ehrlich Jungs, ich kriege das kalte Kotzen wenn ich mir ansehe wie diese Gesellschaft euch behandelt, wie sie euch aussaugt und verheizt nur um ihre eigene, perverse und wahnwitzige Geschwindigkeit immer weiter zu steigern und zu steigern. Ich feiere schon heute den Tag, wenn ihr kollektiv beschließt hinzuschmeißen und das Blut in den Adern dieser völlig irrsinnigen Wirtschaft vom einen auf den anderen Moment aufhört zu fließen. Denn eines ist sicher, ohne Euch geht absolut gar nichts. Wir sind auf euch angewiesen, ihr seid die unbesungene Helden dieser lächerlichen “Prime Overnight Ära”. Statt euch dafür zu danken und wertzuschätzen, hupen wir euch schäumend und geifernd an, wenn ihr aus der blanken Not heraus verstopfte Autobahnen verlasst, um euren vertraglich vereinbarten Lieferzeitpunkt halten zu können.
Liebe LKW-Fahrer, wenn ihr heute Nacht wieder in eurer kleinen Kajüte liegt, mit knurrendem Magen, einsam und ungeduscht auf der Einfädelspur, weil mal wieder kein Parkplatz am Rasthof frei war.. Wenn Ihr Euch unruhig hin und her dreht, weil der Verkehr so laut ist und ihr mit einem Auge wach bleiben müsst, damit euch niemand die Planen aufschlitzt, dann bitte denkt nicht an uns, denn wir denken ganz sicher nicht an euch! Höchstens daran, dass ihr uns morgen früh pünktlich zum Frühstück unsere kolumbianische Edel-Röstung liefert.
Also macht hinne Jungs, wir warten schon auf Euch