Brettens dunkelste Stunde

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Vor 520 Jahren stand das alte Brettheim mit dem Rücken an der Wand, doch der verzweifelte Mut der Stadtbewohner brachte schließlich die Rettung.

von Stephan Gilliar

Sie haben es wieder getan. Vier Tage lang schlüpften die Menschen in Bretten in historische Gewandungen und verwandelten ihre Heimatstadt in das alte Städtchen Brettheim. Das tun Sie Jahr für Jahr mit derart viel Liebe, Hingabe und Leidenschaft, dass man sich unweigerlich die Frage stellen muss: Was treibt sie an, was ist ihre Motivation? Die Antwort dafür findet sich in der Stadtgeschichte, genauer in bedeutenden Geschehnissen, die sich im alten Brettheim vor über 500 Jahren zugetragen haben.

Lassen Sie uns dafür auf eine kleine Zeitreise gehen. Wir schreiben das Jahr 1504, die Welt dreht sich nach den langen, finsteren Jahren des Mittelalters allmählich schneller und schneller. Die Reformation wirft ihre Schatten voraus, neue Kontinente werden entdeckt und erobert, die Menschheit steht an einer Zeitenwende. Der Buchdruck ermöglicht die Weitergabe von Wissen in bislang unbekannten Dimensionen, die Renaissance schreitet voran, das starre Weltbild des Menschen ächzt in seinen Fugen. In der kurpfälzischen Stadt Bretten, damals namentlich noch als Brettheim bekannt, hängen die Menschen aber in diesem heißen Juni 1504 keinen langatmigen Gedanken nach, sondern kämpfen ums blanke Überleben. Ihre Stadt gleicht in diesem Sommer einem Hexenkessel. Die Stadttore geschlossen, die eigenen Truppen nervös abwartend, während draußen das württembergische Heer in großen Verbänden Stellung bezieht. Während die Vorräte allmählich zur Neige gehen, steigt der Druck und die Not der Eingeschlossenen Tag um Tag.

Doch wie war es dazu gekommen, wie konnte die Stadt in diese missliche Lage geraten? Die Ursache dafür findet sich im Herzogtum Bayern-Landshut – ihr Zündpunkt: Der Tod des Wittelsbacher Herzogs Georg des Reichen. Da er keinen männlichen Erben hatte, bestimmte er seine Tochter Elisabeth und ihren Ehemann Ruprecht von der Pfalz zu seinen Erben. Keine unproblematische Entscheidung, verstieß er damit klar gegen seinen Erbvertrag, nachdem sein Erbe eigentlich der Münchner Linie des einflussreichen Wittelsbacher Adels zufallen sollte. Der damit heraufbeschworene Zorn führte zum Ausbruch des Krieges, heute als Landshuter Erbfolgekrieg bekannt.

In der Folge kämpften nun Herzog Albrecht IV. von Bayern-München und seine Verbündeten, darunter König Maximilian I. von Habsburg gegen Herzog Ruprecht von der Pfalz und seine Frau Elisabeth sowie deren Unterstützer, darunter einige regionale Fürsten und Städte. Eine dieser Städte war das alte Brettheim, das damals als Stadt von großem strategischen Wert galt. So befahl Herzog Ulrich von Württemberg, ein Verbündeter von Albrecht und Maximilian, die Stadt im Jahre 1504 mit Truppen zu umstellen. Unterstützung erhielt er dabei durch Kräfte des schwäbischen Bundes sowie einer Abordnung der französischen Ritterschaft.

Bretten wurde von dieser Belagerung keineswegs überrascht, schon im Vorfeld war klar, dass die Stadt durch ihre wichtige strategische Funktion rechts des Rheines ins Visier der Gegner geraten würde. Daher konnten entsprechende Vorbereitungen getroffen werden, beispielsweise eine gewisse Menge an Waffen und Vorräten angelegt werden. Dennoch – je länger die Belagerung durch die zahlenmäßig überlegenen Truppen andauerte, desto schlechter wurde die Lage innerhalb der Stadtmauern. Am 28. Juni 1504 wagten rund 500 Männer aus Bretten daher den Befreiungsschlag, wohlgemerkt ein Unterfangen mit absolut ungewissem Ausgang. Unterstützt von Landsknechte, aber auch einfachen Bürgern, griffen sie überraschend die Truppen vor den Stadttoren in ihren Lagern an. Der von den württembergischen, sich schon des Sieges sicheren Truppen, kaum erwartete Vorstoß glückte. Die dabei angerichteten Schäden an deren Waffen sowie die Verluste an Soldaten und Schlagkraft demoralisierten die Belagerer erheblich, so dass schließlich ein Waffenstillstand vereinbart und die Plünderung der Stadt verhindert werden konnte.

Die Belagerung von Bretten: Sie gilt bis zum heutigen Tage als beeindruckendes Beispiel für den Mut und die Entschlossenheit der Stadtbewohner. Diese hatten sich – konfrontiert mit dem nahezu sicher geglaubten Untergang – erfolgreich gegen eine Übermacht zur Wehr gesetzt.

Bis zum heutigen Tage gedenkt man in Bretten dem erstaunlichen Mut der eigenen Vorfahren, feiert daher Jahr um Jahr das Peter-und-Paul-Fest.

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9 Gedanken zu „Brettens dunkelste Stunde“

  1. Schade das sich aber das Fest so entwickelt hat. Nicht mehr für die Mehrheit der Menschen die hier wohnen und leben. Der Bürgermeister und die Vorsitzenden von AltBrettheim lassen sich feiern. Für was? Das alte Bretten stirbt es regiert das Geld. Schade, da bin ich froh das ich das“ alte PuP mitbekommen habe.

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