Das Ziel: „Bezahlbaren Wohnraum für Einheimische und Geflüchtete gleichermaßen schaffen“
Informationsveranstaltung zum Thema „Hoffnungshaus Kraichtal“ im Foyer der Eisenhutschule Unteröwisheim
Es gibt sie in Leonberg, Esslingen, Schwäbisch Gmünd, Bad Liebenzell und Sinsheim: die sogenannten Hoffnungshäuser. Sie sind Sinnbild für „Interkulturelles Leben“, „Lebendige Hausgemeinschaft“ und „Preisgünstigen Wohnraum“. Kurzum: Mit diesen Einrichtungen hat die Hoffnungsträger Stiftung ein innovatives Konzept für die Integration von Geflüchteten entwickelt, das inzwischen bundesweit auf großes Interesse gestoßen ist. So auch in Kraichtal, denn für die Kommune mit den neun Stadtteilen ist in puncto Anschlussunterbringung die maximale Auslastung städtischer und angemieteter Immobilien zwischenzeitlich erreicht. Zudem steigt die Nachfrage nach bezahlbarem Wohnraum seit Jahren stetig an. „Das Angebot für integratives Wohnen von Geflüchteten und Deutschen ist eingebettet in ein breites lokales Netzwerk ehrenamtlichen Engagements. Es trägt dazu bei, dass neu nach Kraichtal gekommene Menschen schnell heimisch werden und ein eigenständiges Leben führen können“, führte Bürgermeister Ulrich Hintermayer zu Beginn des Informationsabends am Montag, 6. Mai, einleitend aus. Er betonte dabei ausdrücklich, dass das Hoffnungshaus nicht ausschließlich für Geflüchtete zur neuen Heimat werden soll, sondern im Besonderen auch für Einheimische gedacht ist.
„Ein Hoffnungshaus sorgt für Verständigung, fördert Integration und schafft günstigen Wohnraum für Einheimische und in der jüngeren Vergangenheit zugewanderte Personen. Und das alles unter einem Dach“, berichtete das Stadtoberhaupt. Gemeinsam mit Angelika Röhm von der Hoffnungsträger-Stiftung und Thorsten Blatter, Architekt der Stiftung (Büro andOFFICE), stellten Mitarbeiter der Stadtverwaltung Kraichtal das fortgeschriebene Gesamtkonzept der Öffentlichkeit erneut vor: „Ziel des Hoffnungshauses ist es, Geflüchtete auf dem Weg in ein selbstständiges und selbstbestimmtes Leben in ihrer neuen Heimat zu begleiten.“ Ein Hoffnungshaus wird von einer professionellen Leitung koordiniert und das Zusammenleben von allen Bewohnern gemeinsam gestaltet. Je nach Standort und Ressourcen gibt es zusätzliche begleitende Angebote im Bereich der Sozialarbeit, Sprachförderung, Arbeitsmarktintegration und Gemeinwesenarbeit, wie zum Beispiel Sprachkurse, Nähkurse und gemeinschaftsstiftende Aktionen.
Öffentlichkeit frühzeitig am Bebauungsplanverfahren „Am Gaisberg“ in Unteröwisheim beteiligt
Nicht nur die Verantwortlichen der Stadt Kraichtal halten große Stücke auf die Kooperation, auch eine sehr große Mehrheit des Kraichtaler Gemeinderats sowie eine Vielzahl ehrenamtlich in diesem Bereich engagierter Kraichtalerinnen und Kraichtaler tragen dieses zukunftsweisende Projekt mit. Zuletzt war Mitte April in öffentlicher Ratssitzung der zur Realisierung notwendige Aufstellungsbeschluss des Bebauungsplans „Am Gaisberg“ in Unteröwisheim gefasst worden. Der Informationsabend wurde nicht zuletzt dazu genutzt, um gemeinsam mit den rund 50 erschienenen Bürgerinnen und Bürgern den Vorentwurf des Bebauungsplans im Rahmen der frühzeitigen Beteiligung zu erörtern. Sarah Thull, Sachgebietsleiterin der Stadtentwicklung Kraichtal, rückte dabei die Planung in den richtigen Kontext: „Das Vorhaben unterstützt das Gesamtrahmenkonzept Unteröwisheim Nordwest. In der Gemeinderatssitzung vom 25. Juli 2018 war die Verwaltung beauftragt worden, die technische Planung zur Anbindung des nordwestlichen Ortsteils an den westlichen Ortseingang von Unteröwisheim, analog dem städtebaulichen Rahmenplan „Unteröwisheim Nordwest“, parallel zum Vorhaben Hoffnungshaus, anzugehen.“ Der Bürgermeister wies in diesem Zusammenhang erneut ausdrücklich darauf hin, dass das Vorhaben Hoffnungshaus und die westliche Anbindung gemäß des Rahmenkonzepts parallel angegangen werden, die Realisierungszeiträume beider Projekte jedoch deutlich auseinander ragen werden. Im Ergebnis wird das Vorhaben Hoffnungshaus einige Zeit vor der Realisierung der westlichen Anbindung entstehen.
