Der Tod auf Rädern

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Wer Auto fährt, muss sich seiner Verantwortung immer bewusst sein

Ein Kommentar von Stephan Gilliar

Was das Autofahren angeht, so bin ich so undeutsch wie man es nur sein kann. Ich mag es nicht wirklich, habe es nie gemocht. Autofahren ist für mich die pure Notwendigkeit von A nach B zu kommen, kein Vergnügen, kein Hobby kein Adrenalinkick und erst recht keine Leidenschaft. Die interessantesten Erkenntnisse über das Autofahren erhält man im Grunde als blutiger Anfänger, dann wenn man alle Handlungen noch bewusst durchführt, das Steuern, Agieren und Reagieren noch nicht aus dem prozeduralen Gedächtnis kommt. Man wird sich darüber bewusst, welcher Verantwortungen man sich beim Autofahren stellt, wie gefährlich das Ganze eigentlich ist.

Bei meiner ersten Fahrt auf der Autobahn habe ich Blut und Wasser geschwitzt… weniger weil ich an meinen eigenen Fähigkeiten gezweifelt habe, sondern weil ich mir bewusst gemacht habe, dass das Zucken im Handgelenk eines mir völlig Fremden ausreichen würde, um das Leben anderer massiv zu beeinflussen oder auch zu beenden. Nur eine Sekunde Ablenkung reicht völlig aus um eine fatale Kette an Ereignissen loszutreten… Wissen Sie ob der Mann oder die Frau auf der Spur neben ihnen getrunken, vielleicht zu wenig geschlafen oder gerade einen aufwühlenden Streit hinter sich gebracht hat? Sie wissen es nicht, sie können nur darauf hoffen, dass der Selbsterhaltungstrieb der anderen ähnlich stark ausgeprägt ist, wie ihr eigener. Wer bewusst darüber nachdenkt, kann sich eigentlich nicht mehr mit wachen Verstand hinter ein Steuer setzen… Wir blenden einfach aus, hoffen darauf, dass uns schon nichts passieren wird, auch wenn wir jeden Tag von schweren Unfällen in der Zeitung, oder hier auf hügelhelden.de lesen… hoffentlich betrifft es uns nicht oder niemanden den wir kennen.

Dabei kennt jeder von uns Situationen, in denen es beinahe zum Unvorstellbaren gekommen wäre. Ich habe gerade erst vor wenigen Tagen eine solche Situation erlebt, die mich auch heute noch nicht loslässt und meine Hände zum Zittern bringt. Als ich meine Tochter von der Bushaltestelle abholen wollte, sah ich von der anderen Straßenseite als sie bei grüner Fußgängerampel die Fahrbahn queren wollte, wie ein schwerer SUV mit unerhört hoher Geschwindigkeit um die Ecke schoss und trotz rote Ampel direkt vor meiner Tochter über den Fußgängerübergang raste… Nur eine einzige, gottverdammte Sekunde hat mich davon getrennt das Liebste und Kostbarste in meinem Leben zu verlieren…nur eine einzige Sekunde. Ein Moment der hilflosen Ohnmacht, auf dessen anderer Seite ich mich auch schon befunden habe. Als ich vor wenigen Jahren im Ausland auf einer Schnellstraße unterwegs war und diese plötzlich und unerwartet in eine T-Kreuzung mündete, reagierte ich viel zu langsam und schoss mit meinem Wagen über die Haltelinie… Ich übertreibe kein bisschen wenn ich ihnen erzähle, dass nur Millimeter gefehlt haben und ich hätte einen Motorradfahrer mit voller Wucht und in voller Fahrt gerammt. Über die Folgen eines solchen Unfalls gebe ich mich keinerlei Illusionen hin… Noch heute verkrampft sich mir der Magen, wenn ich mir dies ins Gedächtnis zurück hole und doch tue ich es regelmäßig, denn es ist wichtig nicht zu vergessen.

Wir dürfen nie vergessen, welcher Verantwortung wir uns stellen, wenn wir uns hinters Lenkrad setzen und den Motor anlassen. Der Vater eines Freundes hat es einmal so formuliert, dass auch ich als junger Kerl es verstanden habe. “Du fährst nicht nur ein Auto, sondern auch eine potentielle Waffe.” Die Schwungmasse und die Aufprallkraft eines Fahrzeuges in voller Fahrt ist schwindelerregend hoch, die Folgen einer solchen Kollision erleben Sie tagtäglich in den Nachrichten.

