Unterwegs auf dem einzigen Klettersteig im nördlichen Schwarzwald – Abenteuer “Karlsruher Grat”
von Stephan Gilliar
Ich bin eigentlich “erst” Anfang 40, aber als ich mich an diesem Montagmorgen aus dem Bett erhebe, schmerzt so ziemlich jeder Muskel.. auch solche, die ich bislang gar nicht kannte. Ganz grundlos rebellieren meine mittelalten Knochen allerdings nicht, schließlich habe ich ihnen am Wochenende einiges zugemutet. Hinter mir liegt eine Wanderung (oder vielmehr eine Kletterung), die ich gleichermaßen als wunderschön wie auch als Horrortrip in Erinnerung behalten werde. Weil er vom Wandermagazin kürzlich als schönste Tagestour nominiert wurde, wollte ich mir unbedingt einmal den Karlsruher Grat im Nordschwarzwald bei Ottenhöfen aus der Nähe anschauen. Ich wandere schrecklich gerne – liebe es über alles – ganz alleine mit mir, möglichst abgelegen durch die Natur zu stromern, alles in mich aufzunehmen und dabei geistigen Müll und seelischen Ballast ablassen zu können.
Nach all den Jahren würde ich mich eigentlich als halbwegs erfahrenen Wandersmann bezeichnen, der Karlsruher Grat hat mich aber eines besseren belehrt. Ich mag vielleicht ein guter Wanderer sein, ganz sicher aber kein guter Kletterer. Die etwa 12,5 Kilometer lange, offizielle Strecke, die über eine Höhendistanz von 640 Metern führt, hat mich trotz ihrer Schönheit schon nach einer halben Stunde in Schweiß ausbrechen lassen. Gefühlt ging es stundenlang die ganze Zeit über steil bergauf, trotz der kühlen Temperaturen war ich nach kürzester Zeit von Kopf bis Fuß klatschnass.
Aber der Reihe nach. Wer auf dem Karlsruher Grat wandern möchte, der hat mehrere mögliche Einstiegspunkte. Ich selbst habe mich für die Wasserfälle am Gottschlägbach am Edelfrauengrab bei Ottenhöfen entschieden. Hier gibt es ein paar wenige Parkplätze direkt an einem verlassenen Gasthaus. Um dorthin zu kommen muss man das Gelände eines Steinbruchs überqueren, Ortskundige haben mir aber versichert, das sei der einzige befahrbare Weg. Von hier aus landet man schon nach wenigen Metern am Fuße der Wasserfälle, die wahrhaft beeindruckend und wunderschön sind. Wie so ziemlich um alles im Schwarzwald, rankt sich auch um die Fälle die eine oder andere Sage. Nachzulesen auf entsprechenden Tafeln im bemoosten und tropfenden Felsmassiv rechts und links des Wassers. An den Fällen entlang gibt es eine gut begehbare Treppe, die die Marschrichtung im Grunde für den ganzen Rest der Route vorgibt: Steil nach oben. Am besten Sie wandern mit wenig Gepäck. Vergessen Sie aber nicht reichlich Flüssigkeit einzupacken, die sie – falls sie ähnlicher Kondition sind wie ich – diese eins zu eins wieder ausschwitzen werden. Netterweise haben entlang der Route ein paar der Schwarzwaldhöfe kleine Wegzehrungsstationen aufgebaut, an denen Getränke über die Vertrauenskasse erworben werden können. An diesem Wochenende waren die Erfrischungsgetränke leider aus, so dass nur selbstgebrannter Obstler zur Verfügung stand. So gerne ich auch mal einen hebe, mit brennenden Lungen und schweißnasser Stirn war es mir nicht nach ein paar Kurzen.
