Die alkoholischen Brüder von Neuenbürg

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Die Ära der Zorns

Von Bier-Baronen und Winzer-Dynastien

Wenn man die Etiketten der üppig bestückten Weinregale in Dominik Zorns Verkaufsraum in seinem Weingut Niwenburg studiert, bekommt man schon einen ersten Eindruck davon, wie wichtig dem Jungwinzer die eigene Familiengeschichte ist. Neben Klassikern wie einem Grauburgunder oder dem berühmt-berüchtigten Auxerrois, finden sich hier auch Weine die Namen wie “Zornfelder” oder “Zornissimo” tragen, dazu die “vierte Todsünde” – für alle nicht Bibelfesten – der Zorn.

Dominik und Nadine Zorn

Stolz spielt Dominik mit seinem berühmten Nachnamen, steht dieser doch für eine lange Familiengeschichte, die ganze Dynastien erfolgreicher Unternehmer, Brauer und Winzer hervorgebracht hat. Dass Dominik sein Weingut nicht Zorn, sondern mit dem alten Namen Neuenbürgs “Niwenburg” getauft hat, lag letztlich auch im Umstand begründet, dass ein anderer Zweig der Familie bereits den Namen für das eigene Weingut führte. Das Ganze übrigens nur wenige Meter weiter, in Neuenbürg läuft man nirgendwohin mehr als fünf Minuten.

Um die bewegte Familiengeschichte der Zorns zu recherchieren, hat Dominik sich tief durch alte Chroniken und Ortsbücher gegraben. Vor ihm auf dem Tisch liegt ein schwerer Wälzer, das “Ortssippenbuch” von Oberöwisheim und Neuenbürg. Mitunter durch dessen Hilfe konnte Dominik die Keimzelle der wesentlichen Zweige des Familienstammbaums auf die drei Brüder Sebastian, Franz-Georg und Jakob Zorn zurückführen, die an der Schwelle des 18. und 19. Jahrhunderts lebten. Weil jeder von ihnen seinen jeweiligen Familienzweig auf die Herstellung alkoholischer Getränke einschwor, nennt Dominik seine Ahnen daher augenzwinkernd “Die drei alkoholischen Brüder”.

die Brauerei Palmbräu in Eppingen

Jeder der Namen, hat im Kraichgau Gewicht. Jakob erlernte den Beruf des Küfermeisters und des Bierbrauers. Er gründete 1835 im etwa 20 Kilometer entfernten Eppingen eine Brauerei, die es bis zum heutigen Tage noch gibt – Palmräu. Den Namen verdankt das Brauhaus dabei Jakobs Sohn Franz, der das Unternehmen fortführte und mehrere der exotischen Pflanzen aus Italien mitbrachte, damit nicht nur das Brauhaus sondern auch die benachbarte Gaststätte dekorierte. Sowohl die Gaststätte – das “Gasthaus zur Palme” als auch Palmbräu gehen in Punkto Namensfindung auf diese Begebenheit zurück. Auch heute noch erinnert die Brauerei an ihre berühmten Gründer, hat ihnen mitunter das Kultbier “Schwarzer Zornickel” gewidmet.

Das ehemalige Guggugsnescht

Jakobs Bruder Franz-Georg wiederum widmete sich statt des Gerstensaftes, lieber den Trauben und den Reben des Kraichgau. Er und seine Nachfahren verlegten sich auf das Winzertum, kelterten Weine von den Hängen und Weinbergen ihrer Heimat. Noch bis vor wenigen Jahren gab es in Neuenbürg das Weingut Zorn, dessen berühmte Besenwirtschaft “Guggugsnescht” bis zu ihrer endgültigen Schließung im August 2020 zu den kultigsten Institutionen des Kraichgau zählte. Jahrelang hatten Bettina und Fritz Zorn hier ihre Gäste nicht nur mit dem Besten aus Küche und Keller versorgt, sondern auch mit Musik und Geschichten unterhalten. Der Name der Besenwirtschaft leitet sich übrigens vom Uznamen den Neuenbürger ab – einen Neuenbürger nennt man auch salopp “Guggug”.

Zu guter Letzt wäre dann da noch Sebastian, Dominiks direkter Vorfahr. Die Anzahl der “Ur-” vor dem Wort Großvater, kann Dominik dabei gar nicht mehr zählen. Sebastian war damals Bürgermeister des noch selbstständigen Neuenbürgs, daneben aber – wie alle seine Nachfahren bis hin zu Dominik auch – im Hauptberuf Landwirt. Im Herzen waren aber auch Sebastian und seine Erblinie immer Winzer, ein Ruf der auch Dominik bereits mit jungen Jahren ereilt hat. Zusammen mit seiner Frau Nadine betreibt er neben der Arbeit auf den Feldern auch sein kleines Weingut Niwenburg. Etwa 20% ihrer 27 Hektar Anbaufläche vermarkten die beiden selbst, der Rest der Erträge wird an größere Keltereien verkauft. In den letzten beiden Jahren lief das Geschäft eher schwer, durch die Corona-Krise ist der wichtige Absatzmarkt der Gastronomie und der Veranstaltungsbranche stark eingebrochen. Dominik und Nadine halten sich mit ihrem kleinen Verkaufsraum in Neuenbürg, aber auch kreativen Ideen wie Online-Weinproben wacker. (Für alle Interessierten: Die nächste Weinprobe ist bereits für den kommenden Samstag angesetzt).

unzweideutiger Portikus

Mit den stark verästelten, anderen Zweigen seiner großen und alten Familie hat Dominik nur wenig Kontakt, dabei steht das alte Stammhaus der Zorns nur einen Steinwurf von seinem kleinen Weingut entfernt. Ein Zorn wohnt hier schon eine ganze Weile nicht mehr, der alte Hauptstein im Portikus von 1873 lässt aber über den Ursprung des Anwesens keinen Zweifel zu. Doch auch wenn Dominik die Geschichte der Zorns studiert um ihr Andenken zu bewahren, handelt und denkt der Jungwinzer dennoch nach vorne gewandt. Noch sind seine beiden Söhne kleine Jungs, doch auch sie werden irgendwann zu großen Zorns heranwachsen. Ob auch sie danach die Familientradition fortführen und selbst Winzer werden, ist für Dominik dabei überhaupt nicht wichtig. “Darum geht es mir nicht. Mein Vater hat mich diese Entscheidung in Freiheit treffen lassen, genau so mache ich das auch mit meinen Söhnen” sagt Dominik, steht auf und arbeitet weiter. Als Landwirt und Winzer gibt es schließlich immer etwas zu tun.

alte Postkarte von Neuenbürg, links unten das alte Gasthaus Traube, das Stammhaus der Zorns
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1 Gedanke zu „Die alkoholischen Brüder von Neuenbürg“

  1. Das sind ja ganz interessante und sehr unterhaltsame Geschichten. Solche Geschichten wünsche ich mir als Stadtführer Bruchsals und einiger Stadtteile und habe diese auch gefunden. Den Wein und das Bier der Zorns, werde ich trotzdem demnächst verkosten. Bin sehr gespannt auf das weingut Niwenburg.

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