Letzter Hafen Sinsheim

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Nach einer spektakulären, aufwändigen und faszinierenden Reise quer durch das ganze Land, hat das alte deutsche U-Boot 17 im Technikmuseum Sinsheim seinen letzten Hafen gefunden

In der Sinsheimer Neulandstraße ist unter der Woche immer etwas los. Viele hier angesiedelte große Unternehmen und Geschäfte, dazu zahlreiche Restaurants und Freizeitbetriebe lassen diese Schlagader der Stadt von Montag bis Samstag nahezu ununterbrochen pulsieren. Nur sonntags, dann, wenn alles geschlossen hat, wird es hier endlich einmal ruhig – vor allem morgens, könnte man auf der breiten Straße problemlos ungestört Rollschuhlaufen oder spazieren gehen.

An diesem Sonntag war das allerdings anders…völlig anders. Ab den frühen Morgenstunden füllte sich die Straße zunehmend, gefühlt mit allen Bewohnern Sinsheims und denen des ganzen Umlands obendrein. Sie alle wollten dabei sein, wenn Sinsheims Neuzugang Nummer 1 endlich Zuhause eintrifft. Kein Wunder, ist doch dieser Neuzugang wirklich etwas fürs Auge. Das U-Boot 17 mit der Kennzeichnung S 196 ist immerhin so lang wie zwölf Autos, so hoch wie eineinhalb Einfamilienhäuser und liegt es einmal im Wasser, verdrängt es davon mit seinem massigen Leib eine halbe Million Liter. Rund 40 Jahre lang war der alte Stahlhai für die deutsche Marine im Einsatz, hat Geschichte geschrieben, als er als erstes U-Boot der Nachkriegszeit einen amerikanischen Hafen ansteuerte.

Doch alles hat seine Zeit, auch das mächtigste U-Boot muss irgendwann einmal abdanken. Aber als für U17 der Zeitpunkt der Ausmusterung gekommen war, sollte für das imposante Schiff nicht das Ende gekommen sein, sondern der Beginn einer ganz neuen Ära. Statt abgewrackt zu werden, wurde U17 verladen und im Anschluss auf eine lange Reise quer durch Deutschland geschickt. Nach einem 13-jährigen Dornröschenschlaf im Ostseebad Eckernförde gelang es dem Technik Museum Sinsheim Speyer U17 als Dauerleihgabe von der Marine zugesprochen zu bekommen, seinen Lebensabend sollte das alte Unterseeboot also im Kraichgau verbringen.

Bild: Technik Museen Sinsheim Speyer

Nun liegt zwischen der deutschen See und dem Hügelland allerdings ein weiterer Weg – hunderte Kilometer durch mehrere Bundesländer. Wenn das Technik Museum Sinsheim Speyer allerdings eines auszeichnet, dann der eiserne Wille sich ständig mit Superlativen auseinander zu setzen und diese niemals zu scheuen. Würde man hier klein denken, hinge sicher kein gigantisches russisches Space Shuttle in Speyer, erhöben sich niemals riesige Flugzeuge wie eine Boeing oder die Concorde über den Dächern der beiden Museen.

Bild: Technik Museum Sinsheim (bearbeitet durch Redaktion)

So setzten die Planer und Logistik-Profis alle Hebel in Bewegung um das U-Boot auf den Weg zu bringen. Der erste Abschnitt war dabei nicht einfach, aber im Vergleich zum folgenden Landweg noch der leichtere Part. U17 wurde zunächst über Rhein und Neckar so nah wie möglich an seinen späteren Bestimmungsort gebracht, das wahre Abenteuer begann aber auf den sprichwörtlich letzten Metern zu Lande. Als bewährter und langjähriger Partner für Projekte aus der Kategorie “Fast unmöglich” wurde einmal mehr die Spedition Kübler aus Michelfeld bei Schwäbisch Hall gewonnen, die Schwertransport-Könige haben schon mehrfach zuvor bewiesen, dass sie auch Aufgaben am oberen Ende des technisch Möglichen bewältigen können. Ihr Job war es also nach dem letzten Landgang von U17 das 350 Tonnen schwere Vehikel auf einen speziell dafür konstruierten Tieflader zu verfrachten und mit dieser – sagen wir etwas sperrigen Ladung – die letzten 50 Kilometer bis nach Sinsheim zu bewältigen.

