Ein Witz auf zwei Rädern

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Der sogenannte Schutzstreifen kann nur ein ein Scherz auf Kosten der Radfahrer sein

Ein Kommentar von Philipp Martin

Was ist schmal, gestreift und wird geflissentlich von den meisten Autofahrern ignoriert? Kleiner Tipp, es ist kein unterernährtes Zebra, sondern der sogenannte Schutzstreifen für Radfahrer, der in immer mehr Kommunen im Kraichgau munter auf die Fahrbahnränder gepinselt wird. “Weniger Unfälle” oder einen “deutlichen Sicherheitsgewinn” attestierte bereits vor 10 Jahren das Ministerium für Verkehr und Infrastruktur Baden-Württemberg den Schutzstreifen, das Landratsamt Karlsruhe verweist indes auf wissenschaftliche Untersuchungen und schreibt: “Radeln auf der Fahrbahn im fließenden Verkehr ist sicherer als auf den schmalen Rad- oder Gehwegen mit einer Vielzahl von Hindernissen und Gefahrenquellen. Untersuchungen zeigen, dass sich 90 % der Unfälle im Radverkehr im Seitenbereich ereignen, also auf Rad- oder Gehwegen.”

Auch auf die naheliegende Vermutung, Schutzstreifen würden nur angelegt, um Geld zu sparen, gibt die Behörde gleich proaktiv Antwort und verweist erneut auf die gerade angeführte Studie von 2013.

Kurzum, Schutzstreifen sind eine tolle Sache, eine echte Win-Win-Situation, bieten mehr Sicherheit und vermindern die Zahl der Unfälle. Ich will ehrlich zu Ihnen sein, diese Faktenlage deckt sich nicht im Mindesten mit meinen Erfahrungen als Zweiradfahrer. Wer sich bewusst und ganz in Ruhe ansieht, wie Autofahrer mit dem sogenannten Schutzstreifen interagieren, der kann sich eigentlich nur die Haare raufen. Zwar dürfen die Schutzstreifen im “Bedarfsfall” kurzfristig befahren werden, beispielsweise um dem Gegenverkehr auszuweichen, aber kaum jemand scheint diese Regel wirklich zu kennen. Usus ist vielmehr, dass Autofahrer in beiden Fahrtrichtungen beständig auf den Schutzstreifen fahren – zumindest nach meinen tagtäglich erneuerten Eindrücken.

Auch wenn die Unfallstatistiken vielleicht eine andere Sprache sprechen, ist doch das subjektive Sicherheitsempfinden auf einem Schutzstreifen kaum existent, so zumindest mein Eindruck. Auch wenn in geschlossenen Ortschaften ein Mindestabstand von 1,5 Metern beim Überholen von Radfahrern einzuhalten ist, halten sich sehr viele Autofahrer nicht daran. Ich kann nicht mehr zählen, wie oft ich von Autos und noch schlimmer von schweren Lastwagen derart hautnah überholt wurde, dass der Fahrtwind mein leichtes Zweirad regelrecht ins Schwanken gebracht hat. Im Kraichgau werden besagte Schutzstreifen gerne auch mal auf Bundesstraßen gepinselt, so dass man als Radfahrer über lange Strecken quasi Schulter an Schulter mit Autos und LKWs unterwegs ist. Unnötig zu erwähnen, wer im Falle einer Kollision ohne jeden Zweifel den Kürzeren ziehen würde. Aber hey,wie war das noch…? “Radeln auf der Fahrbahn im fließenden Verkehr ist sicherer als auf den schmalen Rad- oder Gehwegen mit einer Vielzahl von Hindernissen und Gefahrenquellen.” Jetzetle!

