Marktmüde

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Eintönig und fade – Die “Langzeitweihnachtsmärkte” in Bruchsal und Bretten sind entbehrlich geworden

Eine Meinung von Stephan Gilliar

Wissen Sie, was das Kraichgauer Hinterland besser kann, als die “Metropolen” Bruchsal und Bretten? Weihnachtsmärkte! Und das ohne wenn und aber. An einem, maximal zwei Tagen rückt das Dorf zusammen, um sich gemeinsam auf die Weihnachtszeit einzustimmen. Die Schulen sind dabei, die Kindergärten, die Vereine… alle ziehen an einem Strang, um ein paar Stunden Adventszauber zu erschaffen. Das mag ein bisschen kitschig klingen, aber es trifft die Sache tatsächlich. Als Reporter bin ich Jahr für Jahr in den ersten drei Adventswochenende auf minimum 10-15 Märkten pro Saison unterwegs und nirgendwo knistert die vorweihnachtliche Atmosphäre schöner als auf dem Dorf. Es fühlt sich einfach gut an, es fühlt sich richtig an. Heimlich, wohlig und irgendwie nach Zuhause. Die Menschen kommen, stehen zusammen, unterhalten sich bis in die späte Nacht. Das ganze übrigens völlig unabhängig vom Wetter, es kann stürmen oder regnen, ein Dorf-Weihnachtsmarkt ist immer voll und gut besucht. Niemanden stört es, wenn auf der Bühne Weihnachtslieder in den schrillsten Tönen gesungen werden, niemand stört sich daran dass die Kinder laut und wild durch die Menge toben, dass es an den Vereinsständen hoch hergeht, dass der Glühwein 0,50 € mehr kostet als im Vorjahr oder es so voll ist, dass man kaum vorwärts kommt. Es geht einfach um diese paar Stunden, in denen ein Dorf zeigen kann, dass es noch ein Dorf ist, dass es eine Gemeinschaft bildet und es ein Zusammengehörigkeitsgefühl gibt.

Ich glaube, das Geheimnis ist das kleine überschaubare Zeitfenster für einen solchen Markt. Ein bis zwei Tage sind etwas Besonderes, es gilt diese paar Stunden auszunutzen, denn die nächste Chance bietet sich erst ein ganzes Jahr später. Die sich über Wochen erstreckenden Märkte in Bruchsal und Bretten zerfasern die eigene Magie durch diesen viel zu langen Zeitraum vollständig. Komm ich heut nicht, komm ich halt morgen… Das erzeugt Beliebigkeit und in der Folge Mittelmäßigkeit. Wenn Bruchsal dann wie in der Vergangenheit den Markt auch noch über die Weihnachtszeit hinaus bis in das neue Jahr verlängert, potenziert sich dieser Effekt meiner Ansicht nach ins Unerträgliche. Ich will ehrlich sein, mich zieht der städtische Weihnachtsmarkt in meiner Heimatstadt nicht mehr an, man schlendert einmal hindurch und hat alles gesehen. Im Grunde dient er eigentlich nur noch als eine Art After-Work-Treff, um in der Clique ein paar heiße Tassen mit ordentlich Sulfat und Promille in den Hals zu kippen. Das Programm muss sich, gedehnt wie Kaugummi, über so viele Tage und Wochen erstrecken, dass man schon sehr viel Glück haben muss, um ein Event auf der Bühne zu erwischen. Alle Buden, die keinen hochprozentigen Alkohol im Repertoire haben, dienen hier mehr als Beiwerk, das für ein bisschen Atmosphäre sorgen soll. Ziemlich unfair gegenüber deren Betreibern.

