Bruchsal und sein Hang zur Spargelei
Eine Meinung von Philipp Martin
Liebe Mitbrusler, simma ehrlich – wir leben in einer der schönsten Regionen Baden-Württembergs – in einer Stadt die so vieles zu bieten hat: Mehrere Theater, Musik- und Kunstvereine sorgen für ein reichhaltiges Kulturleben. Tausende von Menschen in Dutzenden von Vereinen bewegen Tag für Tag Kleines und auch Großes. Architektonische Leckerbissen wie das Schloss, das Belvedere oder der mittelalterliche Bergfried versetzen unsere Gäste zurecht in Staunen.
Doch welches Symbol pappen wir uns auf unser Aushängeschild? Den Spargel. Ein farbloses, längliches Gemüse, das nur wenige Wochen im Jahr Saison hat, laut Ernährungswissenschaftler Udo Pollmer so nahrhaft wie ein kleiner Korken ist und ohne fette Soße nur einen bescheidenen Eigengeschmack hat. Hinzu kommt die schlechte Ökobilanz, der hohe Landverbrauch und der Umstand, dass die Ernte meist nur mit billigen Saisonkräften aus dem Ausland zu stemmen ist. Doch Bruchsal adelt seinen Spargel als ob er reinstes, von den Göttern gesandtes Ambrosia wäre. Von „weißem Gold“ wird da von den Marketingmenschen der Stadt gesprochen – es gibt ein „Bruchsaler Spargelerlebnis“ und sogar eine „Bruchsaler Spargel-Gala“. Irgendwie wirkt das alles unfreiwillig komisch, doch wenn man bedenkt, dass auch die Heimattage 2015 in Bruchsal den Spargel zu einem Hauptthema erhoben haben, wird es irgendwie ein bisschen zu skurril. Man fühlt sich an kleine Kuhdörfer in Amerika erinnert, die mit Attraktionen wie dem weltgrößten Wollknäuel werben…. aber Bruchsal ist eben mehr als ein paar Zentimeter weißes Gemüse.
Ich habe nichts gegen Spargel – zwei bis dreimal pro Jahr schmeckt ein Spargelgericht durchaus lecker – aber das Image einer ganzen Stadt daran aufzuhängen will mir dagegen gar nicht munden. Braucht eine Stadt überhaupt ein einschlägiges Motto? Muss Karlsruhe wirklich die Stadt des Rechts sein, nur weil die zwei großen Gerichte dort ihren Sitz haben? Sollte Bretten sich wirklich die Melanchthonstadt nennen, obwohl wahrscheinlich dort kaum ein Mensch unter 50 noch sagen könnte, wer Philipp Melanchthon überhaupt war?
Die Suche nach Individualität
Vielleicht braucht es ja ein solches Aushängeschild, ein Merkmal das uns von anderen unterscheidet. Wir leben immerhin in einer Welt deren große Triebkraft, die allmächtige Globalisierung, Eigenheit am liebsten flächendeckend ausradieren möchte um die Standardisierung zum neuen Goldstandard zu erheben. Manch einer würde vielleicht daher im Zusammenhang mit unserer Spargel-Fixierung den Begriff „identitätsstiftend“ gebrauchen. Doch wie könnte ein weißes Stück Gemüse identitätsstiftend sein? Ist es nicht eher der Mix aus Allem und Jedem, der die Identität einer Stadt ausmacht? Sind es nicht die Menschen, die jeder für sich einen Teil des Puzzles stellen? Ich fände es schön, wenn wir ein simples aber starkes „Wir sind Bruchsal“ nach draußen tragen könnten. Unsere Geschichten erzählen…wer wir sind, wo wir herkommen und wo es vielleicht mal hingehen könnte. So würde doch ein echtes Heimatgefühl aufkommen… und dazu können wir ja meinetwegen auch Sauce Hollandaise reichen.
Zuerst erschienen im Frühjahr 2015
Taj, Herr Martin alles hat eine Kehrseite der Medaille. Und werden Sie glücklich mit Ihrer Sauce Hollandaise und dem gekochten Schinken dazu. Ich persönlich halte mich da gerne an mein großes Kochvorbild: Alain Ducasse, der einige 3 Sterne Tempel sein eigen nennt. Er hat folgendes sehr einfaches Spargel Rezept: 500 gr Grüner Spargel, schwarze Oliven ohne Stein und Parmesan-spähne. Grüner Spargel unten schälen, in mundgerechte Stücke schneiden. In einer Pfanne mit Butter anbraten, der Pfanne entnehmen. auf einem Teller zusammen mit den Oliven und den Parmesanspänen anrichten. Bon appetit.
Frei nach Gernot Haßknecht: „Das Zeug schmeckt noch nicht mal!“
Und mit Sauce Hollandaise scheckt alles…und biß in eine mit der Sauce übergossene Zeitung.
Lecker!