Die Zähmung des wilden Wassers

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Ein Spaziergang entlang der wilden Schleife des Philippsburger Altrheins und ein Blick zurück auf die wilde Vergangenheit unseres Flusses

In einer langen, unaufgeregten Bahn zieht der mächtige deutsche Strom – der alte Gevatter Rhein – 1320 Kilometer vom Schweizer Kanton Graubünden bis hin zu seinen Mündungsarmen in der niederländischen Nordsee dahin. Unsere badische Heimat betritt das mächtige Wasser aus den Tiefen des Bodensees heraus, durchläuft sie der Länge nach um sich bei Mannheim gen Norden zu verabschieden.

Die Geschwindigkeit, mit der der alte Fluss auf seinem langen Weg dahin fließt, ist nicht überall gleich. In unserer Oberrheinebene durchlief das Wasser früher nur ein geringes Gefälle und war daher vergleichsweise langsam unterwegs. Geröll, Sand und Gestein, das der Fluss teilweise über hunderte Kilometer mit sich trug, konnte sich aufgrund der verminderten Fließgeschwindigkeit hier absetzen und formte über die Zeit einen wilden, ungebändigten Flußlauf, gespickt mit Seitenarmen, Schleifen und Flussinseln. Tatsächlich fanden sich im 18. Jahrhundert noch rund 2000 dieser Inseln zwischen Basel und Karlsruhe. Mit jedem Hochwasser veränderte der Rhein in unserer Heimat damals sein Aussehen. Inseln und Seitenarme verschwanden, tauchten an anderer Stelle neu auf – der alte Rein war launisch, wild und vor allem unstet. Menschliche Besiedlungen entlang des Flusses waren damals andauernd der Gefahr eines Hochwassers ausgesetzt. Dörfer wurden überflutet, mitunter regelrecht hinweg gespült und durch immer wieder neu entstehende Sümpfe, konnten sich Krankheiten schnell ihren Weg durch alle Schichten der Bevölkerung bahnen.

Im 19. Jahrhundert schickte sich dann der Karlsruher Wasserbauingenieur Johann Gottfried von Tulla an, den wilden Fluss zu bändigen und zu begradigen. Im Jahr 1817 wurde das für damalige Verhältnisse ehrgeizige und große Mammutprojekt angegangen. Flussschlingen wurden durchstochen, Zuläufe zu Nebenarmen geschlossen, Dämme aufgeschüttet und der Rhein in ein zentrales und geraderes Bett gelenkt. 60 Jahre später war das Werk vollbracht. Der wilde Rhein floss nun zentriert und um 90 Kilometer verkürzt, zwischen Basel und Karlsruhe dahin. Weil das Wasser ungehindert strömen konnte, grub sich das Flussbett immer tiefer in den Boden, wurde dadurch schiffbar und durch den gleichzeitig absinkenden Grundwasserspiegel, trocknete das Land so weit aus, dass es deutlich besser für Menschen zu besiedeln war.

Auch wenn Tullas Rheinbegradigung einige Schattenseiten mit sich brachte, beispielsweise ein massiver Artenrückgang zu Wasser und am Ufer, gilt er auch heute noch als ingenieurtechnische Meisterleistung, die ihresgleichen sucht. Ganz verschwunden ist der natürliche Rhein von einst aber noch nicht, viele Altarme und Mäander zeugen noch heute von den wilden Tagen des alten Stromes. Ein Zeuge dieser früheren, natürlichen Kraft des Rheines, ist der Altrhein bei Philippsburg. Die frühere Schleife des Flusses passiert die Stadt im Norden und nimmt in ihrem Lauf den zufließenden Saalbach auf. Auf verschlungenen Pfaden und Wegen kann diese einzigartige Naturlandschaft zu Fuß entdeckt werden. Je näher man dem Wasser kommt, desto schwieriger wird es trockenen Fußes an sein Ziel zu gelangen. Wer sich davon nicht abhalten lässt, wird im Sommer von einem Stück Landschaft und einer wilden Natur belohnt, die einzigartig in unserer Region ist. Biber, Bisamratten, Haubentaucher und Stockenten leben entlang des Wasserlaufes, Hechte, Welse und Flussbarsche im kühlen, tiefgrünen Nass. Nicht zu vergessen, Milliarden von Stechmücken, die es letztlich nur Philippsburger Lederhäuten ermöglicht, hier unbeschadet voranzukommen.

Wer nasse Füße und Mückenstiche fürchtet, der ist mit einem gemütlichen Spaziergang über die Dämme des Polders der Rheinschanzinsel, welche von Rhein und Altrhein umschlossen wird, am Ende doch besser beraten. Im Falle eines Hochwassers gleicht dieses Areal einem echten Meer, bei Trockenheit jedoch wandert der Blick über ein norddeutsch anmutendes, plattes Stück Grün, durchzogen von Feldern und Wegen. Wer dem Damm eine Weile lang folgt, kann in einer Waldschneise den Zugang zum Philippsburger Schöpfwerk entdecken. Im Falle eines Hochwassers regelt es den Zufluss des Wassers in den Philippsburger Altrhein. Der Polder auf der Rheinschanzinsel wurde vor sechs Jahren zur Abwehr möglicher Hochwassergefahren geschaffen. Im Ernstfall kann er über sechs Millionen Kubikmeter Wasser das Rheines zeitweise aufnehmen. Wer noch etwas weiter gehen möchte und keine Umwege scheut, der findet auf der Rheininsel Korsika ein echtes Paradies für Naturliebhaber und – mit entsprechenden Lizenzen ausgestattet – auch für Angler. Die Insel ist auch nur von Oberhausen aus zu erreichen und verdankt ihren Namen übrigens tatsächlich dem großen (kleinen) französischen Feldherren Napoleon, der hier einst übernachtet haben soll.

Ein Spaziergang am Philippsburger Altrhein lässt noch vage erahnen, wie der uralte, deutsche Strom einst ausgesehen haben mag. Zwar hat der Mensch das Wasser gezähmt, gebändigt und in neue Bahnen gelenkt, doch hier findet sich tatsächlich noch ein Stück natürlich gewachsenen Flusslaufes. Wer hier, in diesem sensiblen Stück Natur unterwegs ist, hat die Pflicht es pfleglich zu behandeln. Wege sollten eingehalten, Hunde an der Leine geführt und Abfälle statt in der Natur, in der eigenen Tasche verstaut werden. Genießen Sie einfach dieses Stück wilder, ursprünglicher Heimat und vergessen Sie im Sommer nicht, die Mückenlotion zentimeterdick aufzutragen.

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4 Gedanken zu „Die Zähmung des wilden Wassers“

  1. Sogar der Lachs war heimisch im Rhein . Schade , ich hätte ihn gerne einmal gesehen , den ursprünglichen wilden Rhein mit seinen vielen Inseln.

  2. Vielen Dank für diesen Bericht. Ich kenne diese Gegend leider nicht, aber sie ist für mich sehr interessant. Eine Bitte habe ich noch: kann man vielleicht in Zukunft die Sache mit den Bildern so gestalten, dass es auf der rechten Seite eine Pfeil gibt und man damit zum nächsten Bild kommt? Oder habe ich das einfach nicht bemerkt. Danke für den Hinweis.

    • Hallo Herr Lang, diesen Pfeil gibt es doch. Er erscheint sehr schwach am rechten Bildrand. Wenn Sie ein Bild öffnen, läuft zudem automatisch eine Diashow an.

      Herzliche Grüße

  3. Da hat wohl jemand die Doku „Wie Tulla den Rhein begradigte“ auf Arte geschaut. Sehr empfehlenswert, gerade als Badener

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