Das größte Restaurant der Stadt

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Klaus Ehmann ist Küchenchef in der Bruchsaler Klinik und kocht jeden Tag weit über 600 Mahlzeiten

Es ist meist noch zappenduster draußen, wenn Klaus seinen Tag beginnt. In Heidelsheim setzt er sich auf seinen alten Drahtesel und radelt hinüber nach Bruchsal, direkt zum großen roten Backsteinbau der Fürst-Stirum-Klinik am Mozartweg. Wenn sich dann die große Tür zum Wirtschaftstrakt des Krankenhauses automatisch vor ihm öffnet, ist Klaus sofort in seinem Element. Schon in der Schule wollte er Koch werden, begann direkt nach dem Abschluss eine Lehre in Karlsruhe. Erste Berufserfahrung sammelte er in einem verrauchten Offizierskasino der Bundeswehr und fand dann kurze Zeit später eine Anstellung im Bruchsaler Krankenhaus. 

Für eine Großküche muss man geboren werden, es gilt nicht nur ein guter Koch zu sein, sondern auch ein Logistiker durch und durch. Klaus liebt die Herausforderung “just in time” zu kochen, dabei in großen Dimensionen zu denken und zu arbeiten. “Ich mag es, wenn die Dinge Struktur und Ordnung haben“, sagt er und strahlt dabei eine Ruhe und eine Gelassenheit aus, die schon fast an Gemütlichkeit grenzt, so dass man sich eingedenk des hektischen Trubel um ihn herum fragt, wie er das macht. Klaus Ehmann ist Küchenchef in den beiden RKH-Kliniken Bruchsal und Bretten und damit für nicht weniger verantwortlich als das größte Restaurant der Stadt. Mehrere hundert Mahlzeiten werden hier jeden Tag zubereitet, drei Menüs stehen dabei zur Auswahl. Dazu kommen unzählige Variationen, die direkt auf die Bedürfnisse der Patientinnen und Patienten zugeschnitten sind. Zwei ausgebildete Diät-Berater sorgen dafür, dass jeder Patient nur solche Nahrungsmittel erhält, die für ihn geeignet und seiner Genesung zuträglich sind. 

Stolz führt mich Klaus durch sein riesiges Reich, in dem jetzt um 11:30 Uhr rege Betriebsamkeit herrscht. An einem großen Laufband werden die Tabletts mit den individuellen Anforderungen für jeden Patienten befüllt, am Ende des Bandes warten bereits Pflegerinnen und Pfleger mit großen Wagen, um die Mahlzeiten sofort auf die Zimmer zu bringen. Ein Teil davon wird in einen Lieferwagen geladen, der postwendend nach Bretten fährt, denn auch hier hat man “high noon” reichlich Kohldampf. Mittagessen gibt´s um zwölf, da gibt es im Kraichgau keinerlei Verhandlungsspielraum. 

Großküchen genießen nicht gerade den Ruf, Gourmet-Ansprüche zu  befriedigen, aber wenn wir ehrlich sind, speist sich dieses Vorurteil doch aus Erfahrungen, die schon Jahrzehnte zurückliegen. Klar, was wir früher in Schullandheimen, beim Zivildienst, beim Bund oder in der Mensa teilweise direkt aufs Tablett geklatscht bekommen haben, hätte jetzt nicht direkt zu einem Sterneregen im Guide Michelin geführt. “Das war sicher mal so, heute ist das aber anders” lacht Klaus, als er sich an eigene Erfahrungen aus seinen Jugendtagen erinnert. “Groß kochen heißt aber nicht schlecht kochen, sondern einfach nur groß”.Tatsächlich ist ein riesiger Anteil der verwendeten Zutaten in seiner Küche frisch und vieles davon sogar direkt aus der Region. Obst und Gemüse aus der Pfalz, Fleisch aus Heidelberg, nur ein kleiner Teil der Zutaten, wie beispielsweise Pommes oder Kroketten, sind Convenience. Angeliefert wird den ganzen Vormittag über, die Waren direkt danach frisch verarbeitet. Überall wird an den glänzenden Edelstahltischen gewerkelt, einer schnippelt Obst für den Quark zum Nachtisch, ein anderer rollt Serviettenknödel. 

