Mitfahrerbänke boomen
So trampt man heute – Hinsetzen – Mitfahren – Ankommen
Früher war es gar nicht so leicht, unkompliziert von A nach B zu kommen. In meinem Fall stand B für mein Kraichgauer Heimatdorf und A für die Lichter von funkelnden, faszinierenden Großstädten wie Heilbronn oder Karlsruhe. Zu einer Zeit, als die Stadtbahn noch nicht im Hinterland verkehrte und die Busse nur sehr selten fuhren, gab es nur einen Weg, um größere Distanzen schnell und kostengünstig zu überwinden: Raus den Daumen und toi toi toi. Ja, per Anhalter fahren war damals eine beliebte Art der Fortbewegung, Sicherheitsbedenken wie heute hatte man im Grunde noch nicht, obgleich der Spaß auch in den 80ern nicht sehr viel sicherer gewesen sein dürfte als heute. Manchmal hatte man Glück und der erste Wagen fuhr ran, manchmal dauerte es ewig, manchmal klappte es gar nicht. Dazu kam immer ein gewisser Nervenkitzel, denn schließlich wusste man selbst bei einer erfolgreichen Hinfahrt nicht, ob man später am Abend auch wieder zurückkam. Sagen wir es so, ich bin früher sehr sehr viel gelaufen.
Heute ist das klassische Trampen aus der Mode gekommen, nur selten sieht man an den Autobahnabfahrten Wagemutige mit Pappschildern, die es in die Ferne zieht. Dafür erfährt aber gerade eine andere Form des Anhaltens einen Boom: Die sogenannte Mitfahrbank. Der Gedanke dahinter ist bestechend einfach und unkompliziert: An fest definierten Orten stehen fest installierte Bänke, auf denen man Platz nehmen kann und mittels einem ausklappbaren Schild anzeigt, wohin man gerne mitgenommen werden würde. Das kann z.B der Bahnhof sein, die Ortsmitte oder das Einkaufszentrum am Ortsrand. Da normalerweise genügend Autos zu jeder Zeit in alle Richtungen unterwegs sind, stehen die Chancen nicht schlecht spontan einsteigen zu können.
Braucht es das auf dem Dorf wirklich, mögen manche vielleicht nun fragen. Schließlich ist doch in unseren Dörfern fast alles fußläufig erreichbar? Ja, wenn man gut zu Fuß ist, stimmt das vielleicht. Wenn man es aber nicht ist, beispielsweise weil man schon ein paar Lenze auf dem Buckel hat oder die Knochen nicht mehr so wollen wie man selbst, können auch ein paar hundert Meter zum Problem werden. Das gilt umso mehr, wenn man etwas zu transportieren hat, beispielsweise eine schwere Einkaufstüte aus dem Supermarkt. Busse eignen sich dafür auch nicht in jedem Fall, nicht selten gibt es in den Dörfern nur eine einzige Haltestelle – ein Transport innerorts fällt damit in diesen Fällen flach.
Eine Mitfahrbank, wie sie viele Gemeinden bereits aufgestellt haben, ist daher eine gute Lösung um “Transportwillige” mit “Transportsuchenden” unter einen Hut zu bringen. Zuletzt hat auch die Gemeinde Gondelsheim ein solches System eingeführt und innerhalb der Ortsgrenzen vier dieser Bänke installiert. In Gondelsheim ist dieses System doppelt sinnvoll, denn die Gemeinde ist in ihrer Anatomie wie ein langgezogenes Kaugummigummi entlang von Bahnstrecke, Bundesstraße und Saalbach beschaffen. Etwa 2,5 Kilometer sind es zu Fuß vom nördlichen Ortsrand bis zum Supermarkt im Süden Gondelsheims. Bepackt mit ein paar Einkäufen eine für insbesondere ältere Menschen unüberbrückbare Distanz.