Teilweise sind die aufgebrachten Schutzstreifen ein echter Witz, beispielsweise am berühmt-berüchtigten Neff-Kreisel in Bretten. Hier wälzen sich den ganzen Tag große LKWs entlang, deren Auflieger in der Kurve gerne mal großzügig über den Straßenrand hinaus schwenken. Alleine die Vorstellung, in diesem Fall nur mit einem Radhelm geschützt “cheek to cheek“ mitten in der Blechlawinen radeln zu müssen, verursacht mir Übelkeit. Ein echter Alptraum wäre zudem, mein Kind hier unterwegs zu wissen. Never ever!
Liebe Leserinnen, liebe Leser, ich bin mir durchaus bewusst, auf welch dünnem Eis ich hier argumentativ unterwegs bin. Die Einführung der Schutzstreifen stützt sich auf Untersuchungen eines renommierten Verbandes, die Faktenlage spricht also ganz klar gegen meine – im Wesentlichen auf emotionsgeschwängerten, subjektiven Eindrücken basierende Position. Dennoch nichts für ungut, das musste heute – nach einer weiteren Nahtoderfahrung auf dem sogenannten „Schutzstreifen“ – einfach hinaus.

Insofern kann ich nur für mich sprechen, kann Ihnen als Zweiradfahrer meine Meinung wiedergeben. Diese lautet unumwunden: Der sogenannte Schutzstreifen ist ein Scherz auf Kosten der Radfahrer. Er ist in meinen Augen ein billiger und leicht zu durchschauender Versuch, das Thema Verkehrswende lieblos und ohne Ehrgeiz oder Kosteneinsatz nur der Form halber umzusetzen. Er jubelt Radfahrern keine vollwertige Lösung unter, mit der das Radfahren in den Städten und Kommunen auch nur halbwegs interessant werden könnte. Er macht es sich leicht, lässt die vollständige Dominanz der Autos auf unseren Straßen gänzlich unangetastet und völlig außen vor.. Er ist unambitiontert, billig und in meinen Augen eine Verhöhnung jeden Verkehrsteilnehmers, der mit seiner Art der nachhaltigen Mobilität dem überall um uns herum fortschreitenden Umweltdrama etwas entgegensetzen möchte.

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11 Gedanken zu „Ein Witz auf zwei Rädern“

  1. Du kannst so viele Schilder aufstellen wie du willst. Du kannst auch so viele Streifen auf die Straße malenso viel du möchtest. Das einzige und wichtigste, ist die gegenseitige Rücksichtnahme und diese ist in den letzten Jahren abhanden gekommen. Nicht nur im Straßenverkehr. Das ist leider Fakt

  2. Unterschreibe ich völlig, aber zusätzlich verringert der „Schutzstreifen“ tatsächlich den Überholabstand, weil viele Autofahrer glauben, dass dann die 1,5m nicht gelten.

    Nicht ohne Grund heißen die Dinger in Belgien „Moordstrookje“ (Mordstreifen)

  3. Ihre Erfahrungen und Gefühle werden sicherlich nicht nur von mir geteilt. Wobei ich auch schon tolle, höfliche und rücksichtsvolle AutofahrerInnen erlebt habe, aber leider zu selten. Ich glaube aber fest daran, dass wir in nicht einmal 20 Jahren auch da sein werden, wo andere Länder jetzt schon sind.

  4. Nun, wie soll das mit den Schutzstreifen funktionieren? Die Straße wird ja nicht breiter, nur weil jetzt Schutzsteifen aufgemalt werden. Da machen es sich die zuständigen Verwaltungen und Behörden mal wieder ganz einfach. Sollens doch die Auto- und Radfahrer unter sich regeln, Hauptsache der Fiskus spart Geld.
    Helfen kann nur gegenseitige Rücksichtnahme, was auch vor den Schutzstreifen schon notwendig war!

  5. Als leidenschaftlicher Radfahrer kann ich nur bestätigen: das ist nur eine schöne Malerei auf der Straße, ohne jeglichen Nutzen für den Radfahrer. Aber die Kommunen können sich halt auf die Schulter klopfen weil sie ja etwas für Radfahrer gemacht haben. Ein sicheres Gefühl habe ich durch die Streifen definitiv nicht.

