Seit einem halben Jahrhundert dampft der Fernando Express durch die Charts – bald könnte er seinen letzten Stopp ansteuern.
Als Josef Eisenhut seine Liebe zur Musik entdeckt hat, war er einen blutjunger Springinsfeld von gerade einmal 10 Jahren. Sein Vater, der als Gochsheimer Steinmetz hart arbeitete um die Familie über Wasser zu halten, nahm damals eigens eine zusätzliche Arbeit an, um seinem Sohn ein Akkordeon kaufen zu können. Ein kleines, unscheinbares Stück Mechanik von Hohner, für Josef aber der Beginn einer ganz großen Geschichte. Zwei Jahre später zog die kleine Familie nach Gondelsheim und hier lebt Josef noch heute. Mittlerweile ist er ein rüstiger Senior, dessen lange Karriere und das stete, intensive Brennen von seinem Körper allerlei Tribut gefordert haben. Das ständige “unter Strom stehen”, der fortwährend hohe Blutdruck haben seine Nieren irgendwann in die Knie gezwungen, seither muss Josef mehrfach in der Woche zur Dialyse nach Bretten. Bereuen tut Josef aber nichts, er hat ein Leben gelebt, das spannender und abwechslungsreicher nicht sein konnte. In seinem alten Keller-Proberaum, vollgestopft mit Instrumenten aller Art und unzähligen Andenken und Erinnerungen aus über fünf Jahrzehnten, beginnt er zu erzählen.
Die Geschichte seiner Band, seines Fernando Express, beginnt im Grunde bereits in den 60er-Jahren. Damals hatte Josef mit mehreren seiner Freunde aus dem Gondelsheimer Musikverein eine eigene Tanzkapelle gegründet. Der name: Die Gondis. Man spielte auf Festen, Feiern, auf dem sonntäglichen Tanztee und jeder weiteren Gelegenheit, die sich eben bot. Irgendwann wurden aus den Gondis die deutlichen cooleren “Rancher” – eine Coverband die neben ein paar Eigenkompositionen besonders die wilden Hits der späten 60er mit einer guten Bühnenshow zu verbinden wusste. Jimi Hendrix, Mama Cass Elliot, Bob Dylan, eben alles was damals in den Charts rauf und runter lief. Jeden Samstagabend waren sie gemeinsam auf Achse und traten turnusmäßig in so ziemlich allen Mehrzweckhallen im Kraichgau und im Landkreis Heilbronn auf. Der Badische Hof in Eppingen beispielsweise war fast ein zweites zuhause für die Rancher.
Die Szene war damals hart umkämpft, die ständige Konkurrenz saß den Jungs aus Gondelsheim beständig im Nacken. Besonders ausgeprägt war die Rivalität mit den “Mercy Kings”, einer Combo die sich im Grunde auf das gleiche Repertoire spezialisiert hatte. Doch irgendwann rief Vater Staat und beide Bands bekamen ein dickes Problem. Die Einberufung zur Bundeswehr stand an, einer Pflicht der man sich damals nicht ohne weiteres entziehen konnte. Den Bands fehlten also die Männer und damit die Grundlage für ein weiteres Touren. Aus der Not heraus beschloss man sich mit der Situation zu arrangieren, den Wehrdienst zu absolvieren und danach gemeinsame Sache zu machen. 1969 wurden also aus den Ranchers und den Mercy Kings die Skippies geboren. Das erste gemeinsame Band Foto zeigt ein paar langhaarige und flaumbärtige Jungs, aufgenommen auf der sommerlichen Wiese vor dem Schloss Gondelsheim, in jenem Jahr als Willy Brandt Bundeskanzler wurde und die Apollo 11 Mondmission glückte.
Es folgten unzählige Auftritte, ein Manager kam an Bord und schließlich winkte der erste Plattenvertrag. 1982 regte die damalige Plattenfirma an, den Namen “die Skippies” zu überdenken. En vogue war damals alles was an Sonne, Strand und Meer erinnerte, das Südseefeeling war Erfolgsgarant für die Schlagerbranche der frühen 80er. Nach einigen, sehr intensiven Diskussionen, wie Josef sich erinnert, akzeptierte man schließlich zähneknirschend den Vorschlag und trat fortan unter dem neuen Namen “Fernando Express” auf.