Bild: Technik Museum Sinsheim Speyer

Während die beiden großen Flüsse Rhein und Neckar auf größere Transportverbände eingestellt sind, sind es die Straßen durch die süddeutsche Provinz definitiv nicht und so musste an vielen Stellen improvisiert und Hand angelegt werden. Um beispielsweise niedrige Brücken passieren zu können, musste das ca. 9 Meter hohe U-Boot (die Höhe des Transportanhängers ist hier noch nicht einmal eingerechnet) mehrfach zur Seite gedreht werden. Auf dem Anhänger wurden also Motoren mit gigantischen Stahlwalzen installiert, die das U-Boot mittels Führungsschienen bei Bedarf um 73° drehen konnten. Des Weiteren mussten quasi überall entlang der Strecke Stahlplatten abseits der Straße verlegt werden, um dem riesigen Wendekreis des rund 50 Meter langen U-Boots gerecht werden zu können. Vom “Roll off” aus dem Wasser bei Haßmersheim ging es so durch Siegelsbach, Bad Rappenau, Bonfeld, Ittlingen, Hilsbach und Weiler nach Sinsheim. Überall entlang der Strecke drängten sich die Menschen um für U17 Spalier zu stehen, überall wurde gefeiert und dieser ganz sicherlich einmalige Moment genossen und bewusst erlebt. Wann fährt denn schon bitte einmal ein U-Boot durch das eigene Dorf?

Bild: Technik Museum

Nach einem weiteren, frenetisch gefeierten Zwischenstopp an der PreZero Arena, erfolgte dann am Sonntag die umjubelte letzte Passage durch die Neulandstraße zum zukünftigen und letzten Zielhafen unter der Anschrift Eberhard-Layher-Straße 1. Im Technik Museum Sinsheim wird das U-Boot nun auf seine Zukunft als erlebbares und begehbares Exponat vrobereitet. Diese Arbeiten werden bis ins nächste Jahr hinein andauern, dann kann auch das Innere des gigantischen Unterseeboot es erlebt und entdeckt werden. Doch auch schon vorher wird es entsprechende Führungen geben um den Koloss aus der Nähe bewundern zu können, angereichert mit vielen spannenden Details und Informationen, zur Verfügung gestellt u.a. von echten U-Boot-Fahrern, die den Stahlhai während seiner Jahrzehnte auf See hautnah erlebt haben.

INFO: Alles über U17, seine abenteuerliche Reise, die Strecke, die Eckdaten und das gesamte Projekt, gibt es auf der speziell dafür angelegten Webseite des Technik Museum Sinsheim Speyer: https://u17.technik-museum.de Hier finden Sie auch viele Bilder und vor allem Links zu aufwändig gestalteten Videos, in denen jeder Streckenabschnitt und insbesondere auch das fulminante Finale dokumentiert wurden.

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9 Gedanken zu „Letzter Hafen Sinsheim“

    • Vor der Logistik ziehe ich meinen Hut. Was da teils Millimetergenau gearbeitet wurde ist einfach faszinierend. Ganz großes Kino.

  1. Eigentlich ist es ja kein „gigatisches U-Boot“ es ist eigentlich so gar relativ klein, sogar kleiner als das bekannte U-Boot aus dem Film

    • Okay, im Vergleich zu anderen U-Booten stimmt das natürlich, aber in einer engen Ortsdurchfahrt in einem Kraichgaudorf, wirkt der Kübel schon sehr imposant 😉

  2. Wird halt mal Zeit, so ein gigantisches Atom-U-Boot der Russen bei uns über die Straßen zu ziehen…😜

  3. Das Boot kütt! Und dann die Hände ✋️ ✋️ an die U-Bootwände, kommt lasst uns fröhlich sein…

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