Gegen 12:30 Uhr wird es in der großen Küche dann allmählich ruhiger. Alle Tabletts wurden befüllt und ausgeliefert, jetzt wird der riesige Raum gründlich gereinigt. “Die große Show spielt sich hier nur am Vormittag ab, ab Mittag wird es entspannter“, erklärt Klaus, der schon rund acht Stunden auf den Beinen ist. Jetzt hat er Zeit für den ganzen Bürokram, denn die Arbeit am Schreibtisch gehört schließlich auch dazu. Es gilt zum Beispiel, die Menüpläne zu erstellen, deren Zusammensetzung sich in den letzten Jahren tatsächlich gravierend geändert hat. Gut 65 % der Gerichte sind mittlerweile vegetarisch oder vegan. “Das wollen unsere Patienten so” weiß Klaus und auch: “Heute zum Beispiel gab es Grünkernküchle und die Bratwurst, die du gesehen hast, war komplett vegan”. Sachen gibt’s, wer hätte damit gerechnet.

Auch wenn man als Küchenchef in einem Krankenhaus nicht denselben Kontakt zu seinen “Gästen” pflegen kann, wie in einem normalen Restaurant, ist es Klaus doch wichtig, allen Bedürfnissen Rechnung zu tragen. Schließlich darf man nicht vergessen, dass manche der Patientinnen und Patienten schwer krank sind, nicht wenige von Ihnen das Krankenhaus, nachdem sie es einmal betreten haben, nicht mehr verlassen. Wenn hier ein Sonderwunsch kommt, ist das für Klaus Herzenssache. “Dann besorge ich auch mal ein besonderes Stück Fleisch vom Metzger oder koche etwas, das nicht auf der Karte steht”. Auch was die Verschwendung von Lebensmitteln angeht, haben Klaus und das Team der RKH-Küche eine schöne Lösung gefunden. Überzählige Mahlzeiten werden nicht einfach in den Müll geworfen, sondern portioniert, abgepackt und der Tafel Bruchsal kostenfrei zur Verfügung gestellt. 

Am Nachmittag läuft Klaus noch ein letztes Mal an diesem Tag durch seine nun schweigsame und auf Hochglanz polierte, riesige Küche. Abendessen, Frühstück und Rache sind Gerichte, die bekanntlich kalt serviert werden, hier ist die Vorbereitung vergleichsweise einfach. Doch schon morgen Früh, noch bevor der erste Hahn kräht, geht es wieder los. Dann beginnt ein neuer Tag im größten Restaurant der Stadt. 

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4 Gedanken zu „Das größte Restaurant der Stadt“

  1. Ich war vor ca. zweieinhalb Jahren für drei Wochen Patientin im Bruchsaler Krankenhaus. Das Essen war einmalig gut, egal ob Frühstück, Mittag- oder Abendessen.
    Desgleichen möchte ich die Fürsorge und Behandlung des Krankenhauspersonals ganz besonders hervorheben. Ich habe mich gut aufgehoben gefühlt.
    Danke nochmals an alle, die sich um mich so nett gekümmert haben.

  2. Der Schreiberin vor mir kann ich mich nur anschließen. Alles lecker und schmackhaft, da könnte sich z.B. die Uniklinik Mannheim ein Scheibchen abschneiden. 😉

  3. Ich war sehr verwundert, dass 2016 mir 2 Damen unbedingt das externe Catering aufzwängen wollten. Evtl. bekamen sie ja Provision. Ich hab ausdrücklich drauf bestanden, dass ich das Essen aus dem Krankenhaus haben möchte und nichts was bich extra „eingeflogen“ wird. Das Essen vom Krankenhsus war sehr gut, aber die Küchencrew möge es mir nachsehen, kein Grund um schnellstmöglichst oder für längere Zeit Stationär ins Krankenhaus wiederzukommen ❤

  4. So hatte ich es auch in Erinnerung, als ich vor 3 Jahren stationär war. Auch ein Angehöriger von mir, der längere Zeit in der Bruchsaler Klinik lag, war höchst zufrieden. Das war das beste Krankenhausessen mit guten Zutaten und auch frisch. Um so enttäuschter war ich, als ich letztes Jahr eine Woche stationär aufgenommen war. In dieser Woche war es eine einzige Katastrophe. Vielleicht hatte ich auch Pech und der Verantwortliche war gerade im Urlaub. Schön zu hören, dass weiterhin Wert auf eine gesunde, schmackhafte Ernährung der Patienten gelegt wird.

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