In ihrer Werkstatt in Oberöwisheim restauriert Sina Hildebrand historische Orgeln und Musikautomaten
Orgeln, das war schon immer Sinas Ding. Egal ob es die Orgel in der Kirche war, die Drehorgel oder die Hammondorgel… Der Sound, die Technik und die Kunstfertigkeit ihrer Schöpfer begeistern sie schon seit sie denken kann. Als ein Bekannter ihr eines Tages Aufnahmen der “Mighty Wurlitzer”aus Berlin, der größten Kino- und Theaterorgel Europas mitbrachte, war es dann ganz um sie geschehen. Der weiß-goldene Koloss mit seinen über 1200 Pfeifen, der 1929 als private Anfertigung für Werner Ferdinand von Siemens gebaut wurde, zog Sina in ihren Bann. Sie beschloss ihre Ausbildung zur Sozialassistentin abzubrechen, um im Instrumentenbau neu anzufangen. Keine leichte Entscheidung, da ein Wegzug aus dem elterlichen Haus in Rodheim vor der Höhe im hessischen Wetteraukreis damit unabdingbar wurde. Besonders Sinas Großmutter traf dieser Umstand hart, die ein sehr enges Verhältnis zu ihrer Enkelin pflegte. Doch Sinas Mutter war es letztlich, die die Entscheidung zugunsten Sinas höchstpersönlichem und eigenen Weges prägte. “Ich möchte einfach, dass du glücklich wirst, Kind“, erinnert sich Sina noch gut an ihre Worte. Worte einer Frau, die ihre eigene Berufswahl ganz von den elterlichen Wünschen abhängig gemacht hatte und damit niemals richtig glücklich geworden ist.
So zog Sina hinaus in die Welt. Schon mit 16 hatte sie über einen Freund ihres Vaters Gotthard Arnold kennengelernt, einen Meister-Orgelbauer, der ursprünglich in Sachsen geboren, nun in Bad Schönborn eine große Werkstatt betrieb und sich auf die Renovierung historischer Musikautomaten spezialisiert hatte. Noch zu Zeiten ihrer Ausbildung zur Sozialassistentin war sie fast an jedem Wochenende hier, half mit und lernte, lernte und lernte. So selten und speziell der Beruf des Renovators auch sein mag, an Aufträgen mangelte es nie. Kunden auf der ganzen Welt vertrauten ihre alten Schätze Meister Arnold an, der sie von Grund auf instand setzte. Eine extrem aufwendige und langwierige Arbeit. Das Innenleben eines Musikautomaten ist über alle Maßen filigran und eine technische Meisterleistung, die verschiedene Fähigkeiten voraussetzt: Von der Mechanik über die Elektrik bis hin zur Schreinerei.
Besonders vielseitig ist diese Gattung der Musikinstrumente auch hinsichtlich ihrer Größe. Von der kleinen Drehorgel, die man sich umhängen kann, bis hin zur raumfüllenden Kino-Orgel ist einfach alles möglich. Eine enge Zusammenarbeit besteht seit Jahrzehnten auch mit den Technikmuseen Sinsheim-Speyer, die eine große Sammlung von Musikautomaten in ihren Hallen beherbergen. Eines der Schmuckstücke in Speyer ist die Welte-Philharmonie-Orgel, die Gotthard Arnold über Monate hinweg bis ins kleinste Detail renovierte und überholte. Das über einhundert Jahre alte Instrument stammt übrigens aus dem Besitz des einstigen Besitzers der Washington Post Eugene Meyer aus dessen Sommerhaus in New York.
Was zunächst als Lehrer-Schüler-Verbindung beginnt, wird über die Zeit zu einer echten Liebesbeziehung. Anfang der 2000er heiraten Sina und Gotthard, der hohe Altersunterschied stört sie dabei nicht. Zusammen arbeiten sie in ihrer zwischenzeitlich nach Oberöwisheim umgezogenen Werkstatt, reisen durch die Welt, kaufen Ersatzteile für ihre Werkstatt, treffen Gleichgesinnte, neue Kunden. 2005 übernimmt Sina das Unternehmen, führt es seither als “Fachstätte” weiter. “Die Arbeit geht uns nie aus” sagt Sina, die wir am Rande der Drehorgelserenade in Speyer treffen – einer Mischung aus Familientreffen für Drehorgelfreunde und Konzert. Auch wenn die Instrumente heute etwas aus der Zeit gefallen wirken mögen, erfreuen sie sich nach wie vor großer Beliebtheit – die Halle ist voll an diesem Abend.
Es sei auch ein guter Zeitpunkt, um neu einzusteigen, weiß Sina- Die erste Sammler-Generation stirbt gerade langsam aus, viele Instrumente gelangen so wieder auf den Markt. Wer also Lust hat, sich mit einem der wohl vielseitigsten Instrumente aller Zeiten vertraut zu machen, der hat nun die Gelegenheit und mit Sina und Gotthard auch gleich eine gute Adresse im Falle eines Falles.
Schöner Artikel. :)
Wir waren den Abend bei der Drehorgelserenade auch dabei und es war eine tolle Veranstaltung!
Ich freue mich immer wieder über solche Artikel. sie sind für mich das Salz in der Suppe bei Hügelhelden. Da werden bleibende Schätze präsentiert und die Menschen vorgstellt, die sich um sie kümmern. Besten Dank für die Arbeit die Sie täglich für uns tun.
Herzlichen Dank für die freundlichen Worte, diese freuen uns sehr