Den großen Durchbruch hatte Fernando Express knapp zehn Jahre später, im Jahr 1991. Damals wurde im Rahmen der ZDF-Show “Schlager 91” der Musikwettbewerb “Deutsches Song-Festival” ausgelobt, moderiert übrigens von Wencke Myhre, Pit Weyrich und Uwe Hübner. Fünf Jurys sollten aus den verschiedenen Darbietungen einen Gewinner küren. Platz 1 belegte die damals nach dem Grand-Prix-Sieg auf einer großen Erfolgswelle surfende Nicole, dicht gefolgt von Bernhard Brink und – die Überraschung schlechthin – die zu jener Zeit noch vergleichsweise unbekannte Combo “Fernando Express”. Es folgten Erfolge über Erfolge…Bereits ein Jahr später übernahm Star-Produzent Jean Frankfurter das Management der Truppe, übrigens der gleiche, der bereits Helene Fischer unter seinen Fittichen hatte, aber auch so ziemlich das gesamte Who is Who der deutschen Schlagergeschichte.
Die 90er waren definitiv die große Blütezeit von Fernando Express. Unzählige Singles, Alben und Chart-Erfolge ohne Ende, ließen die Truppe in einem stetigen Höhenwind dahin gleiten. Natürlich ging dies alles nicht ohne die entsprechende Reibungshitze vonstatten, erzählt Josef. Hinter den Kulissen hat es durchaus öfters auch geblitzt und gefunkt, Bandmitglieder kamen und gingen… bis heute sind nur sein Kollege Hans und er die einzigen, die es von der Ursprungsbesetzung bis in die Gegenwart geschafft haben. Tja, that’s Showbusiness. Bis in die 2000er hinein war die Truppe im Grunde immer auf Achse, egal ob als Gäste bei Dieter Thomas Heck in der ZDF Hitparade, bei Florian Silbereisen oder aber auch als Star-Band auf Kreuzfahrten. Wochenlang zog der Fernando Express kreuz und quer durchs Land und natürlich auch durchs Ausland. Obwohl Josef diese Zeit genossen hat, packte ihn doch immer wieder das Heimweh. Wenngleich das wilde Tourleben sicher die eine oder andere Verlockung zu bieten hatte, wartete er doch immer wieder sehnsüchtig auf die Heimkehr zu seiner Frau und den Kindern zu Hause in Gondelsheim. Josef war eben am liebsten nur in der Region unterwegs, am besten waren jene Auftritte, nach denen er im Anschluss noch nach Hause fahren konnte. Damals ging das auch noch ohne Probleme, Gigs und Chancen gab es wie Sand am Meer. Quasi in jeder Ortschaft gab es eine Tanzbar oder eine Diskothek, ein Phänomen dass heute leider fast vollständig ausgestorben ist.
Aber die Zeit macht bekanntlich auch vor der bunten Welt des Schlagers nicht halt und so feiert Fernando Express und seine Keimzelle “Die Skippies” dieser Tage bereits ihr 50-jähriges Jubiläum. Die Band hat zu diesem Anlass in ihrer aktuellen Besetzung eigens fünf neue Alben auf den Markt gebracht, davon zwei “Best of-Kompilationen”.. Alle fünf Scheiben konnten sich bereits in den Charts platzieren, die Fans sind offenbar so treu wie eh und je.
Wenn die Corona Krise irgendwann endlich einmal vorbei ist, möchte Fernando Express noch einmal auf Tournee gehen – ein voraussichtlich letztes Mal. “Irgendwann ist auch mal gut” sagt Josef, der nächstes Jahr seinen 75 Geburtstag feiert. Vermissen wird er das Bandleben aber schmerzhaft, da macht er sich nichts vor – gibt sich keinen Illusionen hin. Immerhin endet dann eine Geschichte die mit seinem zehnten Lebensjahr ihren Anfang nahm, damals als sein Vater ihm mit dem hart Ersparten sein erstes Akkordeon kaufte.