Die Rückkehr des Silberrücken

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Eigentlich war der dienstälteste Stadtwerke-Chef Deutschlands schon längst im Ruhestand, doch dann ereilte ihn ein Hilferuf aus Bruchsal.

von Stephan Gilliar

Als Eberhard Oehler vor ein paar Jahren in den Ruhestand verabschiedet wurde, war er der dienstälteste Stadtwerke-Chef in Deutschland. Knapp 3 Jahrzehnte lang hatte er zuvor die Stadtwerke Ettlingen geführt und zu einer echten Größe aufgebaut. Ihn als versierten Branchenkenner zu bezeichnen, wäre also beileibe nicht zu dick aufgetragen. Den Großteil seines Lebens hat er in den Dienst der Stadtwerke gestellt, zuerst in Hockenheim, dann in Ettlingen und nun in Bruchsal. Dabei war die letzte Station eigentlich nicht eingeplant, doch im Leben kommt es bekanntlich gerne mal anders als man denkt.

Was machen Sie heute in einem Jahr? Diese Frage stellte man Eberhard Oehler im hauseigenen Kundenmagazin der Stadtwerke Ettlingen an seinen letzten Arbeitstagen. Der Befragte antwortete ganz eins mit der CI: “Dann hoffe ich, gesund und entspannt auf nahezu 30 Jahre verantwortliche Tätigkeit für die Stadtwerke Ettlingen zurückblicken zu können.” Wahrscheinlich hätte er auch das gleiche geantwortet, wäre der Betrachtungszeitraum der Frage auf drei Jahre ausgedehnt worden, doch aus heutiger Sicht hätte die Antwort in diesem Fall lauten müssen: “Ich werde aus dem Ruhestand zurückkehren um die ins Schlingern geratenen Stadtwerke Bruchsal zurück auf Kurs zu bringen.”

Denn genau das hat er getan und tut er zur Stunde immer noch. Als seine gute Bekannte und ehemalige Bürgermeisterin in Ettlingen Cornelia Petzold-Schick bei ihm am 9. Februar anrief und ihn bat die mit Pauken und Trompeten in eine Führungskrise geschlitterten Stadtwerke Bruchsal vorübergehend zu übernehmen, war es mit dem Idyll des Ruhestands erst einmal vorüber. Im Interview sagt Eberhard Oehler, die Entscheidung, noch einmal zurückzukehren, sei für ihn zwiespältiger Natur, ebenso für seine Frau. Kein Wunder, schließlich konnte man sich monatelang an die wohlverdiente Entschleunigungsphase gewöhnen, doch es ist ein weiterer Ausschnitt des oben angeführten Interviews, der zumindest erahnen lässt, dass es ihm vielleicht gar nicht so unrecht war, wieder in den Einreiher zu schlüpfen. Auf die Frage, was ihm am meisten fehlen wird, antwortete er: “Die tägliche Begegnung mit den Menschen im Unternehmen. Aber auch die vielfältigen täglichen Fragestellungen und Herausforderungen werde ich vermissen.”

Die Stadtwerke Bruchsal

Beides hat er nun wieder und das nicht zu knapp. Zwar nicht in Ettlingen, aber in Bruchsal bei einem Unternehmen vergleichbarer Struktur und Größe. Wer hätte gedacht, dass im Impressum der Stadtwerke unter dem Punkt Geschäftsführung noch einmal dieser Name stehen würde: Dipl.-Ing. Eberhard Oehler. Mit 67 Jahren wieder im Sattel, der Silberrücken ist zurück. Den Stadtwerken Bruchsal tut das sichtlich gut, die hohen Wellen, die die explosionsartige Abberufung von Vorgänger Armin Baumgärtner erzeugt hat, scheinen sich bereits wieder etwas geglättet zu haben. Eberhard Oehler strahlt einfach eine Ruhe, eine Professionalität und damit auch Zuversicht und Vertrauen aus – alles Faktoren, die dem Flurfunk nach bisher nicht gerade zu unantastbaren Konstanten der Führungsebene der Stadtwerke Bruchsal zählten. Die Mitarbeitenden, mit denen ich im Vorfeld Kontakt hatte, berichten in jedem Fall unisono von einer gänzlich gewandelten Arbeitsatmosphäre und einem ganz anderen Führungsstil. Man komme gut mit dem neuen Chef aus, allenfalls sei er hier und da ein bisschen “old fashioned” und konservativ aber das sei einem Klassiker Baujahr 56 eben unbenommen.

