Mit Volldampf ins Mittelalter
Mit diesem Grundregeln werdet ihr zu echten PuP-Profis
Eine Kolumne von Tommy Gerstner
Bald ist es wieder soweit. Die große Kreisstadt Bretten macht einen Sprung in der Geschichte zurück bis ins finsterste Mittelalter. In technologischer, politischer und sozialer Hinsicht für die meisten Brettener also kaum eine Umstellung im Vergleich zum normalen Alltag. Für manche Brettener ist das Peter-und-Paul-Fest eine Rückbesinnung auf die Vergangenheit und eine Huldigung der eigenen Geschichte, für die anderen ist es einfach nur Saufen in komischen Kleidern. Auch der gute alte Tommy ist seit seinem 10. Lebensjahr, als Haarausfall und Wampenwuchs einsetzten, regelmäßiger Gast an allen vier historischen Tagen in der Brettener Altstadt. Daher, werte Landsleute, hier nun Tommys ultimative Tipps für einen gelungenen Rücksturz ins Mittelalter.
Zur Grundausstattung für einen standesgemäßen Besuch auf dem Fest gehört neben der historischen Gewandung auch wirklich jede Menge Kohle. Wer alle vier Festtage überstehen möchte, braucht wirklich Asche in rauen Mengen. Einerseits finden die vielen Händler und Wirte es zwar schnafte, ihre Preise in Fantasie-Währungen anzugeben, wenn man dann aber ebenso fantasiebegabt bezahlen möchte, ist der Spaß schnell zu Ende. Nur weil auf den Preistafeln statt Euronen Taler stehen, ist der vielfache Wucher auf dem Fest noch lange nicht kaschiert. So kostet ein Holz-Humpen von 0,3 ordinären Litern Bier rund vier Taler – einer Summe von der früher eine ganze Familie gut eine Woche lang über die Runden kommen musste. Wir sich also zurecht übers Ohr gehauen fühlt, sollte laut schreiend nach den Landsknechten rufen, auch wenn diese gerade vermutlich dabei sind am Simmelturm ordentlich Keile auszuteilen.
Auf dem Fest begegnen euch allerlei authentische und weniger authentische Gestalten. Besonders ins Auge fallen werden den vielen männlichen Fest-Besuchern die fast bis zum Schambein entblößten Beine der vielen jungen holden Maiden. Diese nehmen zugunsten der Sexiness gewichtige Abstriche in der historischen Authentizität hin, denn die einzigen Frauen die im Mittelalter derart entblößt auf die Gasse traten, waren schlicht und ergreifend Huren. Aus leidiger Erfahrung möchte ich euch dennoch davon abraten, dergleich in Preisverhandlungen einzutreten, sonst verbringt ihr nämlich die kommenden Stunden im Verliese und müsst wirres Zukunfts-Hexenwerk wie etwas namens Personalausweis vorzeigen.
Wer so richtig ins mittelalterliche Feeling einsteigen und gleichzeitig auf die größte Unart des Festes aufmerksam machen möchte, der sollte unbedingt auf dem großen Jahrmarkt vorbeischauen. Dann unbedingt einen völlig entrückten Blick aufsetzen, sich schreiend um sich drehen und mit lauten “Hexerei”-Rufen wie von Sinnen mit dem Schwert auf die bunten Blinklichter einschlagen.
Solltet ihr bei den traditionell heißen Temperaturen auf dem Fest zufälligerweise den ehrenwerten Schultheiß und seine Gefolgsleute – wie immer gehüllt in dicke, schwere Gewänder antreffen, so greift euch unbedingt einen Eimer kühlenden Wassers und verschafft den Ratsleuten mit einem beherzten Ausschütten über den hochherrschaftlichen Köpfen, etwas wohltuende Erfrischung. Sie würden euch zwar nie danach fragen, aber vertraut mir – sie werden euch dankbar sein.
Wer abgesehen von der richtigen Gewandungen auf dem Fest mit maximaler Authentizität auftreten möchte, der sollte sich bereits jetzt körperlich darauf vorbereiten. Ein echter Peter-und-Paul Fan hört schon drei Monate vor dem Fest damit auf sich die Zähne zu putzen und legt sich irgendeine fiese Infektionskrankheit zu. Kleiner Geheimtipp – in diesem Jahr sind Geschlechtskrankheiten der große Renner. Wer eine Liste an Etablissements braucht, wo er sich eine solche mit Sicherheit zuziehen kann, der schreibt einfach an tommy1969@aol.com.
Dinge die ihr außerdem für ein gelungenes Fest unbedingt erledigen müsst:
-Mit einer Kettensäge durch die Gassen stürmen und mit donnernder Stimme erklären ihr wäret Ash aus der Haushaltswarenabteilung.
-Einen Schutzmann auf die Gefahr sarazenischer Pferde-Wagen-Selbstmordattentäter aufmerksam machen
-die Brettener Artillerie bitten in der Nacht alle Viertelstunde die Zeit mittels Böller- und Kanonenschüsse durchzugeben
-In Star Trek Uniform mit einem Spielzeug-Tricorder mit interessiertem Blick die gewandeten Besucher untersuchen
-Im Zoohandel 10.000 Ratten erstehen und sie in der Brettener Altstadt aussetzen
-Einen mittelalterlichen Stand aufbauen und dort Glasfaseranschlüsse verticken
-Verhasste Mitbürger per Proklamation als vogelfrei erklären
-Durch die Gassen spazieren und allen erklären dass das Beste am Peter-und-Paul-Fest der Jahrmarkt auf der Sporgasse ist
-Bei der historischen Schlacht Sir Ulrich von Württemberg entscheidende Tipps geben, wie er das Kaff doch noch einnehmen kann
-In der Schänke so lange rumdiskutieren, bis dir der Wirt einen Bewirtungsbeleg über die vier Taler ausstellt
So Freunde, das dürfte fürs erste reichen. Mit diesen Tipps seid ihr perfekt für die vier historischen Tage zu Peter und Paul in Bretten eingestellt. Ansonsten gelten nur die bisher schon bewährten Ratschläge: Als Auswärtige ohne jegliche Gewandung seid ihr wie immer die beliebtesten Ehrengäste auf dem Fest, jede Menge freie Parkplätze findet ihr zu allen Zeiten an allen vier Tagen direkt in der Innenstadt und bitte vergesst auch nicht mit dem Kopf vorwärts von der Kirchplatzmauer zu fallen, damit die saublöden Absperrungen endlich mal durch einen Todesfall legitimiert werden.
Und nun: Klaatu Verata Nektu
Euer Tommy (Haushaltswarenabteilung)
Beitrag erstmals erschienen im Juni 2019