Der Eppinger Autor Martin Karsten ersinnt in seinem Erstlingswerk “Lazarus zwischen den Sternen” das kosmische Reisen neu
Eine Rezension von Stephan Gilliar
Wer in die unendlichen Weiten des Weltalls aufbrechen möchte, der sollte am besten ein paar Urlaubstage mehr beantragen. Eine bemannte Reise zum Mars würde zwischen 80 und 150 Tagen dauern, so schreibt es das Unternehmen SpaceX auf seiner Webseite. Das wäre zu unseren Lebzeiten also durchaus machbar und befindet sich – glaubt man den Ambitionen von SpaceX – schon längst in der Planungsphase. Etwas schwieriger sieht die Angelegenheit aus, plant man unser irdisches Sonnensystem zu verlassen. Selbst mit Lichtgeschwindigkeit würde es mindestens zwei Jahre brauchen, diese Distanz zu überbrücken, mit den uns zur Verfügung stehenden Antriebssystemen, wäre es in einem Menschenleben nicht machbar.
Was könnte man also tun, um tatsächlich in die unendlichen Weiten des Weltalls aufzubrechen? Der Eppinger Autor Martin Karsten hat sich darüber den Kopf zerbrochen, in seinem Erstlingswerk “Lazarus zwischen den Sternen” eine mögliche Antwort gefunden und darum eine spannende Story gestrickt: Um einen von der Erde aus registrierten Strahlungsausbruch in einem 22 Lichtjahre entfernten Sonnensystem zu erkunden, schickt die Menschheit zunächst menschliche Klone im Tiefschlaf in einem Raumschiff auf die Reise, um den dazu passenden Geist der sogenannten Lazanauten später per “Geistreise” nachzuschicken. Man könnte auch sagen, die Hardware wurde vorausgeschickt und die Software später per Upload nachgereicht. Da der menschliche Geist bei besagtem Transfer seinen alten Körper aufgibt um einen neuen zu übernehmen, hat Martin Karsten mit Lazarus, der laut Bibel von Jesus von den Toten auferweckt wurde, auch das passende Bild gewählt.
Um der Story noch einen kurzen Spoiler vorweg zu schicken: Als die Crew von der Erde nach über 200 Jahren ihr Ziel erreicht, stößt sie dort nicht nur auf einen bewohnbaren Planeten samt dazugehöriger Bewohner, sondern auch auf mehrere “Big Player” die die Realität auf unterschiedliche Weise deuten und somit ein universeller Konflikt seinen Lauf nimmt. Mehr sei aber an dieser Stelle nicht verraten.
Martin Karsten hat mit seinem Erstlingswerk “Lazarus zwischen den Sternen” ein großes Stück Science-Fiction erschaffen, das aber definitiv niemals dem Mainstream angehören wird. Wer auf Science-Fiction-Serien wie beispielsweise Star Trek oder Babylon 5 steht, wird mit der Komplexität auf den vorliegenden 500 Seiten vermutlich nur schwerlich zurecht kommen. Die intensive Recherche und das umfangreiche und akribisch bis ins Detail erworbene Fachwissen Martin Karstens, sind Fluch und Segen des Buches zugleich. Die technischen Aspekte der Odyssee durchs Weltall werden facettenreich und bis zu den kleinsten Feinheiten hin wiedergegeben. Eingefleischte Naturwissenschaftler und technikaffine Leser werden daran ihre wahre Freude haben, den “gemeinen” Leser kann die Flut an Details möglicherweise überfordern. Ich selbst würde mich durchaus nicht als Science-Fiction – Neuling bezeichnen, Werke von Lem, Wells, Clarke oder Silverberg sind mir nicht fremd, aber die Lektüre von Lazarus zwischen den Sternen hat mir viel abverlangt, insbesondere ein hohes Maß an Konzentration und Aufmerksamkeit beim Lesen. Flüchtig oder irgendwie nebenher, lässt sich dieses Buch nicht genießen, hier ist schon etwas Einsatz des Lesers gefordert. Wer sich aber darauf einlässt, wird mit einem exzellent recherchierten Plot und einer raffiniert konstruierten Storyline belohnt. Überdies wirft das Buch auch große, philosophische Fragen auf – deren Beantwortung den Leser auch nach dem Ende der Lektüre weiter beschäftigen.
Es ist gerade die Synthese aus Wissenschaft und Philosophie, die das Herzstück des Buches bildet. Wen die unendlichen Möglichkeiten der Quantenmechanik faszinieren oder wer bereits gespannt über die Theorie eines Multiversums sinniert hat, wird sich mit “Lazarus zwischen den Sternen” extrem wohlfühlen. Seine Begeisterung für sämtliche Aspekte der Kosmologie, spiegelt sich auf jeder einzelnen der 535 Seiten in Martin Karstens Buch wieder.
Als Autor hat Martin Karsten mit diesem Science-Fiction-Epos seinen Einstand gefeiert, im wahren Leben war der Wahl-Kraichgauer bis zu seinem Ruhestand als Datenbankspezialist bei der Landesforstverwaltung Baden-Württemberg tätig. Seine Liebe zur Science-Fiction und die Sehnsucht nach den Sternen, begann aber bereits in den 60er Jahren, als Martin im Alter von 10 Jahren die Groschenromane von Perry Rhodan kennenlernte und im Fernsehen den Rücksturz zur Erde des Raumschiffes Orion verfolgte. Über Jahrzehnte hinweg füllte er seinen Wissensstand mit der Lektüre unterschiedlichster Science Fiction Autoren, sein Idol war der schottische Schriftsteller Ian Banks, Erschaffer der preisgekrönten Romanreihe des Kultur-Zyklus.
Nach und nach reifte die Idee für seinen ersten Roman und so begannen schließlich 2015 die Vorarbeiten für “Lazarus zwischen den Sternen”. Im Sommer diesen Jahres war es schließlich soweit und das Buch erschienen im Eigenverlag. Die gedruckte Ausgabe ist für 15 Euro im Buchhandel erhältlich, die eBook Variante gibt es für schlanke 4.99 Euro über die gängigen Dienste. Die Rezensionen fallen indes durchweg gut aus, auf Amazon vergeben die bisherigen Kunden fünf von fünf möglichen Sternen. Besonders gelobt und hervorgehoben wird auch hier die Verschmelzung von wissenschaftlichen und philosophischen Fragen.
Mein Fazit: “Lazarus zwischen den Sternen” ist ein faszinierendes und großes Stück Science Fiction. Wer sich ganz und vollständig darauf einlässt, wird mit einem von A bis Z perfekt durchdachten und fundiertem Plot belohnt. Ein klassischer Page-Turner für die breite Masse ist das Buch nicht, die komplexe Materie zieht sich tief durch alle Schichten, aber niemals an der Oberfläche. Wer seinen Geist vor den großen Fragen menschlicher Existenz nicht verschließt, wie z.b. jener nach der Trennung zwischen physischem Körper und Astralleib, einem Leben nach dem Tod oder Nahtoderfahrungen, der wird – mit etwas technischem Grundwissen ausgestattet, seine wahre Freude daran haben.