In ein frisch gemachtes Bett hat sich Eberhard Oehler in jedem Fall nicht gelegt, Baustellen bei den Stadtwerken gäbe es einige, erzählt er im Redaktionsgespräch. Bei einigen davon hat er schon vor Wochen Nägel mit Köpfen gemacht, unter anderem die Einstellung des defizitären E-Roller-Sharings “Moritz” und die an jeder Realität und Relation vorbeigehende Neustrukturierung der Preise für die Bruchsaler Bäder. Die pauschale Preiserhöhung einfach aller Tarife ohne irgendwelche Abwägungen scheint ihn sogar etwas verärgert zu haben, kein Wunder, dass er diese zumindest in Teilen bereits Anfang Mai wieder einkassiert hat. Mit seiner Verärgerung war Eberhard Oehler in jedem Fall nicht allein, die Menschen in Bruchsal haben die Tarifanpassung alles andere als gut weggesteckt und mit den Füßen abgestimmt. Über 5000 von ihnen blieben den Bruchsaler Bädern nach der Preisanpassung fern und zwar Monat für Monat. Mittlerweile konnte dieser Trend aber gestoppt werden

Auch bei den Energiepreisen könnte es derzeit etwas besser laufen. Waren die Stadtwerke Bruchsal noch vor einigen Jahren unter den günstigeren Anbietern, schwimmen sie nun wie viele andere Stadtwerke und Grundversorger auch ein üppiges Stück über den derzeitigen Durchschnittspreisen. Auf die Frage, was Kunden derzeit davon abhalten sollte zu einem günstigeren Anbieter zu wechseln, kann Eberhard Oehler daher nur weiche Faktoren in die Waagschale werfen: Zum Beispiel der seiner Ansicht nach gute und immer erreichbare Kundendienst, die Förderung von Sport und Kultur in der Stadt und nicht zuletzt die Aufrechterhaltung der Bäderbetriebe in Bruchsal und den Stadtteilen. Gerade letzteren Punkt gilt es hier tatsächlich noch einmal deutlich hervorzuheben, denn obwohl Bäder traditionell eher Verlustgeschäfte sind, sieht man seitens der Stadtwerke den Betrieb auch als gesellschaftliche Verpflichtung an… nicht gerade ein klassischer Beweggrund im Kapitalismus des 21. Jahrhunderts. Vielleicht sogar einer, den es mit Kundentreue zu würdigen gilt? Das muss wohl jeder mit sich selbst ausmachen.

Das Freibad des Sasch in Bruchsal / Bild: Stadtwerke Bruchsal

Abgesehen von den finanziellen Engpässen wird für die Bruchsaler Bäder allmählich auch der Personalmangel zu einem echten Problem. Es fehlt schlicht und einfach an den richtigen Menschen, die einerseits entsprechende Qualifikationen mit sich bringen und andererseits bereit sind, in einer Branche zu arbeiten, in der man es normalerweise nicht zu großem Reichtum bringt. Große Lücken im Personalplan gibt es derzeit bei der Besetzung der Azubi-Stellen und bei der Beckenaufsicht. Wer also über das silberne Rettungsschwimmabzeichen verfügt und auf dem neuesten Stand in Sachen Erste Hilfe ist, sei an dieser Stelle herzlichst ermuntert und aufgefordert, sich bei den zweifelsohne dankbaren Stadtwerken zu melden.

Wie es an diesen Baustellen weitergehen wird? Das lässt sich natürlich nur schwer skizzieren, schließlich ist die Zukunft immer noch das unentdeckte Land, um einen Star Trek Zitate-Klassiker zu bemühen. Bei den Preisen für die Bruchsaler Bäder sieht Eberhard Oehler erstmal keine weiteren Erhöhungen kommen, auch das kommende Jahr ist seiner Einschätzung nach in sprichwörtlich trockenen (Hand-)Tüchern. Was die Strompreise angeht, so wollen die Stadtwerke im vierten Quartal über eine Preisanpassung beraten, aller Wahrscheinlichkeit nach wird es für Bestands- und Neukunden günstiger werden. Früher geht es leider nicht, denn die zuvor abgeschlossenen Neuverträge im vierstelligen Bereich lassen derzeit keinen Spielraum für vorschnelle Preissenkungen zu. Ob die Kundschaft sich das noch monatelang weiter anschauen wird? Das muss die Zeit zeigen, bisher gibt es aber keine Kündigungswelle, noch halten die Menschen ihren Stadtwerken die Stange, berichtet der Interimschef, der genau weiß, dass der Stromanbieter sich innerhalb von fünf Minuten über das Smartphone wechseln lässt.

Die Entwicklung von neuen Produkten oder Preismodellen steht ohnehin nicht auf seinem To-Do-Deckel, dafür gibt es derzeit zu viele akute Baustellen. Alles Zukünftige muss dann seine Nachfolgerin oder sein Nachfolger regeln. Derzeit ist eine Düsseldorfer Beraterfirma mit der entsprechenden Personalsuche beauftragt, erste Vorstellungsgespräche stehen bereits. Mindestens bis Ende des Jahres wird Eberhard Oehler aber weiter an dem mehrere Quadratmeter großen Chef-Schreibtisch im zweiten Obergeschoss der Stadtwerke sitzen, da gibt er sich keiner Illusion hin. Danach wird er zurückkehren in den Schoß des Ruhestandes und die Dinge tun, die Rentner ebenso tun: Reisen, Gärtnern, Kochen… und vielleicht hin und wieder verstohlen zum Telefon schauen. Man weiß schließlich nie, wer dran ist und welche Stadtwerke noch nach einem Ritter in schimmernder Rüstung dürsten.

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