Die Fahrt zur Schule dürfte so manche Corona-Strategie an unseren Schulen ad absurdum führen
Sind wir ehrlich, die Fahrt im Schulbus war noch niemals ein Zuckerschlecken. Die coolen Kids belegen notorisch die hintere Bank, wer zu spät kommt, der steht oder sitzt auf dem Boden und beim Ein- und Aussteigen gilt es geschickt wuchtigen Tornistern oder Rucksäcken auszuweichen. In Zeiten der Corona-Pandemie ist die Fahrt in einem nicht selten rammelvollen Schulbus aber nicht nur ein kleines Ärgernis wie bereits schon vor der Krise, sondern wächst sich zum Problem aus. Wenn dutzende Kids Wange an Wange, bei geschlossenen Fenstern und erfahrungsgemäß zumindest teilweise unter Missachtung der Masken-Pflicht unterwegs sind, kann das Hygienekonzept an den Schulen so gut sein wie es will – dem Virus ist es schließlich egal wo es weitergegeben wird.
Ob die Schulen bzw. deren Träger diese Schwachstelle ausreichend berücksichtigt und mit entsprechender Priorität auf dem Schirm haben, darf nach Rückfrage beim Karlsruher Verkehrsverbund zumindest mit einem Fragezeichen versehen werden. Wie wir beim KVV in Erfahrung bringen konnten, hat eine entsprechende Bedarfsabfrage des Unternehmens bei den Schulen nur zu Rückmeldungen im einstelligen Prozentbereich geführt. Die überwältigende Mehrheit aller Schulträger hat demnach auf die Anfrage des KVV überhaupt nicht erst geantwortet.
Nun muss man den Schulen selbstverständlich zugute halten, dass auch sie wie der Rest der Gesellschaft vor einer Aufgabenstellung stehen, die es in der Geschichte dieses Landes bisher noch nie in dieser Form gegeben hat. Nach Anordnung des Kultusministeriums muss jede Schule in Baden-Württemberg ein Hygienekonzept erstellen, das maßgeschneidert auf die individuellen Anforderungen vor Ort abgestimmt ist. Schulen moderner Bauart mit großzügigen Platzverhältnissen, tun sich hier natürlich leichter als alte Einrichtungen mit engen Fluren und kleinen Klassenzimmern. Pragmatisch hat Stuttgart aber zumindest den schulischen Alltag in Sachen Interaktion zwischen den Kids geregelt: Abstandsgebote für Schüler sollen im kommenden Schuljahr komplett entfallen, die Maskenpflicht gilt lediglich auf Fluren und Plätzen, nicht aber während des Unterrichts. Dafür soll dieser Unterricht aber in weitestgehend voneinander getrennt arbeitenden Verbänden und Lerngruppen abgehalten werden, damit im Falle einer Infektion nicht gleich der komplette Schulbetrieb stillstehen muss. Spätestens dann, wenn Schüler aus unterschiedlichen Klassen und Lerngruppen aber auf der Rückfahrt im Bus wieder Seite an Seite auf kleinstem Raum ausharren müssen, wird klar dass dieses Konzept nicht vollumfänglich schlüssig ist.
Doch selbst wenn alle Schulen auf die Bedarfsabfrage der Verkehrsbetriebe reagiert und doppelt so viele Busse wie bisher angefordert hätten, bliebe Ihnen dieser Wunsch mit hoher Wahrscheinlichkeit verwehrt. Wie uns das Landratsamt Heilbronn erläutert, gäbe es zwar durch die Flaute in der Reisebranche theoretisch genügend Busse, nicht aber genügend Personal um diese im benötigten Intervall und Takt zu fahren. An einen reibungslosen Start ins nächste Schuljahr glaubt auch KVV-Sprecher Nicolas Lutterbach nicht wirklich und fügt pragmatisch an: “Es wird holpern.” Dass hier und da nachjustiert werden muss, davon geht der Verkehrsverbund in jedem Fall aus. “Es gibt immer Manövriermasse, doch unbegrenzte Kapazitäten haben auch wir nicht”, so Lutterbach weiter. Auch Pressesprecherin Tamara Waidmann vom Landratsamt Heilbronn führt aus: “Bei den Schülerfahrten im ÖPNV werden grundsätzlich größtmögliche Fahrzeuge (Gelenkbusse oder sogar zusätzliche Verstärkerbusse) eingesetzt. Weitere Buskapazitäten sind derzeit nicht vorgesehen, weil die dafür erforderlichen Kapazitäten auf das gesamte Kreisgebiet bezogen nicht vorhanden sein dürften.”
In den Kraichgauer Städten und Gemeinden hat man das Thema selbstredend auf dem Schirm und will dort entgegensteuern, wo es eben innerhalb der möglichen Kapazitäten machbar ist. Hauptamtsleiter Wolfgang Braunecker von der Stadt Östringen will die Einhaltung der Maskenpflicht in den öffentlichen Verkehrsmitteln im Blick behalten, verweist aber auch zurecht auf ein weiteres Puzzlestück in dieser verfahrenen Angelegenheit: “Im zu Ende gegangenen Schuljahr 2019/2020 hat sich allerdings auch gezeigt, dass doch recht viele Schülerinnen und Schüler in Corona-Zeiten aufs „Eltern-Taxi“ ausweichen. Auch das hat wohl dazu beigetragen, dass die verfügbaren Bus-Kapazitäten bei uns (nach einer gewissen Anlaufzeit) ausgereicht haben.” Solange also Eltern ihre Kinder tagtäglich direkt zur Schule fahren, entlastet dies natürlich die öffentlichen Verkehrsmittel, der Preis dafür ist aber hoch: Neben den nicht von der Hand zu weisenden ökologischen Auswirkungen, ergibt sich dadurch auch ein verzerrtes Bild was den eigentlichen Bedarf an Bus- und Bahn-Kapazitäten angeht.
Fazit: Eine Lösung für dass sich bereits jetzt abzeichnende Problem einer durchweg ungünstigen Korrelation von überfüllten Bussen und einer unvermindert aktiven Pandemie, gibt es zur Stunde noch nicht. So wird es vermutlich darauf hinauslaufen, die ersten Schulwochen zu beobachten und dort nachzusteuern wo es eben machbar und umsetzbar ist. Zumindest ein paar Joker werden sich ziehen lassen – die KVV will z.B. ihre sogenannten Winter-Verstärker – zusätzliche Busse, die normalerweise erst in der kalten Jahreszeit zum Einsatz kommen – in diesem Jahr schon früher auf die Straße bringen.
Das mit den zusätzlichen Bussen ist ja vielleicht noch machbar. Wie sieht es aber mit Stadtbahnen aus? Wir wohnen im Kraichtal und meine Kinder fahren um 7.06 Uhr immer mit der Bahn nach Bruchsal, welche spätestens in Ubstadt immer rappelvoll ist.