Fußgängerzone in Eppingen wird zur Lachnummer

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Fußgängerzone in Eppingen wird zur Lachnummer
Ein Bild mit Seltenheitswert – Eine autofreie Brettener Straße in Eppingen

Händler und Stadtverwaltung blamieren sich zunehmend

Ein Kommentar von Hügelhelden.de-Herausgeber und ehemaligem Eppinger Bürger Stephan Gilliar

Nehmen wir im ersten Moment einmal Abstand von den Fakten und schauen uns die Situation aus den Augen eines Außenseiters an. Wer nach Eppingen kommt um die Stadt zu erleben, der sieht eine wunderbar gestaltete Innenstadt mit Kopfsteinpflaster, Sitzgelegenheiten und einem herrlich anzuschauenden Marktplatz samt Cafés und Co. Was er bedauerlicherweise aber auch sieht, ist eine nicht endende Blechlawine die sich unablässig durch dieses Kleinstadt-Idyll wälzt. Wer würde hier gerne verweilen, wenn er dabei durch Abgase waten und im Cafe ständig die Kinder im Auge behalten müsste, damit sie nicht unter die Räder kommen? Eppingen hat mit der Umgestaltung von Brettener Straße und Bahnhofsstraße sowie des Marktplatzes eine wunderbare Fußgängerzone geschaffen, die tragischerweise aber keine sein darf. Zwar hat man mit einer gut ausgebauten Wilhelmstraße eine hervorragend erschlossene parallele Route zur Brettener Straße bereitgestellt, welche jedoch nur unzureichend genutzt wird. Die Autofahrer drängeln sich lieber in Schrittgeschwindigkeit durch die Brettener Straße und enthalten sich auf diese Weise das Idyll vor, zu dem Eppingen leicht werden könnte.

Dass die Innenstadt zur Fußgängerzone werden soll, das war zweifelsohne das ursprüngliche Ziel der Stadtplaner. Die Gestaltung der Straße und das neu installierte versenkbare Poller-System, lassen hieran keine Zweifel offen. Auch Bürgermeister Klaus Holaschke würde sich häufiger eine autofreie Innenstadt wünschen – so berichtete er es uns im Hügelhelden-Interview vor ein paar Wochen – stößt aber immer wieder auf Widerstand der Eppinger Händler. Angedacht war seitens der Stadt in einem ersten Schritt, die Einrichtung einer Fußgängerzone „light“ – eine Lösung die zumindest die Schließung der Brettener Straße am Wochenende vorsehen würde. Doch auch dieser kleine zaghafte Schritt, geht dem Handels und Gewerbeverein offenbar zu weit. In einem Schreiben an den Bürgermeister und die Gemeinderäte, das unserer Redaktion vorliegt heißt es hierzu:

„…Wir haben wahrgenommen, dass vorerst nur eine temporäre Sperrung am Wochenende vorgesehen ist, aber schon davon raten wir ab. Insbesondere ist der Schritt von einer temporären Sperrung zu einer fast kompletten Sperrung nur klein…“

Gerade der letzte Satz ist hierbei in besonderem Maße entlarvend. Der Verein rät von einer Sperrung am Wochenende nicht aus sachlichen oder gar wirtschaftlichen Gründen ab, sondern nur aus Angst vor einer daran anschließenden weitergehenden Sperrung, die sich aber daraus in keinster Weise ableitet. Wie Eppingen mit dieser Denkweise die darbende Innenstadt mit neuem Leben füllen soll, ist nach dieser Argumentation kaum vorstellbar. Seitens der Stadt will man das Thema „Fußgängerzone“ nun erstmal nicht antasten, zumindest nicht bevor das neue Parkhaus in der Wilhelmstraße fertiggestellt ist. Um die bewilligten Fördergelder für dieses Multimillonen-Projekt zu erhalten, wäre übrigens ein Baustart noch in diesem Jahr von Nöten. Es bleiben also 134 Tage – schaut man sich das bisherige Tempo dieses Projektes an, muss den geneigten Betrachter zwangsläufig der Mut verlasen. Es bleibt also bei der großen Frage: Quo vadis Eppingen? Wo soll es hingehen? Will man stur an der Vergangenheit festhalten und nach einem Schritt nach vorne wieder zwei zurück gehen, oder kneift man einfach mal die Backen zusammen und schreitet mutig nach vorne ins Ungewisse? Engstirnigkeit, Egoismus und Klienteldenken haben bisher jede Gemeinde irgendwann in die Knie gezwungen – in Eppingen hört man die Kniescheiben schon von Weitem knirschen.