Gerade erst vor wenigen Tagen hat sich ein solch fatales Unglück in Bretten ereignet. Eine junge Frau hat beim Einfahren in einen Kreisverkehr einen 16-jährigen Jungen auf seinem Zweirad übersehen. Dieser wurde durch die Wucht des Aufpralls gegen ein Verkehrsschild geschleudert. Das geschah mit einer solchen Kraft, dass das Verkehrszeichen nach hinten weggeknickt wurde.. einer solchen Kraft, dass sich der Junge so schwere Verletzungen zuzog, dass er an den Folgen dieses Unfalls verstarb.

Ein Leben, das im Grunde gerade erst begonnen hatte, endete an diesem Sommertag auf dieser staubtrockenen Straße mitten in Bretten. Der Junge wird sich nicht mehr verlieben, er wird keine Familie mehr gründen, kann kein Vater mehr werden, keinen Beruf erlernen und durch die Höhen und Tiefen all dessen gehen, wofür wir auf dieser Welt sind. Ein einziger Moment der Unachtsamkeit reichte aus, um diese tieftraurige und unendlich tragische Ereigniskette in Gang zu setzen. Ich möchte nicht wissen wie sich die Eltern und die Freunde des Jungen nun fühlen, auch nicht wie es der jungen Frau geht, die damit für den Rest ihres Lebens zurechtkommen muss. Nur wenige Sekunden an diesem Donnerstag haben ausgereicht um mehrere Existenzen zu erschüttern und dauerhaft zu prägen.

Für uns andere, alle die wir noch hier sind, sollten dieser und unzählige weitere Vorfälle eine Mahnung sein: Wenn ihr Auto fahrt, wenn ihr euch in den Straßenverkehr begebt, tut dies mit Achtsamkeit und bei vollem Bewusstsein. Seid euch dessen gewahr, dass ihr nicht nur für euch, sondern auch für andere eine Verantwortung tragt. Eine Garantie für Sicherheit ist dies noch nicht, doch schulden wir es uns und jedem anderen da draußen unser Bestes zu tun, um niemanden in jene schreckliche Situation zu bringen, in der sich in Bretten nun gleich mehrere Menschen ohne jeden Vorsatz und Absicht wiederfinden.

Nachtrag 15. Juli 2022

Liebe LeserInnen, ganz offenkundig hat sie mein Kommentar beschäftigt und aufgewühlt, ich kann Ihnen versichern, dass mir das beim Verfassen nicht anders erging. Es ist eine schreckliche Tragödie die sich da in Bretten ereignet hat, ein menschliches Drama das mir nahe geht. In keinster Weise ging es mir darum irgendeine Art von Schuld zuzuweisen oder Vorwürfe zu erheben. Es stimmt mich traurig, dass manche meinen Text so interpretiert haben, denn meine Intention war eine gänzlich andere. Es ging mir viel mehr darum aufzuzeigen, wie viel Verantwortung ein jeder beim Steuern eines Fahrzeuges trägt, wie zerbrechlich das Leben angesichts der reinen Physik eines Autos in voller Fahrt ist. Was in Bretten passiert ist, kann jedem von uns passieren, Ihnen und mir… ein solcher Unfall geschieht ohne Vorsatz und verursacht ausschließlich Leid und das bei allen Beteiligten. Er muss für uns andere eine Mahnung sein, denn Trauer, Leid und Elend gibt es genug auf dieser Welt. Darum ging es mir, um nichts sonst. 

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3 Gedanken zu „Der Tod auf Rädern“

  1. Ich habe nur Hass und Verachtung für die Menschen übrig die mit Handy am Steuer unterwegs sind, häufig sind es auch noch Busfahrer oder Lkw Fahrer mit noch größerer Verantwortung… Ich habe aber das Gefühl dass wir in der Unterzahl sind, gerade die Regeln im Straßenverkehr werden von vielen Mitmenschen als Empfehlungen angesehen…

  2. Auf geht’s zurück zu den Postkutschen !! Das wird angesichts der weiter steigenden Treibstoffpreisen erforderlich sein. Und woher soll der Strom für die ganzen Elektrokisten kommen? Ah ja, aus der Steckdose !!! Es gibt zahlreiche Verkehrsteilnehmer auf der Straße die sich flegelhaft benehmen. Es gibt aber auch Zeitgenossen, die einen verantwortungsvollen Beruf und ein Alkohlproblem haben. Die sind dann eben am nächsten Tag „krank“ weil sie nicht in der Lage sind einen Bus zu fahren.

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