Hügel unter Stahlbeton

| ,

Auch in der Region weicht immer mehr Natur großflächigen Bauvorhaben

Ein Kommentar von Stephan Gilliar

Schaffe, Schaffe, Häusle baue… – eine uralte, schwäbische Maxime und doch auch noch heute ein knüppelharter Fakt. In Baden-Württemberg baut man gerne und viel. Bereits vor zwei Jahren hat der BUND vor dem um sich greifenden Flächenverbrauch im Ländle gewarnt und dies mit harten Zahlen untermauert. Etwa 4,8 Hektar Fläche wurden demnach im Jahr 2019 überbaut, im ganzen Jahr entsprach dies – alleine in Baden-Württemberg – einer Grundfläche von etwa 2500 Fußballfeldern.

Jetzt könnte man sagen, ist doch prima, wenn die Wirtschaft schnurrt, schließlich steht fleißiges Bauen doch symptomatisch für deren Gesundheit. Das mag zwar sein, doch bedauerlicherweise geht der Bauboom zu Lasten von Natur und Umwelt, infolge auch zu Lasten des Klimas und in weiterer Folge zu unser aller Lasten. Der Grund dafür ist schnell benannt: Auf bebauter Fläche wächst nichts mehr, für die Natur ist es toter, verlorener Raum und hinzu kommt, dass sich durch die Versiegelung des Bodens Hitze sammelt und Regenwasser nicht mehr in das Erdreich eindringen kann. Welche Auswirkungen diese Umstände haben können, konnten wir bereits in den letzten Jahren immer wieder erleben: Starkregenereignisse haben Unmengen von Wasser durch unsere Orte und Städte getrieben.

Diese Effekte dürften wir in Zukunft noch häufiger beobachten, dann bedauerlicherweise nimmt der Flächenverbrauch in Baden-Württemberg weiter zu. Wie das Statistische Landesamt kürzlich mitteilte, wurde im vergangenen Jahr die Fläche von weit über 3200 Fußballfeldern verbraucht, ein deutliches Plus gegenüber 2019. Das ist in Sachen Umweltschutz völlig inakzeptabel, ebenso aber auch aus politischer Sicht. Denn eigentlich hat die Landesregierung als eines ihrer Ziele im Koalitionsvertrag den Neto-Null-Verbrauch ausgerufen. Also nicht weniger als den Flächenverbrauch auf Null zu reduzieren. Netto deshalb, weil selbstverständlich weiterhin gebaut würde, die versiegelten Flächen aber auch durch die Entsiegelung anderer Flächen kompensiert werden sollen.

Ergo kann der Verlust von wertvollem Boden in der Größenordnung von 3200 Fußballfeldern nur als politisches Versagen gewertet werden. Es fehlt offenbar landauf, landab an der entsprechenden Sensibilität für das Thema und dem Bewusstsein, dass Kleinvieh eben auch Mist macht. Ein kleines Neubaugebiet hier, ein kleines Sträßchen dort, eine kleine Erweiterung von Gewerbefläche da… das macht doch den Kohl nicht fett, oder? Oh doch, es macht ihn sogar regelrecht adipös… Fettleibigkeit in der Größenordnung von 3200 Fußballfeldern. Das ist eingedenk der Klimakrise, in welche wir gerade augenfällig mit Karacho schlittern, schlicht nicht akzeptabel.

Auch im Kraichgau und der übrigen Regionen bekleckern wir uns hier nicht gerade mit Ruhm. In zahlreichen Kommunen laufen derzeit Planungen und auch konkrete Erschließungen neuer Baugebiete, zudem schreiten die Pläne für neue Schnellstraßen voran. Bundesweit sind es nach dem Verkehrswegeplan 2030 sogar Tausende neuer Straßenbauvorhaben, die unzählige Quadratkilometer von Naturraum dauerhaft versiegeln werden…

Pläne für Neubaugebiete für Wohnen und Gewerbe gibt es beispielsweise in Kraichtal, Ubstadt-Weiher, Oberderdingen, Bad Schönborn, Karlsdorf-Neuthard, Kronau, Östringen…und vielen weiteren Städten und Gemeinden mehr… dazu stehen zahlreiche Straßenbauprojekte an. Alleine die angedachte Südwestumgehung in Bretten wird nur durch die Fahrbahndecke grob 12.000 Quadratmeter Land unter sich begraben.