Zu diesem Thema erreichte uns auch ein hochinteressanter Leserbrief des Eppinger Unternehmensberaters Helmut Theessen. Als Mitglied der Eppinger Bürgerinitiative hat er sich bereits in der Diskussion um das turbulente Parkhaus-Projekt mit seinen kritischen und wohldurchdachten Gedanken einen Namen gemacht.

Brettener Straße und Altstadt Eppingen

Es erstaunt schon, mit welcher Entschiedenheit der Eppinger Handels- und Gewerbe  Verein (HGV) sich sich selbst gegen Versuche stemmt, Innovationen zur Erhöhung der Attraktivität der Eppinger Innenstadt zumindest mal zu testen. Anstatt nach Innovationen und neuen Ansätzen zu suchen, verteidigt man die Methoden, die vor ein oder zwei Generationen noch gegolten hatten. Erschreckend viele leerstehende Läden dokumentieren aber, daß der Patient Innenstadt krankt und eine Therapie benötigt.

Das „Gebruddel“ einiger Kunden, meist nur Wichtigtuerei, wird als Verteidigung des fehlenden Unternehmermutes herangezogen. „Nur nichts ändern, es hat der Großvater ja auch schon so gemacht“, scheint   ein Motto der Ängstlichkeit, Unsicherheit und Bequemlichkeit mancher Ladeninhaber zu sein. Wohlgemerkt, mancher, durchaus nicht aller.

Man fürchtet, daß Kunden, anstatt 100 Meter zum Laden zu gehen, lieber 50 km nach Heilbronn fahren, dort 500 Meter gehen und 5€ Parkgebühren zahlen. Wo bleibt die Logik? Auch wird vergessen, daß Geschäfte nicht mit denjenigen Kunden dauerhaft überleben, die sowieso schon kommen, sondern mit denen, die neu akquiriert werden, was nur über Innovation und Attraktion geht.

Gerade im Angesicht des „drohenden“ Hecker-Areales ist aber Innovation gefragt. Erlebniseinkauf in der Innenstadt als Kontrapunkt zur reinen Bedarfsdeckung an der Peripherie. Der reine Warenverkauf in der Brettener Straße, wenn dauerhaft behindert durch die alten Zöpfe der Mittagspause und des frühen Ladenschlusses sowie durch manchmal reduzierte Freundlichkeit, wird den großen Filialisten zum Opfer fallen, viel eher als dem Internet.

Die kleinen Läden können nur betrieben werden mit Nischenangeboten und Erlebniskomponenten als Boutique-Läden und als kleine Verkostungen für Jung und Alt. Dies funktioniert aber nur in einer autofreien Flaniermeile, wo man auch mit Kindern ungestört die Straßenseite wechseln kann und wo die Auslagen nicht durch parkendes Blech verdeckt sind. Eppingen ist nicht zu klein für eine solche Meile. Die vielen Feste und verkaufsoffenen Sonntage dokumentieren die Anziehungskraft Eppingens, der Innenstadt und der Altstadt. Zu den zahlreichen  Filialisten entlang der Bahn kommen ja auch viel mehr, als es den alten Statistiken und Denkweisen nach sein dürfte.

Ausschlaggebend ist das Angebot.  Waren, die wirklich gewünscht werden, ein fachkundiger und freundlicher Service, besonderes Ambiente und eine abwechslungsreiche Erlebniskomponente sind die Bausteine für eine große Anziehungskraft. Solange einige nur an die drei Parkplätze vor dem eigenen Laden denken, anstatt an eine Gesamtkonzeption für alle, wird dies mithelfen, noch mehr Kunden von der Innenstadt Richtung Bahndamm oder in die Fußgängerzonen der Nachbarstädte zu treiben. Die Innenstadt kann nur als Einheit genügend Magnetwirkung entfalten. Darüber sollte sich der HGV einmal konstruktive unternehmerische Gedanken machen, anstatt in Destruktivität zu erstarren.

Helmut Theessen. Eppingen

Download-Link:  Sitzungsvorlage Gemeinderat Eppingen zum Thema inklusive Schreiben des HGV
(Aus dem Archiv) Video: Quo vadis – Eppinger Innenstadt? (März 2016)
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