Geburtstagsparty für Gutbetuchte

| ,

Das Schlossfestival Bruchsal verpasst die Chance ein Fest für alle Menschen der Stadt zu werden

Eine Meinung von Stephan Gilliar

Als im Bruchsaler Schloss noch der hohe Adel lebte, verkehrte und umgab er sich im Wesentlichen mit seinesgleichen. Augenhöhe war nicht gerade ein Merkmal der Beziehung zwischen den einfachen Bruchsaler/innen und ihren Hochwohlgeborenen von nebenan. Doch die Zeiten ändern sich – The times they are a-changin‘ wie der gut Bob schon lange weiß. Im Bruchsaler Schloss lebt schon lange kein Adliger mehr, stattdessen schwingt hier die staatliche Schlösserverwaltung Baden-Württemberg das Zepter, verwaltet die stattlichen Anwesen im Lande, kümmert sich um deren Erhalt und ihre kulturelle Nutzung. Im Falle des Bruchsaler Schlosses bedeutet dies Ausstellungen, Führungen aber auch nette kleine Events, wie zum Beispiel Flohmärkte oder das Osterhoppeln im Schlossgarten. Man kommt also nicht umhin festzustellen, dass die landeseigene Institutionen sich auch darum bemüht alle mit an Bord zu holen, Angebote für die breite Bevölkerung zu schaffen. In Zusammenarbeit mit anderen Veranstaltern gibt es im Schlossgarten auch immer wieder große Top-Acts zu erleben: Dieter Thomas Kuhn oder Amy McDonald zum Beispiel oder ganz aktuell in diesem Jahr Foreigner.

Umso mehr darf man sich als “Otto Normalbürger” über das Programm des anstehenden Schlossfestivals anlässlich des dreihundersten Geburtstages des Bruchsaler Schlosses wundern. Obwohl im Vorfeld auch durchaus die Rede von Pop und Rock war, ist es am Ende nun ein Mix aus sehr viel Klassik, Jazz und etwas Blues geworden. Die gebuchten Künstler sind dabei durchaus als Hochkaräter zu bezeichnen, innerhalb ihrer jeweiligen Szene zweifelsohne umjubelte Stars. Dabei sind unter anderem Maria Agresta, Simone Schneider, Martin Muehle, Till Brönner, Curtis Stiger oder Daniel Hoppe. Obwohl dieses Lineup von seinen Fans durchaus bejubelt wird, steht es doch vermutlich eher nicht für die ganze Bandbreite des Interesses der Bruchsalerinnen und Bruchsaler, deckt die Auswahl nicht die bunte Vielfalt ihrer Leidenschaften ab. Hand aufs Herz, können Sie mit all diesen Namen etwas anfangen? In meinem Bekanntenkreis fühlt sich zumindest durch das Programm niemand wirklich abgeholt. Einzig DJ Alex Christensen mit seinem “Classical 90s Dance” klingt für uns als Kinder der 80er verlockend. Verstehen Sie mich dabei nicht falsch, ich verneige mich vor dem Einsatz der Organisatoren – es war sicherlich nicht leicht, diese Promis für ein Festival in Bruchsal zu gewinnen – doch ich erkenne hier einfach kein Bemühen um Ausgewogenheit und Vielfalt. Hätte es denn nicht zumindest an einem Tag eine richtig entspannte Gartenparty geben können? Ganz unprätentiös ohne Glanz und Glamour? Mit ein oder zwei populären Headlinern, oder besser mit vielen nach Jahren der Krise gebeutelten Künstlern aus der Region…vielleicht sogar unter Beteiligung von Vereinen und das Ganze für einen schmalen Taler oder gar für lau?

Doch wie sagt der Bruchsaler: S isch wies isch. Nun könnte man dies natürlich auch als vortreffliche Gelegenheit begreifen, den eigenen kulturellen Horizont etwas zu erweitern, wäre da nicht eine weitere Hürde – die Ticketpreise. Wer einen passablen Platz haben möchte, legt zwischen 50 und 100 Euro auf den Tisch – pro Person. Für einen schönen Abend mit der Partnerin oder dem Partner, großzügig gerechnet mit etwas zu Essen und zu Trinken in der Pause, wird also in jedem Fall ein dreistelliger Betrag fällig. Ob das für die breite Masse der Menschen in der Stadt nach zwei Pandemie-Jahren, in denen bei vielen Schmalhans Küchenmeister war, aktuell das richtige Signal ist, darf zumindest diskutiert werden. Für wen die Kosten keine Rolle spielen, der kann sogar ein VIP-Ticket für das Konzert seiner Wahl erstehen. Für 250 Euro gibt es beispielsweise für Giacomo Puccinis Tosca ein VIP Ticket mit “kulinarischen Feinspeisen vom Buffet vor der Veranstaltung, VIP-Empfang, Drinks und Co.” Eine Aufstellung, bei der ich sofort den Odem längst vergangener Bruchsaler Schlosseliten zu verspüren glaube. Mangelnde Nachfrage scheint es aber generell bei den Tickets nicht zu geben, nach Angaben der BTMV wurden bereits über 2000 davon verkauft – derzeit werden bei der Frühbuchung auch noch prozentuale Rabatte gewährt.

