Projekt ist Teil des städtischen Aktionsprogramms zum Schutz der Insekten und Artenvielfalt
Die Störche haben es zuerst mitgekriegt – hier tut sich etwas: Vergangene Woche haben Bruchsaler Landwirte Flächen mit verschiedenen Blühmischungen eingesät. Solche bunten Mischungen gibt es inzwischen wie Sand am Meer, aber fördern sie wirklich die stark bedrohten Insekten? Und wie einfach ist die Handhabung der Blühsaaten in der Praxis? Diese und weitere Fragen beschäftigen die städtische Biologin und Leiterin der Umweltstelle, Renate Korin, schon seit längerem. Das jetzt gestartete Projekt ist Teil des im vergangenen Jahr beschlossenen Aktionsprogrammes zum Schutz von Insekten und Artenvielfalt.
Es wird fachlich von dem Bruchsaler Biologen Peter Garbe vom Büro für Siedlungsökologie betreut. Das Interesse der beteiligten Landwirte, etwas Wirkungsvolles gegen den Artenschwund in der Feldflur zu tun, ist groß. Zusätzlich erhalten sie einen finanziellen Ausgleich für die entfallenen Einnahmen und den Bewirtschaftungsaufwand. Das Angebot an unterschiedlichen Blühpflanzen in der Kulturlandschaft ist in den vergangenen Jahrzehnten massiv zurückgegangen. Schmetterlinge, Schwebfliegen, Wildbienen und auch Vögel wie das Rebhuhn finden dadurch kaum noch Nahrung. Die Stoffflüsse zwischen intensiv und extensiv genutzten Flächen sind häufig unterbrochen und am Ende kann das ganze System versagen. Selbst in Naturschutzgebieten sinkt die Biodiversität! Ähnlich wie beim Klimawandel gilt es auch bei der Biodiversität, den Kipppunkt zu verhindern, bei dem die Ökosysteme versagen. Und Nahrung ist nicht gleich Nahrung. Rapskulturen sind gute Futterquellen für Honigbienen und Hummeln, viele Wildbienen benötigen aber für die Aufzucht ihrer Brut Pollen spezieller Pflanzenfamilien und -gattungen. Fehlen diese Pollenquellen verschwinden viele Wildbienen. Dadurch geht auch die Bestäubungsleistung der Insekten zurück, was die Honigbiene allein nicht ausgleichen kann.
Damit eine Kultivierung von Blühpflanzen nicht Aktionismus ist, sondern wirklich Erfolg hat, ist einiges zu beachten. Für die Bruchsaler Ansaaten 2020 wurden Mischungen aus ein- und mehrjährigen Arten gewählt. Einjährige konkurrenzstarke Kulturpflanzen wie Sonnenblume, Koriander oder Saatwicke machen dabei die Fläche zunächst relativ dicht und verhindern damit die Massenausbreitung von Hirse, Gänsefuß und Co. Im zweiten und dritten Jahr laufen dann verstärkt die mehrjährigen Wildpflanzen auf. So funktioniert es zumindest auf dem Papier. In der Praxis macht die Natur oft einen Strich durch die Rechnung. Das Ansaat-Projekt der Stadt Bruchsal soll hierzu handfeste Erfahrungen liefern. Auch die entsprechende Technik spielt bei größeren Ansaatflächen eine nicht zu unterschätzende Rolle. Da die meisten Blütenpflanzen Lichtkeimer sind und die Samen sich in der Größe stark unterscheiden, werden die Blühsaaten nur oberflächlich ausgebracht. Das bedeutet eggen, aussäen und anwalzen. Da hängt einiges am Schlepper. Für die Anlage von Erdhaufen im Randbereich der Blühflächen reicht dagegen ein Spaten. Dies geht schnell und bringt viel. Denn die meisten Wildbienen sind auf Rohböden für ihre Brutröhren angewiesen. Wenn dann der Wettergott gnädig ist und Regen bringt, ist im Verlauf der Vegetationsperiode noch ein Schröpfschnitt nötig. Damit werden unerwünschte meist hochwüchsige einjährige Arten zurückgedrängt. Für die Mischung selbst ist dieser Rückschnitt kein Problem.
Das Projekt der Stadt Bruchsal läuft zunächst ein Jahr. In dieser Zeit ist kein Mulchschnitt erlaubt. Das kommt den Insektenarten zugute, die den Winter in den Stängeln der abgestorbenen Pflanzen überdauern. Wenn die Etablierung der Blühpflanzen gelingt, soll das Projekt fortgesetzt werden, damit die mehrjährigen Arten ins Rennen gehen können. Mal sehen, was Störche & Co dazu sagen …
Pressemeldung der Stadt Bruchsal