Doch genau dafür hat die Gemeinde durch ihren Bauhof nun vier feuerrote Bänke aufgestellt, auf denen man Platz nehmen und vorher mit einem variablen Schild festlegen kann, wohin man mitgenommen werden möchte. Diese Bänke stehen strategisch verteilt am Kreisel Nord, an der Bruchsaler Straße bei der Einfahrt Bruchweg, am Rathausplatz, am Bahnhof und beim Supermarkt. Damit steht die Infrastruktur für das kommunale Trampen, nun müssen nur noch Anhalter und Hobby-Chauffeure zueinander finden. Doch die Gondelsheimer helfen sich traditionell gerne aus, die Gemeinschaft funktioniert im Dorf, ist Bürgermeister Markus Rupp überzeugt: „Gleich ob das grüne ‚Schwätzbänkle‘ oder das rote ‚Mitfahrbänkle‘, uns geht es um Plätze des Miteinanders, des persönlichen Austauschs und des gegenseitigen Helfens.“ Ergänzend fügt er hinzu: „Das Zwischenmenschliche hat in den Jahren der Pandemie stark gelitten und auch deshalb schaffen wir weitere Orte der Begegnung.“
Doch so leicht das Prozedere auch erscheinen mag, hat es natürlich auch den berühmten Haken. Was bringt es Oma Ottilie, wenn sie eine nette Dame zum Supermarkt mitgenommen hat, sie dort ihren Korb voll belädt und danach keinen Fahrer mehr für den Rückweg findet? Natürlich steht auch beim Einkaufsmarkt eine Mitfahrbank, doch Garantien gibt es natürlich keine. Die Lösung ist hier wie so oft mit dem gesunden Menschenverstand zu finden: Wenn Sie eine ältere oder in der Mobilität eingeschränkte Person auf der Bank sehen, dann planen Sie doch einfach ein, diese nach dem Einkauf auch nach Hause zu bringen oder zumindest wieder zur Abfahrtsbank. Das kostet zwar etwas mehr Zeit, aber wie lange kann ein kurzer Abstecher in einer kleinen Gemeinde wie Gondelsheim schon dauern? Was die Haftung angeht, so müssen Sie sich übrigens keine Sorgen machen. Private Mitnahmen sind über die ganz normale Haftpflichtversicherung abgedeckt, wie zum Beispiel ein großer deutscher Versicherer in einer Pressemeldung erläutert. Und auch die Gemeinde gibt noch ein paar juristische Schmankerl mit dazu und schreibt ihrerseits in einer öffentlichen Mitteilung: “…Die Straßenverkehrsordnung ist von allen Beteiligten einzuhalten. Die Nutzung unseres nicht gewerblichen Mitfahrkonzepts erfolgt ausschließlich in eigener Verantwortung und auf eigene Gefahr. Die Entscheidung, bei wem sie einsteigen bzw. wen sie mitnehmen, treffen die Nutzer/Fahrer immer selbst. Die Nutzung der Mitfahrbank wird nicht vor Vollendung des 18. Lebensjahres empfohlen.”
Naja, so ist das eben in Deutschland, alles hat Regeln, für alles gibt es die passenden Paragraphen. Darüber hinaus ist das Konzept der Mitfahrbänke aber einfach eine rundum schöne Sache und eine echte Win-Win-Situation. Nnnötiger Verkehr wird vermieden, die Umwelt wird dadurch entlastet, ältere oder wenig mobile Menschen gewinnen ein Stück Lebensqualität und Mobilität zurück. Nicht zuletzt verbindet eine solch kleine unscheinbare Bank auch noch Menschen miteinander und hat das Zeug das “Wir-Gefühl” im Dorf auf die schönst mögliche Weise zu bereichern. Daher daumen hoch für den Daumen raus.
Guten Morgen Baden, auch schon ausgerschlafen ? Was man hier Neuheit feiert gibt in Sulzfeld am Main scho lang.
jo…mer sin weiter im Westen, do schläft mer länger!!!
Also geht doch! Einfache Lösungen wie Mitfahrbank oder Babbelbank gibt es zwar schon lange in anderen Gemeinden, aber toll dass diese Ideen jetzt auch hier umgesetzt werden. Jetzt sollten die Verantwortlichen nur noch schauen, dass die aeltere Bevölkerung die Möglichkeit hat sich immer mal wieder auf ihrem Weg durchs Dorf oder der Stadt mal hinsetzen zu können. Das würde das Ganze noch abrunden. Weiter so.