Die Argumente für die Baupläne sind im Grunde immer die Gleichen: Nachfrage und Bedarf. Würde man dieser Argumentation aber konsequent folgen, müssten wir immer mehr und immer weiter bauen… Schließlich entfalten wachsende Städte eine Sogwirkung für noch mehr Nachzug, bringen neue Straßen neuen Verkehr. Klar gibt es dabei natürliche und juristische Hürden, jedoch sieht das Baurecht im Land viele Freiheiten für Kommunen vor, neue Bauflächen vergleichsweise niederschwellig auszuweisen. Das beklagt auch Gerhard Bronner vom Landesnaturschutzverband Baden-Württemberg in einer aktuellen Mitteilung und kritisiert den “…“Flächenfraß“-Paragraphen 13b im Baugesetzbuch, der es Gemeinden erlaubt, ohne Bedarfsprüfung im Flächennutzungsplan, ohne Umweltprüfung und ohne Naturschutzausgleich neue Wohnbaugebiete auszuweisen….”

So müssen wir uns doch unweigerlich die Frage stellen, wie unsere Heimat morgen aussehen soll. Sollen uns die Zeugnisse menschlicher Expansion immer weiter vom ländlichen Raum in urbane Strukturen mit all ihren Begleiterscheinungen transformieren, oder setzen wir Grenzen und sagen „Stopp, bis hierher und nicht weiter.”.

Vorheriger Beitrag

Willkommen in Bad Zaisenhausen

Kronau wächst

Nächster Beitrag

9 Gedanken zu „Hügel unter Stahlbeton“

  1. Inzwischen wird in Sulzfeld Richtung Kürnbach (Gewerbegebiet Riegel) ein Aldi hingesetzt, obwohl am anderen Ortsende ein großer Rewe Markt steht, der nächste Aldi neben anderen Supermärkten in Eppingen bzw am Ortsrand von Flehingen schnell zu erreichen sind. Hier in der Gemeinde hängt man noch dem Fortschrittsglauben der 80er Jahre nach.

  2. Wohl wahr. Die Grünen haben vor 20 Jahren schon vorgerechnet, dass wenn wir so weiter machen, wir 2060 in BaWü kein(!!!) Grünland mehr haben. Einfache Arithmetik, die offensichtlich Bürgermeister, Verwaltung und andere Bauwütige nicht verstehen!!!

  3. Und dann mal abwarten, wenn die Neubaugebiete in Ubstadt und in Kraichtal dazukommen! Plus der damit verbundene Verkehr!

  4. Herr Gilliar,
    ich bin völlig bei Ihnen! Und bei allen Vorschreibern!
    Und solche Beiträge müssten JEDEN Tag kommen! Bis der/*/die Dümmste kapiert, um was es hier geht: das Sterben unseres Planeten!!!

  5. Meist sind diejenigen, die sich über die Bebauung von Grünland beschweren, auch diejenigen die nun in der Rente sind oder kurz davor stehen und alleine oder zu zweit in einem EinFAMILIENhaus mit großzügigem Gartengrundstück hausen.

    Würde für dieses Klientel nicht eine Eigentumswohnung reichen?

    Damit würde man nachfolgenden Generationen die Möglichkeit geben in EinFAMILIENhäusern den Nachwuchs aufzuziehen, das ist in einer kleinen Wohnung leider nur bedingt möglich.

    Dazu kommt, dass viele der oben angesprochenen Generation weiterhin auf vielen Grundstücken in den Ortskernen sitzen und diese brach liegen lassen, anstatt zu bebauen oder zu verkaufen. Mir sind Gemeinden bekannt dort könnte die Baunachfrage alleine mit der innerörtlichen Nachverdichtung nachweisbar vollständig bedient werden und es wäre kein Neubaugebiet notwendig.

    Ob nun natürlich weitere Supermärkte notwendig sind, wenn andere in kurzer Zeit erreichbar sind, ist ein anderes Thema. Ob auch jedes Unternehmen in Ba-Wü angesiedelt sein muss, weiß ich nicht.

    Nur mal so eine Meinung eines jungen Mitbürgers der in der Familienplanung steht…

  6. Ein sehr guter Artikel. Bei wem „bei der schlimmsten Dürre seit 500 Jahren“ die Alarmglocken in den Ohren noch nicht klingeln wird sie nie hören. Bei den Bürgermeistern und Gemeindenräten sollte es eigentlich 3-fach so stark läuten. Der Schrei nach neuen Baugebieten scheint aber immer noch lauter zu sein. Ich frage mich was sich junge Familien mit Kindern dabei denken, wenn Sie regelrecht die Zukunft ihrer Kinder mit einem Einfamilienhaus verbauen. Die sind nicht nur taub sondern leider auch extrem kurzsichtig. Es wird Zeit für zukunftsorientierte Wohnkonzepte.

  7. Wir haben mitten im Ortskern ein altes Anwesen (auch energetisch) saniert, nach 25 Jahren ein Traum mit immer größer werdendem Verkehr(slärm)…
    Solange es nur schnell gehen muss, alles neu sein muss mit Pool in Ortsrandlage…wird sich wohl nix ändern. Es sei denn, unsere träge Politik und Verwaltung machen endlich was!

Kommentare sind geschlossen.