C’est la vie im Sellawie

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Mitten in Forst betreiben Bianka und Werner eine nicht ganz alltägliche Mischung aus Café, Laden und Therapiezentrum. Die Corona-Krise macht den beiden aber immer mehr zu schaffen

Etwa acht Jahre ist es her, als Bianka Bleier und ihr Mann Werner in ein neues Leben aufbrachen. Zuvor hatte Bianka jahrzehntelang als Bibliothekarin und Autorin, Werner als gelernter Elektromeister in der Leitung einer Behinderteneinrichtung gearbeitet. Lange Zeit prägte ein klassischer Alltag irgendwo zwischen Beruf, Haushalt und Elternrolle ihr Leben. Mittagessen kochen, die Kinder zur Schule bringen, Rechnungen bezahlen, einmal im Jahr in den Urlaub fahren… das ganze klassische und wohl jedermann gut vertraute Paket.

Als beide etwa 50 Jahre alt wurden – jenes Alter, das man heute den sogenannten “Best Agern” zuschreibt – begann sich dieser vertraute Alltag allmählich im Mahlstrom der Zeit aufzulösen. Die Kinder wurden erwachsen, verließen nach und nach das Nest und zurück blieben nur Bianka, Werner und ein großes, leeres Haus. Bianka machte diese Umstellung zu Beginn schwer zu schaffen, der Wegfall der klassischen Mutterrolle und die verwaisten Kinderzimmer drückten Ihr schwer aufs Gemüt. Doch sie und ihr Mann Werner beschlossen sich und ihr Leben neu zu erfinden – jene Phase, in der so viele Ehen auseinander gehen – für einen Neubeginn zu nutzen. Gemeinsam mit mehreren Freundinnen, darunter auch wie Bianka einige Autorinnen, gründeten sie 2012 in Forst das “Sellawie”. Der Name, entnommen als Bonmot aus Oma Margrets E-Mail-Korrespondenz, steht für den französischen Ausspruch “C’est la vie” – So ist das Leben.

Oberflächlich betrachtet handelt es sich beim Sellawie um eine Mischung aus Café, Laden, Eventlocation und Therapiezentrum, doch dahinter verbirgt sich mehr… Laut Aussage der beiden eine ganze Philosophie, eine Weltanschauung, die für den neuen Lebensweg von Bianka und Werner bezeichnend ist. “Inmitten einer oft rauen Wirklichkeit möchten wir einen Ort schaffen, wo Menschen die Hektik ihres Alltags hinter sich lassen können, aufatmen, auftanken und sich wohlfühlen. Einen Ort der Inspiration, der hilft, das Leben zu feiern, zu gestalten und zu bewältigen.” so steht es auf ihrer Website vor mintgrünem Hintergrund geschrieben.

So abgehoben und esoterisch sich diese Beschreibung für manchen Skeptiker lesen mag, so erfrischend erscheint die Umsetzung in der Praxis. Ohne Zeitdruck, ohne Stress und immer unter Freunden, lässt sich im Sellawie frühstücken, auf einen Mittagstisch einkehren, im Laden nach Wohnaccessoires stöbern oder im angeschlossenen Therapiezentrum die Unterstützung einer Gesprächstherapeutin, einer Osteopathin und einer Masseurin suchen. Bianka und Werner wollen das kleine Ensemble aus ausgebauten und restaurierten Bauernhäusern und Scheunen als Ort der Entschleunigung verstanden wissen. Hier gibt es keinen Zeitdruck – wer mit Freunden auf einen Kaffee vorbei kommt, kann hier stundenlang sitzen ohne Konsumzwang oder weiteres Wenn und Aber.

Bei den Gästen kommt dieses Konzept offenbar gut an – über 1300 folgen dem Sellawie bereits auf instagram und fast 400 Rezensenten vergeben auf Google im Schnitt 4,6 von 5 möglichen Sternen. Gelobt wird genau das, was Bianka und Werner besonders wichtig ist: Das freundliche Ambiente und das nicht minder freundliche Personal. Ein besonderer Renner ist auch das Frühstück. Zwischen 5 und etwa 12 Euro kostet hier der kulinarische Start in den Tag und umfasst ausschließlich Zutaten aus der Region – die Brötchen kommen beispielsweise vom ortsansässigen Bäckerei Böser, die Wurst vom Metzger Vogt und die Eier von Trauth in Wiesental.

Im Winter oder bei schlechtem Wetter kann man in den lichtdurchfluteten und eigenhändig von Werner ausgebauten Scheunengiebeln sitzen, im Sommer auch im kleinen Garten neben sprudelnden Springbrunnen. Im Moment hat allerdings nur der Laden geöffnet, das Café bleibt wegen der derzeit gültigen Corona-Verordnungen bis auf weiteres geschlossen. Ein Stück weit drücken diese massiven Einschränkungen nicht nur aufs Gemüt, sondern auch auf den Geldbeutel. “Wir sind nicht zu Tode betrübt, aber hellwach”, fast Werner die Situation aus seiner Sicht zusammen. “Wir werden überleben, aber mit massiven Einbußen”.

Wie massiv diese Einbußen ausfallen, lässt sich derzeit noch nicht exakt abstecken. Während die Politik bereits den Teil-Lockdown tief in den Dezember hinein verlängert, warten Werner und Bianka noch auf die zugesagte Unterstützung für den November. Zwar müssen Sie als Eigentümer der Hambrücker Straße Nummer 30 keine Pacht bezahlen, doch die Hypothek für den Kauf des Anwesens will natürlich weiterhin bedient werden.

Für die vier Festangestellten und die rund zwanzig 400-Euro-Kräfte heißt es daher nun weiter abwarten und hoffen. Hoffen darauf, dass sich die Dinge wieder normalisieren und sich das Sellawie wieder mit Leben füllt. Eben aus jenem Grund, aus dem das vor acht Jahren aus der Taufe gehoben wurde.

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1 Gedanke zu „C’est la vie im Sellawie“

  1. Es ist wirklich eine tolle Einrichtung, die die Beiden hier geschaffen haben. Und ich bin gerne hier Gast, ganz gleich ob zu einem ausgezeichneten Frühstück oder zu einem Flammkuchen in seinen vielfältigen Vatiationen.
    Doch Gockel gehört mit Sicherheit das Alleinbewertungsrecht !! mein Bewertungen finden sich aussschließlich bei tripadvisor und das ist gut so.

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