Auch der Markt in Bretten kommt ohne ein echtes Alleinstellungsmerkmal in meinen Augen allmählich an seine Grenzen. Gab es früher noch die Eislaufbahn als absolutes Highlight, das diesen Markt zu etwas ganz Besonderem gemacht hat, ist er zwischenzeitlich auch nur noch eine Ansammlung aus den üblichen Buden mit ihrem immergleichen Angebot. Lediglich der Kunsthandwerkermarkt weiß zu begeistern und zieht auch nach wie vor die Menschen in die Stadt. Vielleicht auch deswegen, weil es ihn nur während einem sehr kleinen und begrenzten Zeitfenster gibt, was meine Theorie stützen würde. Bretten lebt natürlich auch von seiner wunderschönen Atmosphäre auf dem mittelalterlichen Marktplatz, insbesondere am Abend, wenn die Lichter die Sandsteinfassaden glühen lassen. Sich alleine darauf zu verlassen, scheint aber in Zukunft auch keine Option mehr zu sein.

Insgesamt scheint es den Städten, aber auch dem Einzelhandel, an Ideen und dem Mut , Neues auszuprobieren, zu fehlen. Ein stures “Weiter so” scheint in diesem Fall die Lösung nicht zu sein. Orientieren könnte man sich beispielsweise am Adventsmarkt, den das Schloss Bruchsal in diesem Jahr auf die Beine gestellt hat. Eine schöne Mischung aus ganz viel Licht, Farbe, Atmosphäre, dem richtigen Mix aus Handwerk und Kulinarik und das Ganze auf einen kleinen und überschaubaren Zeitraum beschränkt, um sich durch unnötige Länge nicht selbst zu kannibalisieren. Der städtische Weihnachtsmarkt in Bruchsal könnte von diesem Konzept in jedem Fall etwas lernen, es vielleicht sogar ergänzen. Wie wäre es beispielsweise mit zeitlich begrenzten kleineren Märkten, fokussiert auf die Adventswochenenden? Nicht nur auf dem drögen Kübelmarkt, sondern auch mal auf dem Marktplatz, rund um den Pavillon oder schön verteilt über die wenig beachteten Seitenstraßen der Bruchsaler Innenstadt? Unterstützt und mit Leben gefüllt von den Bruchsaler Vereinen, den Institutionen, den Schulen, Kindergärten? Dazu die Händler und Gastronomen mit eigenen Ständen und Angeboten? Was könnte man hier auf die Beine stellen, wenn nur alle aus dem Quark und – pardon – die Ärsche hoch bekommen.

Aber so? Nun ja.. Stellen Sie sich einfach einmal die Frage, was vom Bruchsaler oder vom Brettener Weihnachtsmarkt übrig bliebe, würde man dort nur heißen Tee statt Glühwein ausschenken? Die wahrscheinlichste Antwort gruselt mich ein wenig. Wenn der einzige Grund, der Menschen auf einen Weihnachtsmarkt lockt, heißer Wein mit Zucker und künstlichen Aromen ist, dann ist der Wurm drin. Nichts gegen eine heiße Tasse Glühwein, aber unsere Kraichgauer Städte haben mehr zu bieten als das. Dann auch hier sehnen sich die Menschen nach dem gleichen, was auch auf dem Dorf so begehrt ist: Nach Gemeinschaft und nach diesem warmen und wohligen Gefühl, das jeder mit der Vorweihnachtszeit verbindet… Glücksgefühle, die durch ihre Flüchtigkeit definiert und nicht 24/7 ständig verfügbar sind. Der selbe Grund, warum früher der Sonntagsbraten so herrlich geschmeckt hat… weil es ihn nur am Sonntag gab und nicht wie heute an jedem einzelnen Tag der Woche. Weniger ist eben oft so viel mehr!