So schob ich mich den Pfad immer weiter steil nach oben, bis ich schließlich am Herzstück der Route, dem eigentlichen Karlsruher Grat ankam. Im Grunde handelt es sich dabei um ein Massiv, bestehend aus zerklüfteten, scharfkantigen Fels. Ursprünglich trug die Formation einmal den Namen Eichhaldenfirst, doch weil so viele Wanderer aus Karlsruhe hierher und nicht selten auch gleich zu Tode kamen, benannte man sie zu Ehren der Gefallenen irgendwann um. Letzteres habe ich erst im Nachgang erfahren, sonst hätte ich vermutlich die ausgeschilderte Umgehung verwendet und wäre nicht wie eine übergewichtige und arthritische Gams über das steinerne Hochland geklettert. Aber was soll’s, man lebt nur einmal, ich habe es durchgezogen. Mit einigen Schnittwunden in den Händen -Handschuhe wären eine gute Option gewesen – kam ich schließlich auf allen Vieren am höchsten Punkt an. Die Kletterpartie war äußerst fordernd, vor allem mit dem steil abfallenden Hang zu meiner Rechten, an dessen Fuße die Bäume wie Spielzeuge aussahen.
Belohnt für die Plackerei wird man mit einem grandiosen Ausblick über das ganze Tal, die im Nebel hängenden Baumwipfel und sogar etwas Restschnee hier und da. Genießen Sie dieses Panorama, schließlich kommen sie vermutlich nicht noch einmal hierher, falls ihr Selbsterhaltungstrieb weitestgehend intakt sein sollte. Aber ohne Spaß: In jedem Fall sind für den Trip ganz nach oben extrem gutes Schuhwerk und eine trockene Witterung zu empfehlen.. ein Fehltritt kann hier ganz schnell der letzte sein, das ist nicht einfach nur flapsig daher gesagt. Siehe auch die oben angeführte Geschichte der Namensgebung.
Der nächste Streckenabschnitt ist besonders fies, weil er suggeriert, man hätte das Schlimmste bereits hinter sich gebracht. Eine ganze Weile geht der Weg nun wieder talwärts um direkt anschließend steil – und damit meine ich wirklich steil – nach oben zu führen. Ich musste tatsächlich alle 100 Meter eine Pause mit dem Hintern auf dem nassen Waldboden einlegen, weil meine Pulsuhr beständig panische Alarmtöne von sich gab. Hat man diese Passage hinter sich gebracht, landet man beim historischen Gasthaus Bosenstein mit einem ebenfalls wunderbaren Ausblick. Blöd ist aber, dass das Gasthaus mittlerweile kein Gasthaus mehr ist. Sehr schade, da der Gastronomiebetrieb hier seit Mitte des 19. Jahrhunderts bestand. Ich will ehrlich sein, für einen schäumendes Radler wäre ich in diesem Moment durchaus zu begeistern gewesen. Zu einer möglichen Alternative, nachher mehr.
Also weiter im Text und auf der Route, vorbei an noch stattlicheren Schneehaufen und regennassen Bergwiesen. Ganz unerwartet stieß ich dann noch auf mein persönliches Highlight der Route, dem Aussichtspunkt Herrenschrofen. Hier gibt es eine kleine Hütte für Wanderer und ein steinernes, über die Felskante herausragendes Podest, gesichert mit einem Geländer. Von hier aus können Sie den Blick viele Kilometer weit über das Land schweifen lassen, ein wahrhaft erhebender und majestätischer Moment. Ich bin offenbar nicht der erste Nordbadner hier oben, Aufkleber vom KSC und der TSG künden von früheren Besuchen meiner Artgenossen.
Von hier aus führt der Weg nun entweder zurück nach Ottenhöfen, oder – diese Variante habe ich gewählt – über einen kleinen Schlenker zu einer alten Bergstation eines ehemaligen Skiliftes. Hier gibt es eine kleine Selbstbedienungsgastronomie mit dem Schwarzwälder Namen “s‘ alte Lifthisli”, wo man tatsächlich in alten Liftgondeln Platz nehmen kann. Für mich eine schöne Belohnung nach den Strapazen des Aufstieges und ein schöner Abschluss dieser Tour. Der Weg ins Tal: Nicht der Rede wert – steil nach unten und auf weichem Waldboden wie auf Wolken wandeln.