Gibt es denn aber nun anlässlich der großen Geburtstagsfeier des Schlosses Bruchsal, das ein Bestandteil der Stadt aller in ihre lebender Menschen ist, auch Angebote für Geringverdiener oder jene, die sich mit Operngesang oder Jazz nicht anfreunden können? Ja, die gibt es. Der Ehrenhof wird für jedermann offenstehen, hier gibt es voraussichtlich eine kleine Bühne für zum Beispiel regionale Bands, Marktstände und dem noch vorbehaltlichen Vernehmen nach auch LED-Videowände, die die großen Gala-Events aus dem Schlossgarten übertragen sollen.

Dennoch bleibt eingedenk der Aufmachung und der Programmzusammenstellung irgendwie ein kleines Geschmäckle auf der Zunge zurück. Zumindest auf mich wirkt das Gesamtbild das Schlossfestivals nicht wirklich rund, nimmt nicht alle Menschen gleichermaßen an die Hand. Etwas mehr Bodenständigkeit stünde dem vielleicht etwas zu künstlich gepflegten Pathos von barockem Prunk, pompöser Exklusivität und adliger Noblesse durchaus gut zu Gesicht. Die Chance den runden Geburtstag für die klare Botschaft zu nutzen: “Das ist unser aller Schloss, der Mittelpunkt unseres gemeinsamen Bruchsal” wurde nach meinem Dafürhalten nicht ergriffen. Vielleicht ja zum 400. Geburtstag.

Info

Schlossfestival Bruchsal

Alle Informationen zum Bruchsaler Schloss Festival 2022, inklusive der Möglichkeit online Tickets zu kaufen, finden Sie unter diesem Link

Vorheriger Beitrag

Gondelsheim feiert drei Tage durch

Bürgermeister radeln für zeitnahe Sanierung der Kronauer Allee

Nächster Beitrag

7 Gedanken zu „Geburtstagsparty für Gutbetuchte“

  1. Willkommen im Club, verehrter Herr Gilliar. Auch bei mir hält sich die Laune in sehr engen Grenzen 100 Euro oder gar 250 Euronen für ein Kärtle auszu-geben. Und zu den Künstlern vermag ich zu sagen: Keiner kennt sie, aber jeder hört sie immer wieder gerne. Ausnahme: Curtis Stiger. Da ich gerne gut esse gönne ich mir mal eben einen Besuch im Lamm in Roßwag und lasse mich dort von Steffen Ruggaber verwöhnen. Für sein 5 Gänge Gemüse Menu am Wochenende werden 95 Euro aufgerufen. Da sitz ich zwar nicht im Schloß, aber was soll’s und damit kann ich leben.

  2. Auch ich habe heute, coronabedingt mit viel Zeit gerade zu Hause, einmal das Programm studiert. Aus meinen 90er Jugendzeiten kenne ich noch Curtis Stiger, der Rest sagt mir wenig. Auch ich habe mir überlegt, dass es vielleicht einmal nett wäre, meinen Horizont zu erweitern und einmal eine Oper anzuschauen. Aber bei den Preisen … Laut Reservierungsplan gibt es glaub aber noch massig Karten, dachte, da wäre schon mehr vergeben.
    Hätte man nicht einfach mal als Ersatz vom letzten Jahr Dieter Thomas Kuhn einladen können? So eine tolle Party und Stimmung hätte uns allen nach 2 Jahren Pandemie gut getan, einfach locker und losgelöst feiern, Spaß haben, sich gut fühlen. Das ist aber wohl doch unter dem Niveau eines Schlosses.

      • Liegt das vielleicht an Dir? Wie immer bei uns, die denen die Künstler was sagen und die mit der Musik was anfangen können – die sich einfach ruhig.

  3. Auf den Punkt gebracht wie gewohnt.
    Steigende Preise überall kombiniert mit der Pandemie machen es vielen, mich eingeschlossen, unmöglich „mal eben“ diese Beträge für zweifelhafte Inhalte aufzurufen – für ein Fest welches bislang doch mit zum liebsten Event des Jahres gehört. Oder gehörte – augenscheinlich möchte man den Bürger nicht länger dort wissen.

  4. Es ist eigentlich sehr schade, dass überall nach Respekt vor Anderen gerufen wird, aber bei der Musik muss es nur Party geben. Dieter Thomas Kuhn ist für mich Musik, die mich in meiner Jugend schon nicht angesprochen hat. Aber trotzdem muss ich doch respektieren, dass es Menschen gibt, die darauf abfahren. Oper ist auch nicht meine Musikrichtung, aber wenn es nicht so viele Menschen geben würde, denen die Musik gefällt, dann würde es sie schon lange nicht mehr geben. Wie hat meine Mutter schon immer gesagt: „Jedenm Tierchen sein Plässierchen“. Als Dieter Thomas Kuhn auftrat kam von der anderen Richtung doch auch kein Geschrei, dass mehr klassische Musik geboten werden soll, nein bei uns in Deutschland schreit einfach nur jeder, der etwas dagegen hat. Jemand der es gut findet, ist ruhig. Jazz und Soul ist tolle mitreißende Musik, aber was mir gefällt muss nicht allen gefallen. Es gehen doch sicherlich nur die hin denen die Musik zusagt, dann seid doch zufrieden. ACDC ist auch Musik, die nicht jedem gefällt, aber „so what“, man muss ja nicht hingehen – ich kann, wenn ich will.
    Wir haben Karten für Popp und Poesie, darauf freue ich mich schon sehr und wenn es im Ehrenhof auch eine Bühne gibt auf der Band’s auftreten, dann nutzt es doch dort.

Kommentare sind geschlossen.