Betten, Bikes und Butterbrezeln

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Statt Deko und Partybedarf gibt es im Langnickel-Center im Bruchsaler Kammerforst nun drei neue Mieter, deren Angebote jeweils auf ihre ganz eigene Weise für körperliches Wohlbefinden sorgen.

von Stephan Gilliar

Der Langnickel war eine Bruchsaler Tradition, da gibt es wohl keine zwei Meinungen. Jeder hat hier irgendwann etwas Nippes und Zubehör für die eigene Geburtstagsfete, die Hochzeit oder die Firmenfeier besorgt, sich im Frühjahr hier mit dem passenden Kostüm für die fünfte Jahreszeit eingedeckt. Die Geschichte des farbenfrohen Kaufhauses im Bruchsaler Gewerbegebiet reicht tatsächlich weit zurück. Angefangen hat alles mit Norbert Ritzerfeld, Dekorateur und aufstrebender Kaufmann aus Bruchsal. Er lernte in der Nachkriegszeit den Karlsruher Händler Walter Langnickel kennen, der dort bereits einen kleinen Laden betrieb. Norbert unterbreitete Walter ein Angebot, das dieser nicht ablehnen konnte, und übernahm dessen Geschäft in den goldenen Jahren des Wirtschaftswunders. Einen echten Brusler hält es allerdings nicht lange in der Hauptstadt, und so verlegte er das kleine Geschäft zuerst in eine noch kleinere Garage in der Bruchsaler Augartenstraße. Von hier aus verkaufte er in den sechziger und siebziger Jahren Deko- und Partyartikel für alle Anlässe und Festivitäten – und davon gab es damals bereits reichlich, Feiern isch ewwe unser Ding.

Tatsächlich liefen die Geschäfte derart gut, dass Norbert beschloss, zu expandieren. Ein angebotener Laden auf dem Areal des Schlachthofs war ihm von Beginn an zu klein, und so nutzte er die guten freundschaftlichen Beziehungen zum damaligen Karlsdorfer Bürgermeister Egon Klefens, um im damals noch jungen Gewerbegebiet Kammerforst einen Neubau zu errichten. So entstand hier ein großer Komplex aus mehreren Hallen und Verkaufsräumen, später sogar ein regelrechtes Handelszentrum, denn Langnickel begann, die benötigten Waren direkt aus Asien zu importieren – ganz ohne Zwischenhändler.

Doch wie man sich nur leicht vorstellen kann: In dem Moment, in dem die wirtschaftliche Leistung eines Landes ins Straucheln gerät, sparen die Menschen zuerst an dem, was nicht unbedingt notwendig ist. Dazu zählte offenkundig auch Deko- und Partybedarf, denn spätestens ab dem Ukraine-Krieg und der damit einhergehenden sprunghaften Inflation samt Preissteigerungen in nahezu allen Lebensbereichen liefen die Geschäfte bei Langnickel zunehmend schlechter, erzählt Norberts Enkel Dennis. Deshalb habe man sich dazu entschlossen, Teile des Unternehmens an den langjährigen Vertriebspartner aus der Schweiz zu verkaufen. Das bekannte Ladengeschäft schloss bereits im vergangenen Sommer, derzeit werden ausgewählte Waren noch online vertrieben.

Doch was wird aus dem riesigen, als Langnickel Center bekannten Komplex im Bruchsaler Gewerbegebiet? Auf diese Frage gibt es nun eine Antwort – und eine recht stimmige obendrein, wie Dennis findet. Drei neue Mieter haben sich in den neu unterteilten Räumlichkeiten angesiedelt, zwei davon feierten Ende vergangener Woche Eröffnung.

Da wäre zum einen die Bäckerei Thollembeek, die lange nach dem passenden Areal für ein großes Bäckerei-Café auf Bruchsaler Gemarkung gesucht und nun hier im Kammerforst gefunden hat. Die Räumlichkeiten sind hell und groß, es gibt genügend Parkmöglichkeiten, und die Frequenz stimmt auch, gibt sich Marc Thollembeek, Inhaber der Familienbäckerei, optimistisch. Lediglich der Sonntag sei noch mit ein paar großen Fragezeichen versehen, denn dann ist traditionell in einem Gewerbegebiet bekanntlich nicht sehr viel los. Doch der Wunsch nach Frühstücksangeboten am Wochenende ist groß, und so hofft Marc Thollembeek, die Menschen aus dem Umkreis auch am Sonntag für einen gemeinsamen Brunch im neuen Café gewinnen zu können. Warum auch nicht? Das Langnickel Center liegt sehr zentral, ist gut erreichbar aus Bruchsal, aus Karlsdorf-Neuthard und aus Forst.

