Die düsteren Zwillinge

|

Der Stern von Bruchsal ist eigentlich ein Doppelstern. 6000 Kilometer entfernt von seinen steinernen Zinnen findet sich sein Zwilling, das Eastern State Penitentiary. Beide Gefängnisse blicken auf eine lange und bewegte Geschichte zurück, beide beherbergten in ihren dicken Mauern berühmt-berüchtigte Verbrecher.

2027 Fairmount Ave. Eine Adresse mitten in der Innenstadt von Philadelphia. Nur zwei Kilometer weiter fließt der mächtige Delaware, der Philadelphia von New Jersey trennt. Ein paar Meter weiter die Straße hinunter, trifft man auf den Azaleen-Garten, Phillys grüne Lunge und das imposante Kunstmuseum mit seinen riesigen Säulen und den ausladenden Voluten-Kapitellen.

Ähnlich wie in Bruchsal liegt das alte Gefängnis zwischenzeitlich mitten in der Stadt, die mit der Zeit Stück für Stück drumherum gewachsen ist. Es wirkt hier jedoch wie ein aus der Zeit gefallener Fremdkörper, bedrohlich und einschüchternd. Zwei grimmig dreinschauende Wasserspeier knien auf dem Haupttor, blicken mit gefletschten Zähnen auf all jene hinab, die hier ein und selten wieder ausgehen. Genau 50 Jahre ist es nun her, dass hier die letzten Häftlinge lebten, 1971 schloss das Gefängnis für immer. Seit 1994 wird es als Museum genutzt, zeigt den Haftalltag in Amerika über Jahrzehnte hinweg – schonungslos und authentisch.

Eastern State Penitentiary – Bild: AaronOReilly via Wikimedia Commons / gemeinfrei / bearbeitet durch Redaktion

Im Eastern State Penitentiary, erstmals geplant Ende des 18 Jahrhunderts unter anderem von Benjamin Franklin, saßen schon durchaus große Namen der Kriminalgeschichte ein. An vorderster Stelle ist der berühmt-berüchtigte Boss des “Chicago Outfit” zu nennen, niemand geringeres als Al Capone, vermutlich Amerikas berühmtester Verbrecher aller Zeiten. Seine ehemalige Zelle wurde im Zuge des musealen Umbaus rekonstruiert und steht der Öffentlichkeit zur Besichtigung offen. Nicht minder bekannt ist Willie Sutton, der in den 50er Jahren zu den meistgesuchten Verbrechern des FBI zählte, Dutzende von Banken ausraubte, dabei niemals jemanden verletzte und geradezu spektakulär aus mehreren Haftanstalten flüchtete. Auch er war einst Gast im Eastern State Penitentiary.

Wer sich die groben Umrisse des alten Gefängnisses von oben ansieht, dem wird sofort die besondere Form ins Auge fallen. Sieben Zellenblöcke und der wuchtige Durchgang zum Tor in der Außenmauer bilden einen achteckigen Stern. Wer dabei nun an den Grundriss unseres Bruchsaler Gefängnisses denkt, liegt damit goldrichtig. Als Heinrich Hübsch das Männerzuchthaus Mitte des 19. Jahrhunderts erbaute, diente ihm das Eastern State Penitentiary als Vorbild. Dieser besonderen Form verdankt das im Revolutionsjahr 1848 eröffnete Bruchsaler Gefängnis auch heute noch seine beiden Spitznamen “Stern von Bruchsal” oder auch “Café Achteck”.

Auch in Bruchsal saßen analog zur Haftanstalt im 6000 Kilometer entfernten Philadelphia, durchaus prominente Namen der deutschen Kriminalgeschichte ein. Neben dem Terroristen der Rote Armee Fraktion Christian Klar, wäre hier an erster Stelle Heinrich Pommerenke zu nennen, der – angeblich inspiriert durch eine Karlsruher Kinovorstellung der “Zehn Gebote” mit Charlton Heston – mehrere Frauen heimtückisch ermordete und als einer der ersten Serienmörder der jungen Bundesrepublik gilt.

Während im Eastern State Penitentiary aber schon seit einem halben Jahrhundert keine Häftlinge mehr hinter Gittern sitzen, läuft in Bruchsal der Gefängnisbetrieb bislang weiter. Platz gibt es hierfür rund 600 Gefangene, die hier nicht nur ihre Haftstrafen absitzen, sondern in eigenen Betrieben zudem arbeiten oder sogar in mehreren Berufen ausgebildet werden.

Vorheriger Beitrag

Oberderdingen: Mehrere Einbrüche in der Nacht von Sonntag auf Montag

Bretten: Mann bei Arbeitsunfall schwer verletzt

Nächster Beitrag