Bauvorhaben „Hoffnungshaus“
Bereits in den Gemeinderatssitzungen am 27. Juni 2018 und 25. Juli 2018 war die Bebauung mit drei Gebäuden auf dem Grundstück 874/15 vorgestellt worden. Aufgrund der Resonanz aus dem Gemeinderat und der Bevölkerung haben sich die Hoffnungsträger-Stiftung und die Stadtverwaltung intensiv über das Maß der Bebauung an diesem Standort unterhalten. Im Resultat sollen nun zwei Gebäude mit insgesamt 16 Wohnungen, inklusive Spielmöglichkeit, PKW-Stellplätzen, Fahrradstellplätzen und Abfallsammelanlage, errichtet werden. Hierfür wird auch nur ein Teil des städtischen Grundstücks an die Hoffnungsträger-Stiftung veräußert. Der westliche Teil, circa 787 Quadratmeter, bleibt zunächst im städtischen Besitz. Die Stadtverwaltung geht so auf die Rückmeldungen der Bevölkerung ein und sammelt mit einer reduzierten Bebauung (zwei anstatt drei Gebäude) am Standort erste Erfahrungen. Bei positiver Entwicklung am Standort wäre auf der Restfläche die Bebauung mit einem dritten Hoffnungshaus weiterhin möglich. „Es wird möglich sein, zu gegebener Zeit hierüber mit der Hoffnungsträger-Stiftung und der Bevölkerung Kraichtals ins Gespräch zu kommen“, merkte das Stadtoberhaupt an. Die nächste Offenlage des Bebauungsplans ist im Zeitraum Herbst/Winter 2019 vorgesehen.
„Nicht nur ein Dach über dem Kopf liefern, sondern ein Zuhause geben“
Die dreigeschossigen Gebäude werden in nachhaltiger Holzbauweise mit qualitativ hochwertiger Ausstattung und einem Flachdach errichtet. Hierzu kann die Hoffnungsträger-Stiftung mittlerweile mehrere Auszeichnungen, unter anderem des Landes Baden-Württemberg, aufweisen. „Aufgrund der nach Norden ansteigenden Topographie des Gebietes fügt sich eine dreigeschossige Bebauung in die Umgebung ein“, erläuterte Architekt Thorsten Blatter das modulare Baukastensystem, das bereits an vielen Standorten erfolgreich umgesetzt wurde. Die Errichtung kann in einem relativ geringen Zeitraum von sechs bis acht Monaten abgeschlossen werden. „Zudem wird mit dieser Bauweise ein Beitrag zum Klimaschutz geleistet“, so Blatter weiter, der einen beispielhaften Grundriss einer Wohneinheit mittels Powerpoint präsentierte. Es wird ein Mix aus Ein- bis Fünf-Zimmer-Wohnungen entstehen. Im Anschluss an die baulichen Ausführungen nahm Angelika Röhm die Anwesenden mit „auf eine Reise in ein Hoffnungshaus“. Sie selbst wohnt gemeinsam mit ihrer Familie im Leonberger Objekt und konnte so – sehr anschaulich – deutlich machen, worauf es im Alltäglichen bei dieser Wohnform ankommt. „Integratives Wohnen macht Fremde zu Freunden“, brachte es Röhm auf den Punkt und ergänzte, dass „das Wohnen im Hoffnungshaus nichts mit einem gängigen Mietshaus gemein hat. Vielmehr kann es mit einem Mehrgenerationenhaus verglichen werden“.
Im Schnitt verbringen die Bewohner vier Jahre im Hoffnungshaus, bevor sie weiterziehen. In allen Objekten gibt es ein sogenanntes „Leitungspaar“, das Ansprechpartner für die Menschen vor Ort ist und Hilfestellung im täglichen Leben gibt. Aus den Reihen der interessierten Öffentlichkeit schlossen sich nach den informativen Fachvorträgen zahlreiche Fragen an, die unter anderem Themen wie mögliche Lärmbelästigungen, Religionsvielfalt, Mietpreise, Barrierefreiheit, Kostenbeteiligung der Stadt Kraichtal, Auswahlverfahren und verkehrliche Anbindung betrafen. Hauptamtsleiter Manuel Kurz hakte ein und berichtete, dass die bisher in Kraichtal gemachten Erfahrungen mit Geflüchteten durchweg positiv sind. Das große ehrenamtlich geleistete Engagement trägt bislang dazu bei, dass Integration keine leere Worthülse geblieben ist. Dass die Vorzeichen für ein Gelingen gut stehen, bestätigte indes auch Melo Danze, 1. Vorsitzender des Vereins Kraichtal hilft e. V.: „Für Skepsis bleibt in Kraichtal wahrlich kein Platz. Wir sollten uns die Chance Hoffnungshaus nicht entgehen lassen!“ Auch wenn es bislang keine ländliche Vergleichskommune gibt, ist auch die Hoffnungsträger-Stiftung sehr zuversichtlich, dass das Projekt in Kraichtal gelingt. Diese Auffassung teilt nicht zuletzt der Bürgermeister, wie er im Schlusswort des Abends bestätigte.
Von Nadja Ries