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8 Gedanken zu „Marktmüde“

  1. …das ist ja gerade das Schöne, ungezwungen nach der Arbeit auf den Weihnachtsmarkt zu schlendern, der nicht nur an einem Wochenende geöffnet hat und ohne feste Verabredung, einfach auf Gut-Glück ein paar nette Menschen auf einen Glühwein, eine Bratwurst, Crepe etc zu treffen. Das macht die dunkle Jahreszeit heller. Vielen Dank an dieser Stelle an die Betreiber, die uns das ermöglichen. Ein come-together für Jung und Alt. Der Spaß am Kinderkarusell. Was soll daran die Weihanchtszeit verfleddern und mittelmässig machen? Und was wären wir ohne den Weihnachtsmarkt oder diesen an nur einem Wochenende wie auf dem Dorf. Und nicht zu vergessen. Als „Brusler“ braucht man kein Auto, um sich zu treffen. Nicht jeder hat Lust in die Tram zu sitzen und nach dem Dorfmarkt heimzujoggeln. Vor allem, wenn er nicht in Bruchsal, sondern zum Beispiel Forst oder Hambrücken wohnt. Und gerade die Verlängerung nach dem 4. Advent in die Weihnachtsfeiertage bzw. Tage um Neujahr finde ich gelungen. Hier hat man endlich mal Zeit auf nen Schwatz und nen Treff mit Alt- und oder Neu-Bekannten, die mal wieder über die Feiertage zurück in die Heimat kommen. Ich treffe auf dem Bruchsaler Weihnachtsmarkt gerne Freunde, gehe nach Feierabend gemütlich hin und brauche nicht unbedingt eine Extra-Bespaßung. Das fröhliche, terminlose Zusammensein ist doch gerade das Schöne an Weihnachten ;)

  2. Ich bin mehrfach durch den Bruchsaler Weihnachtsmarkt geschlendert um mir selbst ein Bild zu machen:

    Insgesamt sehr trübselig. Wenig Stimmung, da keine Musik mehr. Die GEMA wird vermutlich bald auch für das Singen unter der Dusche Bescheide verschicken. Seit Jahren auch keine echte Weihnachtsstimmung mehr, wetterbedingt. Auf dem Weihnachtsmarkt im Regen oder bei +15 Grad stehen ist nicht gerade der Traum von der weißen Weihnacht.

    Dass die Stadt Bruchsal das Ganze auch noch weiter kommerzialisiert hat, in Form von bizarren Verlängerungen über Weihnachten hinaus, hilft hier sicher nicht weiter, und da versteht man dass viele Marktgeher den Markt, Bruchsal und auch Weihnachten sich erst einmal dort schön trinken müssen.

  3. Für mich persönlich war nach langer Abstinenz die Schloßweihnacht der schönste Markt in Bruchsal. Die Frau meines Cousins berichtete mir, dass selbst bei Regenwetter Besucher da waren.

  4. Brusel war schon immer langweilig 🍻 grotesk auch, daß die mohrenköpfe (hoffe das ist politisch korrekt geschrieben) um die hälfte geschrumpft sind bei gleichem Preis 🙈 ich hole mir keine mehr, nur noch Abzocke (leider)

  5. Wer im Hügelland bereits Märkte besucht hat weiß, dass zur Stimmung keine Musik benötigt wird. Lichtstimmung, gemütliche Stände und traditionelle Angebote auch abseits der Fressmeile fallen weit mehr ins Gewicht.
    Man empfindet das ewige „Sarah Connor Dedudel“ (reines Erklärungsbeispiel, jeder weiß was gemeint ist) eher als lästig – unpassend und vor allem unnötig. Wenn das zusammen mit dem öden Langos oder Pizzastand zu finden ist, hält man sich doch gerne fern – die paar Schokofrüchte gibts auch anderswo :)
    Schade dass die Brusler mit ihrem „des hämma scho immer so gmacht“ nicht unbgedingt Erfolg zu haben scheinen.
    Obs an den absurden Preise liegt ? (Wer bitte kauft ein zasttriges Nackensteak im Brötchen für 7,50 Euro oder die lauwarme Bratwurst für 5 Euro ? Habt ihr noch alle Dampfnudeln in der Pfanne ?)

    Ob man draus lernt ?

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