Im Alfred-Delp-Schulzentrum Ubstadt-Weiher läuft der Schulbetrieb trotz Baustelle und Corona so gut es geht, doch die Nerven im Kollegium liegen mitunter blank.
Rektor Jörg Weber ist kein Mensch, der sich von Pessimismus leiten lässt. Für ihn gilt es das Beste aus einer Situation zu machen, wie auch immer die Umstände aussehen mögen. Als Rektor eines Schulzentrums mit nahezu 1000 Schülern, gehören Gelassenheit und die Fähigkeit zur Improvisation fast schon zwangsläufig zu seinen Kompetenzen. Flexibilität und Improvisation sind in diesem besonderen Jahr ohnehin Trumpf, wo doch so vieles wackelt, das lange Zeit sicher geglaubt.
Im Alfred-Delp-Schulzentrum Ubstadt-Weiher müssen Lehrer und Schüler gleich mit zwei großen Baustellen fertig werden – zum einen der Herausforderung eines Unterrichts in Zeiten einer aktiven Pandemie und zudem mit einer Baustelle im wahrsten Sinne des Wortes, der Sanierung des gesamten Schulcampus entlang der Hebelstraße. Die Gemeinde Ubstadt-Weiher investiert in einem außergewöhnlichen, finanziellen Kraftakt einen hohen Millionenbetrag in die Sanierung des 2014 durch die Fusion der Hermann-Gmeiner-Schule und der Alfred-Delp-Schule entstandenen Schulzentrums. Die in die Jahre gekommenen Gebäude sollen grundlegend saniert und modernisiert werden, zudem ist die Verbindung der beiden bisher getrennten Räumlichkeiten durch einen gläsernen Korridor geplant.
Längst haben die Bauarbeiten begonnen, die Ouvertüre für den ersten Bauabschnitt läuft auf Hochtouren. Um dafür Platz zu schaffen, wurden zehn Klassen vorübergehend in einen Container-Complex ausgelagert, der vielen Eltern ab Bekanntwerden der Maßnahme zunächst Sorgen bereitete. Offenbar hatten viele von ihnen eine minderwertige Notlösung vor Augen, vergleichbar mit Schiffscontainern oder Notbehelfen, wie sie auf Baustellen zu finden sind. Wer das improvisierte, quadratische Schulgebäude aber betritt, dürfte sich dieser Sorgen schnell entledigen. Die Räumlichkeiten sind groß, warm, hell und lichtdurchflutet. Dass man sich gerade in einem Verbund aus Containern aufhält, fällt beileibe nicht auf. Stattdessen finden sich hier große Klassenzimmer mit breiten Glasfenstern, Whiteboards statt Tafeln und – ein Zugeständnis an die Rahmenbedingungen der Corona-Pandemie – in jedem Klassenzimmer auch ein Waschbecken mit Kalt- und Warmwasser. Die Container und deren Fenster sind zudem derart gut schallisoliert, dass der Lärm der benachbarten Baustelle kaum ins Gewicht fällt, übrigens anders als in den derzeit noch genutzten Räumen des Hermann-Gmeiner-Hauses.
Hier hat auch derzeit Rektor Jörg Weber sein provisorisches Büro, während des Interviews – im Sinne des Hygienekonzeptes bei geöffneten Fenstern – ist ein Gespräch durch röhrende Rüttelplatten, Presslufthämmer und elektrische Werkzeuge aller Arten, nur mit stark erhobener Stimme möglich. Mit dem Fortschritt auf der Baustelle und dem Leben bzw. Lehren im Behelfsgebäude, ist Jörg Weber zufrieden. Die Gemeinde lässt sich diese moderne Lösung einen stolzen Betrag kosten, die Container sind allesamt brandneu und die Schülerinnen und Schüler aus Ubstadt ihre allerersten Bewohner.
Sorgenfalten zeichnet dem erfahrenen Pädagogen und Vater mehrerer, schulpflichtiger Kinder, aber die andere Baustelle auf die Stirn. Die Corona-Pandemie, ihre ständig wechselnden Anforderungen und das Gezerre um die unterschiedlichen, politischen Befindlichkeiten zur Rolle der Schule in selbiger, setzen dem Rektor und seinem Team zu. Kritik übt Jörg Weber beispielsweise an der schlecht koordinierten Kommunikation aus Stuttgart. Manchmal erfahren er und die Lehrerschaft des Alfred-Delp-Schulzentrums von neuen Regelungen und Vorgaben zuerst aus der Tagespresse, weit bevor entsprechende Maßgaben aus dem Kultusministerium in der Hebelstraße eintrudeln. Eine schlüssige Ansage wie beispielsweise nun in der Praxis mit den Weihnachtsferien zu verfahren sei, lag zum Zeitpunkt des Interviews noch nicht vor, das öffentliche Tauziehen um die Positionen aber war bereits in vollem Gange.
So wichtig für Jörg Weber der Präsenzunterricht vor Ort auch ist, so wie es derzeit läuft, darf es seiner Auffassung nach nicht weitergehen. Knapp 1.000 Schüler vor Ort rücken sich zwangsläufig den ganzen Tag über auf die sprichwörtliche Pelle, spätestens das Gedränge in den Schulbussen und Bahnen lässt jedes noch so ambitionierte Hygienekonzept zum zahnlosen Papiertiger schrumpfen. Auch innerhalb der Lehrerschaft liegen mitunter die Nerven blank, berichtet Jörg Weber. Unterricht in regulär gefüllten Klassen ohne Abstände und ohne ein adäquates Schutzkonzept, halten viele für nicht vertretbar. Hier sieht der Rektor das Kultusministerium als Dienstherren gefordert, seiner Fürsorgepflicht gegenüber seinem Personal gerecht zu werden.
Für Jörg Weber gibt es daher nur eine gangbare Lösung – die Halbierung der Klassen. So könnte beispielsweise die eine Hälfte der Schülerschaft Montags, Mittwochs und Freitags unterrichtet werden, die andere Hälfte Dienstags und Donnerstags – nach einer Woche würde dann gewechselt werden. Damit kein Stoff in diesem Modell verloren geht, wäre eine Fokussierung auf die essentiellen Kernthemen des Lehrplans möglich. Stoff der Kategorie “nice-to-have” könnten eine Zeitlang zugunsten von “Must-Haves” weichen – das wäre nach Jörg Webers Meinung möglich. Mit dieser Meinung steht der Schulleiter nicht alleine da, auch Gewerkschaften und die SPD plädieren klar für einen solchen Wechselunterricht. Ob dieses Modell aber tatsächlich in absehbarer Zeit kommt, darf eingedenk der Position der baden-württembergischen Kultusministerin Dr. Susanne Eisenmann (CDU) bezweifelt werden. Diese hat sich bisher vehement gegen die Teilung der Klassen ausgesprochen.
So bleibt den Lehrkräften, den Schülern sowie ihrem Schulleiter am Alfred-Delp-Schulzentrum nichts anderes übrigs, als weiter das Beste aus einer extrem schwierigen und belastenden Situationen zu machen. Stoßlüften alle 20 Minuten, Masken tragen und im neuen Kernfach der Schule brillieren und glänzen: Leistungskurs Improvisation.