  6. Stimme allem zu.
    Vor allem dem Artikel.
    Und diese pseudowissenschaftlichen Infos aus diesem Landratsamt.
    Dort wird ALLES kaputt gespart!
    Wie oft wurde auf Grund der Erkenntnisse dieses Amtes schon die Beschilderung am Landskopf zwischen Menzingen und Münzesheim geändert/gewechselt/ entfernt oder wieder angebracht?
    Mit Kompetenz hat das Ganze nichts zu tun!
    Und wir alle zahlen diese Späße noch.
    Im Zweifelsfall mit dem Leben, als Radfahrer Rollerfahrer, Fußgänger…
    Und da hört der Spaß auf!!!

  7. Bin ganz ihrer Meinung.

    Zusätzlich glaube ich, dass es zumindest ein wenig hilft, überhaupt darauf hin zu weisen, dass Fahrräder grundsätzlich vorhanden sind.
    Fahrräder? Auf der Landstraße? Die ist doch nur für PKW/LKW da, oder etwa nicht?
    Mit dem – zugegebenermaßen lumpigen – Schutzstreifen (Autokorrektur macht da „Schmutzstreifen“ draus) ist der Radverkehr wenigstens sichtbar. Nach dem Motto: Ja, Fahrräder dürfen hier auch fahren. Somit besser als nicht.

    • Diese im Text und in den Kommentaren beschriebenen Erfahrungen musste ich ebenfalls schon zuhauf über mich ergehen lassen. Neu aufgemalte Fahrradschutzstreifen sind vor allem gut gemeint, was bekanntlich das Gegenteil ist von gut. In relativ engen Straßen in städtischer Umgebung fahren die motorisierten Verkehrsteilnehmer meistens ohne den geforderten Seitenabstand von 1,5 Metern an den Fahrrädern vorbei. Denn diese sind ja dann praktisch auf einer eigenen Fahrspur unterwegs. Dass diese weiterhin als Parkfläche, Abstellplatz für Mülltonnen, Umzugskisten, Baucontainer usw. missbraucht wird, trägt ein Übriges zur Verschärfung der Situation bei. Es bleibt einem als Radfahrer nur, selbstbewusst und auch mal stur zu bleiben, notfalls so, dass man an gefährlichen Stellen nicht überholt werden kann und somit auch nicht überfahren wird. Viel Autofahrer meinen halt, dass sie mit 4 Rädern und viel Blech drumherum automatisch mehr Rechte hätten.

  8. In der Tat sind die aktuellen Schutzstreifen zu schmal, sie werden zugeparkt, zu wenig Abstand zum ruhenden Verkehr, der Seitenabstand wird eher schmaler, weil Autofahrer sich an der Linie orientieren.
    Besser ist es nach meinem Gefühl geworden, wo nach dem Pinseln der Schutzstreifen der Mittelstreifen entfernt wird.
    Beim ADFC gibt es eine Zusammenfassung einer Studie der Unfallforschung der Versicherer (https://www.adfc.de/artikel/sicherheit-von-radfahrstreifen-und-schutzstreifen).

  9. Als Vielradfahrer gebe ich dem Autor fast durchweg Recht. Die Schutzstreifen werden oft dauerhaft überfahren oder oder gern auch als Parkplatz genutzt. Auch ich fühle mich unsicher.

    In einem Punkt widerspreche ich aber. Am sogenannten Neff Kreisel in Bretten gibt es im Kreisel KEINEN Schutzstreifen für Radfahrer. Und somit ein umfassendes bsp. Hier muss ich mich als Radfahrer im Verkehr vorher einfädeln und im Kreisel so in der Mitte fahren, dass mich kein Auto oder LKW überholen kann. Dann komme ich sicher durch den Kreisel. Ich weiß aber auch, dass das Sicherheitsempfinden sehr unterschiedlich ist. Ich komme gut damit klar.
    Wenn schon ein Brettener Beispiel bzgl. Schutzstreifen sein soll, dann bitte am Alexanderplatz ortsauswärts. Ein Grauen. :-)

  10. Hallo, das heißt Radstreifen, weil man als Radler dort gestreift wird. Einen Schutz konnte ich noch nicht erleben, deshalb meide ich diese Straßen.ist das der eigendliche Grund für den Rűckzug der Unfälle?!

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