Hauptsache endlich wieder spielen

| ,

Vor einer Handvoll Menschen und einem Huhn – Die Kraichgauer Band Barn54 steht endlich wieder dort, wo sie auch hingehört: Auf der Bühne

Pessimisten würden das im Folgenden umrissene Bild vermutlich eher trist und trostlos bewerten: Vier Musiker stehen an einem Sonntagnachmittag bei strömendem Regen unter einem kleinen Pavillon, irgendwo in der Kraichgauer Einöde und spielen vor sehr kleinem Publikum, allen voran einem neugierigen Huhn in der ersten Reihe. Optimisten wiederum sehen in diesem “Gig en miniature” echte Leidenschaft für Musik, die sich ausschließlich an Qualität und nicht an Quantität orientiert. Als langjähriger Radiomoderator und Musikredakteur kann ich Ihnen versichern: Die Güteklasse handgemachter Musik bemisst sich nicht an deren Bekanntheitsgrad oder gar der Größe des Publikums. Glauben Sie mir, es gibt unfassbar viel wunderbare Musik, die die Welt bisher noch nicht zu Ohren bekommen hat und es gibt wiederum Musik, die sie besser nie zu Ohren bekommen hätte. Bekanntheit allein war und ist kein Merkmal großer Musik – Faktoren wie Beziehung, Vernetzungen und nicht zuletzt der allmächtige Zufall, spielen hier eine bedauerlicherweise stark überhöhte Rolle. Dabei geht es im Grunde doch vielmehr um Gefühl, um Leidenschaft, um Hingabe und natürlich um die grundlegende Frage, die sich jeder Musiker irgendwann einmal stellen muss: Habe ich es, oder habe ich es nicht.

Die Jungs und Mädels aus der Scheune, die an diesem verregneten Sonntag ihrerseits vor einer Scheune in der Kraichtaler Weierbachsiedlung ihr Bestes geben, haben “es” definitiv. Sie spielen ihre eigene Musik, nichts von der Stange, nicht die übliche Cover-Grütze… Sie reißen ihr Publikum mit, möge es an diesem Tag so klein sein wie es wolle. Es sind starke Texte und starke Melodien, dargeboten mit Temperament, Liebe und verzeihen Sie denn erneut abgedroschenen Begriff – Leidenschaft. Wenn Simon barfuß seine Takamine an die Brust drückt, die Augen schließt und auf die “Answer in th sky” hofft, wenn der bärige Alex mit dem Nasenring die Cort würgt und das Publikum auf einen Aufenthalt im “Sunshine Club” einschwört, wenn die grazile Sina ihre unter die Haut gehende Durchhalteparole “Carry On” ins Mikro haucht oder Kevin an den Tasten der “Midway Story” Tiefe verleiht.

Man kann sie sich sofort und bedingungslos auf einer großen Bühne vorstellen, vor hunderten oder gar tausenden jubelnden Zuschauern – das Rüstzeug dazu haben sie längst. Doch darum geht es ihnen nicht, sie wollen einfach nur da draußen sein, wollen einfach nur Musik machen. Monatelang waren sie auf sich zurückgeworfen, konnten sich nicht treffen, nicht proben, nicht gemeinsam an Neuem arbeiten. Es ist eben das Jing und Jang eines jeden Künstlers: Erschaffen und Teilen – Das eine kann ohne das andere nicht sein.

barn54 sind froh und dankbar, nun wieder teilen zu können, wieder auf der Bühne stehen zu können und ihren höchst eigenen Stil, der sich irgendwo zwischen Blues, Folk, Country und Singer-Songwriter ansiedelt unter die Leute zu bringen. So suchen sie derzeit Locations für ihre nächsten Gigs und wurden bereits in ihrer Hügel-Heimat aber auch in Belgien oder sogar Amsterdam fündig…”Wo” ist eben nicht die entscheidende Frage, auch nicht “wie”, sondern nur “dass”… Dass sie wieder spielen können, dass sie wieder da sind, dass sie wieder ein Publikum haben… und seien es auch nur 54 Mann vor der Scheune…. und ein Huhn.

Vorheriger Beitrag

Herr Ober, wo sind sie denn?

Ein Bruchsaler Sommermärchen

Nächster Beitrag