Direkter Nachbar des Bäckerei-Cafés der Thollembeeks ist ein nagelneues Fahrradgeschäft, das auf den Namen „JS Bikes“ getauft wurde. Die beiden Buchstaben sind die Initialen eines Namens, der unter Profi-Radfahrern direkt aufhorchen lässt. Johannes Sickmüller erlangte 2004 den Titel des deutschen U23-Vizemeisters im Cyclocross und schaffte kurz darauf den Sprung in die Elite-Klasse, wo er im darauffolgenden Jahr ebenfalls Zweiter bei den deutschen Meisterschaften wurde. In den Jahren 2005 und 2006 war er Teil des Stevens Racing Teams und erzielte 2006 bedeutende Erfolge: Er gewann ein Rennen im luxemburgischen Muhlenbach und holte sich den Titel des deutschen Crossmeisters. Doch wie bei jedem Profisportler sind die Jahre der aktiven Karriere bereits im Vorfeld ein eng abgestecktes Zeitfenster. Johannes wusste das von Anfang an genau, stieg mit Anfang 30 bewusst langsam, aber sicher in ein Leben nach dem Profisport ein. Im Fernstudium studierte er Wirtschaftsingenieurwesen und arbeitete später in der Geschäftsleitung eines Fahrradgeschäfts. Während dieser Jahre wuchs in ihm der Wunsch nach einer selbstständigen Tätigkeit und reifte, bis zu jenem Zeitpunkt, als er schließlich Dennis Ritzerfeld kennenlernte. Wie der Zufall es wollte, wurden durch die Insolvenz des Heidenheimer Raumausstatters TTL im Langnickel-Center gerade Geschäftsräume frei. Johannes zögerte nicht lange, und man wurde sich einig. Ab sofort finden Hobby- und Profi-Radler bei JS Bikes alles, was sie für ihre Leidenschaft auf zwei Rädern brauchen – inklusive Beratung durch eine echte Radsport-Legende.

Den dritten Neuzugang im Bunde kennt Johannes übrigens auch schon eine ganze Weile persönlich, denn bei Lars Bachor hat er sich nach dessen Neueröffnung im Langnickel Center gleich eine neue Matratze gegönnt. Im Kammerforst ist die Familie Bachor schon seit einiger Zeit zu Hause; bis jetzt befand sich ihr Geschäft gegenüber dem Media Markt. Doch die neuen, größeren und helleren Räume im alten Langnickel haben es Lars sofort angetan. Lars führt das Familienunternehmen bereits in zweiter Generation, dessen Geschichte bis in die Sechzigerjahre zurückreicht. Gegründet wurde es 1967 von Siegmar Bachor und spezialisierte sich zunächst auf die Produktion von Daunen- und Steppbetten für Versand- und Kaufhäuser. Ab 1970 erweiterte man die Geschäfte auf den Einzelhandel mit Filialen in Bruchsal und Bretten. In den 1990er Jahren wuchs das Unternehmen stark und eröffnete zehn weitere Geschäfte unter dem Namen „Schlafpartner“. 1999 übernahm schließlich Lars Bachor die Leitung.

Dennis Ritzerfeld, als Inhaber des Langnickel Centers, ist jedenfalls hochzufrieden mit seinen neuen Mietern und findet die Kombination dieser Dienstleistungen und der Gastronomie stimmig und gelungen. „Das passt einfach, ich habe da ein sehr gutes Gefühl“, sagte er bei unserem kleinen Rundgang über das Gelände. „Das Familiäre hier ist mir sehr wichtig“, ergänzt er und öffnet wie zum Beweis aus der eigenen Kaffeeküche heraus eine unverschlossene Tür, die direkt ins Lars Schlafcenter führt.

Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass es im Langnickel Center noch eine Niederlassung eines Anbieters für Autoverglasung gibt und vis-à-vis des großen Parkplatzes ein kleines Imbisslokal, deren jeweilige Initialen aber die hippe Alliteration unserer Überschrift gesprengt hätten.

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