Mitten im Hardtwald findet sich mit dem Kohlplattenschlag ein geschützter Rückzugsraum für Pflanzen und Tiere.
Ein Erfahrungsbericht über die Schönheit unberührter Natur und über das Fehlen menschlichen Respekts ihr gegenüber von Philipp Martin
Ein warmer Frühlingstag im April – Ich wandere entspannt die asphaltierte Straße aus Graben hinaus, lasse die letzten Häuser hinter mir. Vor mir zieht sich der Weg kerzengerade über das flache Land der oberrheinischen Tiefebene. Eine Brücke führt mich über die tosende Bundesstraße, irgendwann taucht vor mir ein Waldstück auf. Auf den ersten Blick sieht es aus, wie jeder andere Wald, nichts lässt darauf schließen, welche Wunder sich in seinem Inneren verbergen. Betreten lässt sich der bereits jetzt üppig-grün blühende und duftende Forst nicht, ein massiver Zaun umläuft das gesamte Areal. Doch insgesamt drei Aussichtspunkte, sollen dem achtsamen Besucher dennoch einen kleinen Einblick in die Welt des Kohlplattenschlags ermöglichen. Nach einer kurzen Wanderung entlang des Perimeters, stoße ich auf den ersten dieser Aussichtspunkte. Es handelt sich dabei um eine massive, auf Stelzen errichtete Holzhütte, zu deren beiden Eingängen eine Holztreppe hinauf führt. Ich betrete das Halbdunkel der Hütte, nehme auf einer Holzbank Platz und öffne vorsichtig eine der Luken in der vorderen Front.
Das Bild, dass sich mir eröffnet, lässt sofort meinen Pulsschlag um mehrere Schläge pro Minute nach unten sinken, ein Gefühl des Friedens und der Entspannung breitet sich in mir aus. Ich blicke auf eine Szenerie, der ich ohne Umschweife Attribute wie “wunderschön” oder “paradiesisch” zuschreiben möchte. Vor mir liegt das Naturschutzgebiet “Kohlplattenschlag” in seiner ganzen Schönheit. Bevor ich Ihnen aber beschreibe, was dieser Ort ist, möchte ich Ihnen zunächst aber eindrücklich sagen, was er nicht ist: Es ist kein Ort der Lautstärke, kein Ort des Feierns, kein Ort der Rücksichtslosigkeit, kein Ort für tobende Kinder, umher streunende Hunde, Abfall oder Zigarettenkippen. Es ist vielmehr ein Ort, an dem Menschen eine absolut bedeutungslose Rolle spielen, sich dem Wesen und Wirken der Natur bedingungslos unterordnen sollten. Diese fast 50 Hektar gehören einzig und allein den Tieren und Pflanzen, ein kleiner und begrenzter Schutzraum, in dem sie sich ungestört und abseits jeden menschlichen Wirkens entfalten können.
Vor 37 Jahren wurde das Naturschutzgebiet ausgewiesen, dessen Herz und Seele der große See und die darin befindliche Insel ist. Hier haben Wasser-, Wat- und Zugvögel eine Heimat gefunden, hier können Sie in Ruhe brüten und rasten. In der wilden und unberührten Natur finden sich Eisvögel, Haubentaucher, Kibitze, Flussregenpfeifer, Neuntöter und Mittelspechte. An den Ufern tummeln sich Froschlurche Laubfrösche, Eidechsen und Feuersalamander. Seinen Namen verdankt der Kohlplattenschlag übrigens den alten Köhlern, die hier vor Jahrhunderten im Wald mit ihrem Meilern Kohle erzeugten, danach wurde hier jahrelang Kies abgebaut. Heute ist das gesamte Areal ein ausgewiesenes FFH-Gebiet, dass es besonders und intensiv zu schützen gilt. Wer hier zu Gast sein möchte, der hat sich in Respekt und Demut zu nähern. Als Belohnung erhält man unvergessliche Eindrücke eines heilen und unberührten Stückes Natur. Überall finden sich Tiere, die man ansonsten nur selten zu sehen bekommt. Für Fotografen sind die drei Aussichtspunkte eine echte Offenbarung, mit etwas Geduld lassen sich hier wunderbare Motive finden und einfangen.
Leider halten sich offenbar nicht alle Besucher an die eigentlich selbstverständlichen Grundregeln. Unter den Luken der Aussichtspunkte finden sich Bierflaschen und Unrat, ein Stück der Zaunanlage wurde mutwillig eingedrückt. Eine Art von Respektlosigkeit, zu der nur der Mensch fähig ist. Daher hier erneut mein eindringlicher Appell: Bitte respektieren Sie die Ruhe und das Schutzbedürfnis von Flora und Fauna. Nehmen Sie stattdessen vor einer der Luken Platz, legen Sie Ihr Kinn auf die verschränkten Arme und nehmen Sie alle Sinneseindrücke klar und ungefiltert wahr. Atmen Sie durch, lauschen Sie den Geräuschen der Tierstimmen, dem leisen Wellengang und dem Rauschen des Windes im Schilfgras. Ich verspreche Ihnen – wenn sie auch bis dahin nichts Substantielles mit dem Begriff “Harmonie” verbunden haben, danach werden sie diesem Wort eine völlig, neue Bedeutung beimessen.