Keine Angst vorm schwarzen Mann

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“Es geht nur mit nem Arsch voll Herzblut” – Wolfgang Matthey ist Rheinländer, ein Kaufmann alten Schlages und Bruchsals einziger und wahrer “Preis-Profi”.

von Stephan Gilliar

Waren Sie schon einmal im “Preis Profi” in der Bruchsaler Südstadt? Nein? Nun gut, wir wollen versuchen, Ihnen ein Bild vor Augen zu zeichnen. Stellen Sie sich eine Filiale des Drogeriemarktes dm vor. Mit ihren wohligen Gerüchen, ihrem sanften, hellen Licht, den hübschen Verkäuferinnen in ihren blütenweißen Kitteln. Haben Sie das? Und jetzt stellen Sie sich bitte das exakte Gegenteil vor, dann kommen Sie der Sache schon einigermaßen nahe. Der Preis Profi ist eine riesige Lagerhalle mit endlosen Regalen, unzähligen Ecken und Winkeln, einer Produktpalette mit 40.000 Artikeln von A wie Avocado-Slicer bis Z wie Zahnbürsten-Halter. Hier drinnen ist es eng, etwas chaotisch, überfüllt und bis zum Horizont stapeln sich Bananenkartons bis unter das Dach – kurzum: Es ist einfach herrlich. Schon beim Betreten fühlt man sich wie in der Lagerhalle am Ende von “Indiana Jones Teil 1”, in der die Bundeslade irgendwo in einem Berg aus Kisten versteckt wird… Der Preis Profi weckt sofort den inneren Abenteurer, den Entdecker, den Schnäppchenjäger, den Kruschtler, den Krämer, den Sammler und den Jäger. Das Warenangebot ist so wild zusammengewürfelt, dass es sich anfühlt wie der größte Flohmarkt der Stadt, was der Wahrheit übrigens sehr, sehr nahe kommt. Tatsächlich ist ein Teil der großen Halle, die früher einmal einen Baumarkt beherbergte, für den wohl längsten Flohmarkt der Stadt reserviert. Das Prinzip dabei ist so einfach wie genial: Jeder kann einen Teil der Regale gegen eine kleine Gebühr mieten und dann hier den eigenen Nippes, Speicherfunde oder eben all den Kram, der zu Hause nur im Weg ist, zum Verkauf anbieten. Die Kunden von Preis Profi können sich die Dinge dann während ihres Einkaufs in Ruhe ansehen, an der Kasse bezahlen und der glückliche Regal-Mieter erhält am Ende die Umsätze und zwar ganz ohne Abzüge.

Darüber hinaus findet sich im Preis Profi wirklich alles, was man sich nur wünschen kann. Besonders Baumarkt-Kunden dürften hier auf ihre Kosten kommen und das teilweise zu deutlich günstigeren Preisen als in den großen und bekannten Ketten. Wie das Ganze funktioniert? Nun, dafür muss man den Chef, den Preis Profi höchstpersönlich kennenlernen. Wolfgang Matthey ist ein echtes Original, ein Unikat, ein Herz und eine Seele. Stolze 76 Jahre ist ja schon alt, doch das sieht man dem gemütlichen Rheinländer mit der stattlichen Apfelfigur in seinem Bill-Cosby-Pullover kaum an. In Wolfgangs Gegenwart fühlt man sich sofort wohl. Er ist herrlich direkt, wunderbar unkorrekt, immer fröhlich, immer positiv, stupst einen während seinen Erzählungen immer wieder an und wenn er lacht, dann kommt es von ganz tief unten und sein ganzer Körper vibriert dabei. Es ist ein Phänomen, dass Rheinländern einfach zu eigen ist. Wenn sie gestatten, gebe ich dazu eine kurze Anekdote meiner eigenen Kölner Großmutter zum besten – wie ich finde, eignet sich diese besonders gut, um das Wesen der Rheinländer besser zu verstehen. Als im Sommer 1942 die Innenstadt von Köln bombardiert wurde, war meine Oma noch eine junge Frau. Auch in ihrer Straße fielen die Bomben, eine davon traf den örtlichen Weinhändler. Noch während der Straßenzug brannte, rollte der Inhaber ein gerettetes Fass Wein aus seinem fast gänzlich zerstörten Laden, stellte es auf dem Platz davor auf und lud all die Nachbarn zum Austrinken ein. So bildete sich tatsächlich eine gesellige Runde in all der Zerstörung, all dem Elend – etwas Fröhlichkeit, all der Tristesse zum Trotz. Meine Oma schwört, dass es sich so zugetragen hat und es gibt für mich keinen Grund, daran zu zweifeln.
Auch Wolfgang ist Rheinländer, kommt ursprünglich aus Remscheid ganz in der Nähe von Wuppertal. Auch er strahlt diese unendliche Lebensfreude aus, diesen unbeirrbaren Optimismus und ein so solides Grundvertrauen in Gott und die Welt, dass man als Kraichgauer, als die wir ja nicht selten als “born to bruddel” gelten, regelrecht eifersüchtig werden könnte.

