Schöner als auf dem Buckel eines hustenden und tuckernden Treckers lässt sich unsere Heimat nicht bereisen
Kupplung drücken, Anlasser drehen und auf das Beste hoffen. Mit einem fröhlichen Frühlingsgebrüll erwacht der alte himmelblaue Lanz zum Leben. Mit gemächlichen 25 Kilometern in der Stunde tuckern wir vom Hof und hinein in das bunt-blühende Mosaik der Kraichgauer Felder, Wiesen und Äcker. Gutmütig knattert der alte, schwere Dieselmotor unter seiner Blechhaube, aus dem Auspuff wabern kleine blaue Rauchwolken. Ohne zu murren zieht er unseren Planwagen mit den einladenden Holzbänken und dem weißen Segeltuch darüber durch das Hügelland.
Wir sind nicht allein – hinter uns fährt eine ganze Kolonne von Veteranen landwirtschaftlicher Ingenieurskunst. Ein kugelrunder, grün-gelber John Deere, ein roter Allgaier, ein blauer Eicher, ein Dieselross von Fendt… wenn die Oldtimer und Schlepperfreunde aus Kraichtal zur ersten Ausfahrt der Saison einladen, sind sie alle mit dabei. Dann schlüpfen unzählige Liebhaber der alten Acker-Schlachtschiffe in ihre schweren Arbeitsstiefel, ziehen die Datschkapp oder den Strohhut tief ins Gesicht und schwingen sich auf den Bock. Ein Trecker ist eben nicht für die Scheune, sondern für das Feld gemacht.
An diesem Tag ziehen die Veteranen aber keine Egge durch die Furchen sondern ihre Familien und Freunde durch das Hügelland. Die Reise führt durch das im frühsommerlichen Rhythmus schlagende Herz des Kraichgaus. Vorbei an Wiesen, an wogenden Feldern, an blühenden Bäumen, durch Hohlwege und über sanfte Anhöhen. Es gibt keine schönere Art und Weise, diese, unsere Heimat zu bereisen. Eine Ausfahrt mit einem alten Traktor verknüpft uns nicht nur mit vorherigen Generationen, sondern ist auch der Inbegriff von Entschleunigung. Alles geschieht langsam, ganz ohne Eile, ohne jede Hektik. Zeit, Land, Leben und Leute können noch ohne den zur traurigen, neuen Normalität gewordenen wahnhaften Druck erfahren werden. Das langsame, rhythmische Pulsieren des schweren Motors, das Rumpeln der Räder auf dem Kraichgauer Grund, die Gerüche, die Geräusche, der laue Fahrtwind und das Tschilpen tausender von Vögeln entlang des Weges – Nichts lässt dich besser auf den Boden all dessen zurückkommen, was wirklich zählt, was wirklich wichtig ist.
Die Oldtimer und Schlepperfreunde sind dabei ein eingeschworener Haufen, ja sogar etwas wie eine Familie. Man hält zueinander, man hilft sich wo es geht, man lacht, man bruddelt, man streitet, man scherzt und selbstverständlich bastelt und fachsimpelt man miteinander. Die Liebe zum Land, zu seinen Traditionen und zu den landwirtschaftlichen und technischen Errungenschaften vorheriger Generationen schweißt sie zusammen. Es gibt ein paar junge und viele alte, doch was sind schon Jahre…auch ein alter Trecker kann immer noch ordentlich abliefern, das weiß niemand besser als die Oldtimerfans aus Kraichtal. Um eines ihrer ältesten und verdientesten Mitglieder zu ehren, drehen sie vor seinem Seniorenheim in Oberöwisheim ein paar Ehrenrunden, lassen die mächtigen Motoren ihren unverwechselbaren Klang in den sommerlichen Himmel schicken. Selig lächelt der alte Kraichgauer Bauer, die weißen Haare wehen ihm um das gegerbte Gesicht. Es ist ein besonderer Moment, im Kleinen, wie im Großen.