Alleine im Kino

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Warum es noch nie so schön und nie so wichtig war jetzt ins Kino zu gehen

Ein leidenschaftliches Plädoyer für das Kino von unserem Redakteur Philipp Martin

Ich kann mich noch genau daran erinnern wie ein normaler Samstagabend im Filmpalast am ZKM vor 20 Jahren ausgesehen hat. Die Bude war voll, brechend voll. Vor allen Sälen standen die Menschen Schlange, besorgten sich Popcorn oder bevölkerten im Foyer die zahlreichen Restaurants und Bars. Tatsächlich öffnete das XXL Kino in der Karlsruher Brauerstraße bereits im März 2000 und verdrängte in der Folge einige kleinere Kinos aus der Karlsruher Innenstadt, zu mächtig, innovativ, verlockend und neu war der gigantische Film-Tempel, der vom damaligen Besitzer des Kultkinos Schauburg hochgezogen wurde.

Umso geschockter war ich, als ich vor einigen Tagen das erste Mal seit Beginn der Corona-Krise nach Karlsruhe fuhr, um im Filmpalast einen Streifen den ich schon seit langem sehen wollte, auf der großen Leinwand zu genießen. An diesem Juni-Nachmittag war ich nicht nur der einzige Zuschauer in meinem Kinosaal, sondern nach meiner Beobachtung auch der einzige Zuschauer im gesamten Filmpalast. Das normalerweise von Leben und Aktivität nur so strotzende Foyer, lag verweist und menschenleer da, die Bistros und Imbissbuden dunkel und verlassen. Ich plauderte ein bisschen mit den beiden Karten-Kontrolleuren und der Dame am Ticketschalter. Selbst am Wochenende sind derzeit nur wenige Menschen hier, nur ein Bruchteil dessen was normalerweise üblich ist.

Ich kann nur spekulieren was der Grund für diese Zurückhaltung sein mag. Vermutlich in allererster Linie die Angst vor einer Ansteckung, aber auch der etwas höhere Aufwand bzw. das veränderte Prozedere um an eine Kinokarte zu kommen. Als regelmäßiger Kinogänger, der bereits seit dem ersten Tag der Wiedereröffnungen erneut am Start ist, möchte ich aber an dieser Stelle einige dieser Sorgen ansprechen. Die Kinos haben definitiv ihre Hausaufgaben gemacht und die Abläufe bestmöglichst organisiert. Im ZKM beispielsweise können die Tickets ganz einfach im Vorfeld online gekauft und die entsprechenden Meldedaten in einen ausdruckbares PDF gleich eingetragen werden. Im Kino selbst gilt die Masken-Pflicht nur bis zum Kinosessel, dort kann das Maultäschle sofort abgenommen werden. In den großen Sälen werden nur die Hälfte der Sitze freigegeben, so dass zwischen den Zuschauern reichlich Platz und Freiraum entsteht – es erschließt sich mir nicht, wieso das Risiko einer Ansteckung hier höher als im Supermarkt, im Bus oder im Restaurant sein sollte. Das Personal ist zudem hilfsbereit, aufgeschlossen und bemüht sich um so viel Normalität wie es eben derzeit möglich ist.

Auch im Bruchsaler Cineplex hat man derzeit während des Filmgenusses jede Menge Platz. Als ich gestern Abend dort gemütlich einen im Frühjahr verpassten Blockbuster ansah, war ich auch hier einziger Gast in meinem Kinosaal. Bei dieser Auslastung dürfte das Kino wohl vermutlich sogar einer der Orte sein, an dem man vor dem Virus so sicher ist wie in Abrahams Schoß. Dass es für den Kinobetreiber kaum möglich ist mit nur einem Zuschauer im Saal kostendeckend zu arbeiten, dürfte – für jedermann nachvollziehbar – absolut ausgeschlossen sein. Der Verleiher möchte sein Geld für den Film sehen, die freundlichen Damen an der Kasse müssen bezahlt werden und das erst kürzlich komplett sanierte Kino wirft vermutlich ebenfalls reichlich laufende Kosten auf.

Ich kann daher nur an alle Kino-Fans appellieren: Kommt zurück und unterstützt euer Kino.

Abgesehen von der Tatsache, dass kein Kinobetreiber diese Durststrecke noch mehrere Monate aushalten dürfte, gibt es für einen Kinobesuch im Moment ein paar dicke Pros zu nennen:

Da wäre zum einen das gigantische Platzangebot. Wer sich in einem voll ausgebuchten Kino nicht wohlfühlt, der dürfte die Auslastung mit reichlich Sicherheitsabstand wirklich genießen. Strecken, räkeln, Jacke auf dem Nachbarsitz ablegen und kein aufdringlicher Aftershave-Geruch vom Nebenmann – das gibt es nur jetzt und das kommt nie wieder

Für mich ein echtes Argument ist die derzeitige Filmauswahl. Da sich Hollywood wegen der Krise momentan noch ziert die großen Blockbuster anlaufen zu lassen, behelfen sich die Kinos mit Filmmaterial aus der Vergangenheit. So habt ihr die einzigartige Chance Perlen der Kinogeschichte auf der Leinwand zu erleben, die ihr dort vermutlich noch nie zuvor gesehen hat. Nehmen wir z.b. das Cineplex Bruchsal. Hier gibt es im Juli den Kultstreifen mit Audrey Hepburn “Frühstück bei Tiffany” zu erleben – zuletzt lief dieser 1961 im Kino. Ein paar Tage später könnt ihr die alten Star Wars Filme aus den Siebzigern und 80ern erleben, dazu Michael Jackson’s Moonwalker, 12 Monkeys mit Bruce Willis und Brad Pitt oder das Sci-Fi-Epos „Interstellar“.

Wer unbedingt nur große Hollywood-Blockbuster der Gegenwart sehen möchte, der muss sich allerdings noch etwas gedulden. Die dicken Kino Hits des Sommers 2020 wurden wegen der Krise ordentlich nach hinten geschoben. Vermutlich aber im August wird noch Christopher Nolans Zukunftsthriller “Tenet” anlaufen, etwa zeitgleich die Disney Realverfilmung von “Mulan”.

Ich kann dennoch nur erneut empfehlen, nicht so lange zu warten. Euer Kino braucht euch und abgesehen von der Masken-Pflicht bis zum Sitzplatz, war es vermutlich niemals so entspannt sich einen Film anzusehen, wie in diesem Frühsommer. Das Beste von gestern und dazu reichlich Platz – meine nächste Kinokarte steckt auf jeden Fall schon jetzt im Portemonnaie.

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