Gesichtslose Elternproteste in Östringen und Kraichtal
Seit über einem Jahr krempelt die Corona-Pandemie unser aller Leben konsequent von innen nach außen. Einschränkungen muss so ziemlich jeder Mensch in Kauf nehmen, der eine mehr, der andere weniger. Besonders schwierig ist die Situation für Kinder, die seit Monaten in ihrer natürlichen Entwicklung ein Stück weit ausgebremst werden, den Kontakt zu Gleichaltrigen vermissen und durch das wochenlange Homeschooling in manchen Fällen den schulischen Anschluss zu verlieren drohen. Dass viele Eltern sich aus diesen Gründen um ihre Kinder und deren Wohlergehen sorgen, liegt daher auf der Hand. Die Ohnmacht, das Gefühl des Ausgesetztsein und die fehlenden Alternativen, sorgen in vielen Haushalten für Frustration und Wut.
In den letzten Wochen wird daher in den sozialen Netzwerken der Aufruf geteilt, sich an der sogenannten “Aktion Kinderschuhe” zu beteiligen. Dabei werden anonym unzählige Kinderschuhe vor den Rathäusern oder anderen, öffentlichen Einrichtungen aufgestellt, um auf diese Art und Weise auf die Nöte der Kids aufmerksam zu machen. Erst kürzlich wurde dieser Aufruf offenbar auch in Östringen und in Kraichtal beherzigt, denn sowohl vor dem Östringer Rathaus auf dem Kirchberg als auch vor der Grundschule im Kraichtaler Stadtteil Gochsheim fanden sich nach einer anonymen “Nacht-und-Nebel-Aktion” dutzende Kinderschuhe, gesäumt von Plakaten und Bannern. Zu lesen waren hier Schlagworte wie: “Schützt unsere Kinder vor diesem Wahnsinn”, “Kinder sind keine Infektionstreiber” oder “Kinderlächeln statt Masken”.
Doch auch wenn das Anliegen der Eltern durchaus nachvollziehbar ist, muss die Beteiligung an dieser Aktion auch mit einiger Skepsis betrachtet werden. So argumentiert die ursächlich dahinterstehende Initiative “Eltern stehen auf” mit wissenschaftlich nicht haltbaren Argumenten, beispielsweise zur angeblichen Schädlichkeit der Masken bei Kindern oder gegen den sogenannten “Impfwahn”. Im besten Falle als “unsensibel” zu bezeichnen ist auch die Symbolik der Aktion, erinnern die massenhaft platzierten Schuhe doch an jene Szenen, die nach der Befreiung der Konzentrationslager an die Öffentlichkeit gelangten. Die Bilder von unzähligen Kinderschuhen, die nach dem massenhaften Mord an jüdischen Kindern übrig blieben, gingen damals um die Welt.