Aus dem Archiv – erstmals erschienen im Februar 2022
Vielen Dank für die wundervollen Fotos und Ihren Bericht. Da ich NICHT schwindelfrei bin fällt diese Wanderung und Kletterei wegen Bodennebels für mich aus. Trotzdem DANKE für das Erlebnis das Sie für uns als Leser teilhaben lassen.
Hallo Helmut, die kniffligen Passagen können problemlos auf der „Waldseite“ des Grates umgangen werden. Lass dich bloß nicht davon abhalten!!
Ich musste während des Lesens schmunzeln: die Beschreibung entspricht wirklich 1:1 meinem Empfinden, das ich während meiner Tour im vergangenen Jahr hatte.
Es ist eine unglaublich schöne Strecke, aber wirklich sehr fordernd und stellenweise schlichtweg gefährlich.
Im Nachhinein war ich sehr erstaunt, das im Vorfeld wenig bis gar nicht auf den extremen Schwierigkeits- und Gefährlichkeitsgrad hingewiesen wird.
Es geht steil, steinig und hoch hinaus und das ohne Sicherungsmöglichkeiten.
Da nutzt auch die Umgehungsmöglichkeit nichts, irgendwann gibt es keine Möglichkeit zum Ausstieg mehr.
Erstaunlich, das dort nicht mehr passiert.
Nichtsdestotrotz ist es ein Erlebnis und Abenteuer – unvergesslich!
Ich danke für den schönen Tourbericht – er hat mir einen flashback bereitet.
Also für mich is das auch nix.
Auch wenn die Bilder toll sind!
Jetzt bin ich aber froh dass es nicht nur mir so ergangen ist. Dachte schon ich bin ein Weichei. Wunderschöne Wanderung, aber über den Grad selber hab ich mir fast in die Hose gemacht. Wundert mich auch dass da nicht mehr passiert. Zumal da einige mit Kindern drüber geklettert sind.
Hallo liebe Wanderfreunde,
ich bin jetzt 55 Jahre alt und es war mir eine Freude diesen Weg zugehen. Leider kann ich die „schrecklich“ Eindrücke nicht teilen. Als ich den Karlsruher Grat im letzten Sommer bei 30° gemacht habe, habe ich auch geschwitzt, aber nicht vom klettern sondern von der Sonne. Natürlich ist der Karlsruher Grat ist nicht zu unterschätzen, aber wer einigermaßen fit ist, kann in ohne Probleme machen. Die Wanderfreunde die mit piepsender Pulsuhr unterwegs sind, empfehle ich den weniger anspruchsvollen Schlossgarten von Karlsruhe, ist wirklich auch sehr schön und nicht so anstrengend.
Viele Grüße ;-)
Der Karlsruher Grad ist zweifellos eine Herausforderung, aber er ist zu schaffen, wenn man folgendes „im Gepäck“ hat:
– Schwindelfreiheit
– Trittsicherheit
– gutes festes Schuhwerk
– gute Kondition
– Wasser
Eine wirklich wunderschöne Tour mit vielen Highlights, welche wir vor einigen Jahren genau so gemacht haben, wie im Bericht beschrieben.
Stimmt alles ganz genau und danke für diese kl. Erinnerung an den karlsruher Grad.
Vielen Dank für den tollen Beitrag und die Bilder. Ich war in der Schulzeit, als Wandern noch Pflichtprogramm war, auf dem Karlsruher Grad. Kann mich aber nicht mehr erinnern das es so anstrengend gewesen ist🙄. Wir wollten die Tour eigentlich mal machen….aber ich glaube das muss ich mir gut überlegen. Obwohl ich auch sehr gerne und viel wandere.
Vielen Dank für den tollen Beitrag und die Bilder. Ich war in der Schulzeit, als Wandern noch Pflichtprogramm war, auf dem Karlsruher Grat. Kann mich aber nicht mehr erinnern das es so anstrengend gewesen ist🙄. Wir wollten die Tour eigentlich mal machen….aber ich glaube das muss ich mir gut überlegen. Obwohl ich auch sehr gerne und viel wandere.
Weicheier!
Aber ich bin froh, wenn da net so viele hinfahre und rumlatsche!