Long Story Short…Wolfgang ist der geborene Kaufmann. Er liebt es, Schnäppchen aufzutreiben, zu suchen, zu finden und zu handeln. In seinen jungen Jahren schmiss er in seiner Remscheider Heimat gleich drei Kneipen, in zwei davon wurde regelmäßig das Haupthaar zu Heavy Metal geschüttelt und das Nikotin in Kellen von der Wand gekratzt, bis er schließlich als Verkaufsleiter einer Werkzeugfirma durch das ganze Land tourte. Irgendwann machte einer seiner Kunden ihn auf einen leer stehenden Markt in der Ortsmitte von Graben-Neudorf aufmerksam, wo Wolfgang sich in seinem ersten eigenen Schnäppchenmarkt einrichtete. Als dieser irgendwann im Zuge der innerstädtischen Entwicklung umfunktioniert werden sollte, stieß Wolfgang auf eine Immobilie in der Paul-Gerhardt-Straße in der Bruchsaler Südstadt. Bis dahin wurde hier regelmäßig eine Art rollender Baumarkt veranstaltet, heute würde man wahrscheinlich “Pop-Up-Store” dazu sagen. Daran dürften sich vermutlich viele in der Südstadt noch erinnern, denn dieser Baumarkt firmierte unter dem einprägsamen Namen “Der schwarze Mann”. Obwohl Wolfgang damit technisch gesehen nichts am Hut hatte, blieb der Name irgendwie an ihm kleben, noch heute gilt er vielen aus der Nachbarschaft als “der schwarze Mann”.

Das war vor ungefähr zehn Jahren, seither hat sich Wolfgang in der Südstadt eingerichtet, fühlt sich hier pudelwohl. Anfangs pendelte er noch von seiner Wohnung in Graben Neudorf in die Paul Gerhardt Straße, doch irgendwann stellte er sich die Frage: Muss das überhaupt sein? Also richtete er sich in den ehemaligen Personalräumen des früheren Baumarktes häuslich ein, lebt nun quasi dort, wo er auch tagtäglich von früh bis spät arbeitet. Wobei, als Arbeit bezeichnet Wolfgang das, was er tut nicht, es ist tatsächlich sein Leben und seine Leidenschaft. Durch seine guten Kontakte auf dem Markt, bei den Großhändlern und dem knallharten Geschacher dahinter, kommt Wolfgang immer wieder an Waren und Güter und das gleich palettenweise. Sortimentswechsel, Ausverkäufe oder Überbleibsel aus blutigen „Großhändler-Schlachten“ – Wolfgang weiß wie er an günstige Ware für seinen Markt kommt. Dass das Ganze ein bisschen wie ein überdimensioniertes Überraschungsei ist, stört ihn dabei nicht. Oft weiß er nämlich überhaupt nicht, was er da konkret einkauft – nicht selten die Katze im Sack. Aber sein guter Riecher und sein siebter Sinn haben ihm auf diese Art und Weise schon viele Schnäppchen eingebracht, sein Händchen hat der eingefleischte Kaufmann schon unzählige Male bewiesen. Dafür heißt es aber auch immer am Ball bleiben, zuzuschlagen, wenn sich eine Gelegenheit bietet. “Es geht nur mit nem Arsch voll Herzblut” lacht Wolfgang und erzählt von unzähligen Touren mit seinen Sprinter an irgendwelche Häfen in Holland oder sonstige Umschlagplätze, um die ergatterte Ware abzuholen, bevor es jemand anders tut.

Dass viele “auf Achse sein”, stört ihn dabei überhaupt nicht… ganz im Gegenteil. “Wenn ich mit dem Auto von Bruchsal nach Hamburg fahre, komme ich entspannter an, als ich losgefahren bin” sagt er und holt ein Buch aus dem Schreibtisch in seiner kleinen Bürokabine, in das er fein säuberlich all seine geplanten Reisen geschrieben hat. Denn Wolfgang ist ein echter Globetrotter, kann von der großen weiten Welt auch privat überhaupt nicht genug bekommen. Mit seiner Lebensgefährtin reist er überall hin, auf die entlegensten Inseln und Archipel, in den hohen Norden und den heißen Süden, mit dem Schiff, mit dem Flugzeug, mit dem Auto oder – wenn es sein muss – mit dem Eisbrecher im Polarmeer. Kein Scheiß!

Ob er nicht langsam mal an den Ruhestand denkt, möchte ich von ihm wissen. Die 80 hat er zwar noch nicht erreicht, aber von hier aus kann man sie immerhin schon gut sehen? “Ach wat” lacht er “dafür jefällt et mir noch viel zu jut” und verschwindet irgendwo in seinem Labyrinth aus Schrauben, Scharnieren, Des un Sell. Tja, da geht er hin, ein Hüne von Kerl, den man in seiner bergischen Heimat wahrscheinlich einen “Ömmes” nennen würde – gut, dass wir ihn nun haben! Bruchsals echten, einzigen und wahren Preis Profi.

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4 Gedanken zu „Keine Angst vorm schwarzen Mann“

  1. Ihr habt die secondhand Klamotten vergessen! Ich habe dort schon richtig coole Teile ergattert, teilweise Marken, zu Spottpreisen! Sehr zu empfehlen

  2. Ja, Wolfgang tut der Seele gut! Immer sehr herzlich,ein Strahlen im Gesicht.Man geht immer mit einem besseren Gefühl aus dem Geschäft,als man hineingegangen ist.
    Alles Gute lieber Wolfgang! Bleibe uns noch recht lange erhalten.

  3. Also mich hat er an der Kasse auf Diebesgut kontrollieren lassen. Erfolglos natürlich. Ehrenmann wohl nur für seine eigenen Leute und nicht für Leute wie mich die offensichtlich als Ausländer zu erkennen sind.

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